Während in Berlin um die letzten Details gerungen wird, biegt das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) langsam auf die Zielgerade ein. Im Fokus der rentenpolitischen Initiative steht vor allem die Steigerung der Nachfrage im Mittelstand. Dieses Ziel scheint nicht verfehlt, denn zwei Drittel der befragten bAV-Experten in den Unternehmen erwarten ein größeres Interesse der Beschäftigten. Die Studie „Betriebliche Altersversorgung im Mittelstand 2017“ zeigt detailliert auf, welche Ansätze auf Zustimmung stoßen und wo Diskussionsbedarf besteht.
Die Basis der Studie ist eine repräsentative Befragung unter 200 Personalverantwortlichen mit bAV-Zuständigkeit in deutschen Unternehmen mit 50 bis 500 Mitarbeitern durch die Marktforschungsgesellschaft forsa. Die Studienreihe „Betriebliche Altersversorgung im Mittelstand“, die die Generali Versicherungen und das F.A.Z.-Institut seit 2011 herausgeben, beschäftigt sich außer mit den Chancen durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz auch mit den aktuellen bAV-Angeboten der Betriebe. Im Fokus stehen unter anderem die digitale Transformation und der Bedarf an Produkten und Services im digitalen Zeitalter.
Zurückhaltung des Mittelstands
Die bAV-Verantwortlichen des Mittelstands bewerten die Inhalte und Ziele des Gesetzesvorhabens der Bundesregierung überwiegend positiv. Außer auf steigendes Mitarbeiterinteresse hoffen die Betriebe in erster Linie auch auf attraktivere Produkte mit höherem Qualitätsanspruch. Gut die Hälfte der mittelständischen Unternehmen erwartet Erleichterungen beim Haftungsumfang. Rund ein Drittel erwartet Entlastungen bei Bürokratie und Vorschriften zur bAV.
Trotz der grundsätzlich positiven Einstellung zu den voraussichtlichen Inhalten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes äußern sich die Unternehmen im Hinblick auf konkrete Maßnahmen eher zurückhaltend. Fast zwei Drittel der bAV-Verantwortlichen sind sich noch nicht im Klaren darüber, ob die neuen Möglichkeiten überhaupt aufgegriffen werden. 18 Prozent schließen die Inanspruchnahme der neuen bAV-Rahmenbedingungen gänzlich aus. 17 Prozent haben bereits jetzt die Entscheidung getroffen, die neuen Möglichkeiten für sich nutzen zu wollen.
Insbesondere größere Unternehmen mit 250 bis 500 Mitarbeitern planen den Ausbau des bAV-Angebots nach Maßgabe des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (24 Prozent). Kleinere Unternehmen mit 50 bis 100 Mitarbeitern sind deutlich zurückhaltender. Lediglich 11 Prozent von ihnen bereiten entsprechende Maßnahmen zur Umsetzung vor.
Von den Unternehmen, die die neuen Rahmenbedingungen nutzen wollen, spricht sich knapp die Hälfte für die Nutzung des bAV-Förderbetrags für Geringverdiener aus. Ein Viertel plant die Einführung der reinen Beitragszusage über einen Tarifvertrag, während lediglich magere 18 Prozent ein Opting-out-Modell ins Auge fassen.
Individuelle Beratung wird stärker nachgefragt
Schon die Studien der vergangenen Jahre haben einen hohen Gesprächsbedarf der Beschäftigten des Mittelstands aufgezeigt. Die Ergebnisse der Vergangenheit konnten im Rahmen der Studie 2017 weitgehend bestätigt werden. Die bAV-Verantwortlichen werden vor allem auf den finanziellen Beitrag des Arbeitgebers zur bAV und das bAV-Gesamtangebot des Unternehmens (jeweils 64 Prozent) angesprochen. In Bezug auf eine individuelle Beratung haben sich hingegen deutlich mehr Beschäftigte an ihren Arbeitgeber gewandt als in den Vorjahren (56 Prozent, Vorjahr 47 Prozent).
Das Thema Sicherheit durch Garantieleistungen scheint an Relevanz zu verlieren, denn nur noch 43 Prozent der bAV-Verantwortlichen sehen sich mit dieser Frage konfrontiert (Vorjahr 48 Prozent). Bei den Themen Flexibilität der bAV bei Beiträgen und Auszahlungen (41 Prozent) bzw. Rendite der Anlage (40 Prozent) gab es hingegen kaum Veränderungen.
Im Angebotsportfolio der Unternehmen dominieren mischfinanzierte Lösungen mit 67 Prozent. Rein entgeltfinanzierte bAV Lösungen werden von 62 Prozent der Mittelständler angeboten, während 29 Prozent rein arbeitgeberfinanzierte Versorgungen anbieten. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass sowohl rein arbeitgeber- als auch rein arbeitnehmerfinanzierte Lösungen über die Jahre deutlich gewachsen sind.
Die Durchdringung in den Betrieben stagniert
Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich die Marktdurchdringung von bAV-Versorgungslösungen nicht verbessert. Zum einen mangelt es an Arbeitnehmerinteresse, zum anderen warten viele Betriebe auf neue Impulse durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Wenig überraschend ist das Ergebnis, dass mit der finanziellen Beteiligung des Arbeitgebers auch die Teilnahmequote steigt.
Ein Großteil aller verantwortlichen bAV-Experten stellt sich mit zunehmend aufkommenden digitalen Lösungen die Frage nach IT-Sicherheit und Datenschutz in Bezug auf die Administration und Kommunikation zur bAV (91 Prozent). Immerhin gut zwei Drittel der befragten Personen fordern ganzheitliche digitale Lösungen, um den Anforderungen der Betriebe und Mitarbeiter zukünftig gerecht zu werden. Zudem spielen die Flexibilität der Produkte, die Sicherheit der Kapitalanlagen, der Insolvenzschutz und hohe Renditen eine große Rolle bei der Auswahl der geeigneten Versorgungslösung.
Die Assekuranz bleibt wichtigster Kooperationspartner
Schon aus den Studien der vergangenen Jahre gingen die Versicherungsunternehmen als präferierter Partner des Mittelstands hervor. In der vorliegenden Studie konnte die Position der Marktführerschaft noch ausgebaut werden. 80 Prozent der befragten Unternehmen kooperieren bei der Durchführung und Steuerung der bAV derzeit mit Versicherungsgesellschaften. Wie bereits in der Vergangenheit folgen danach Pensionskassen und Versicherungsmakler.
Weitere wesentliche Entscheidungskriterien für die Auswahl des Partners zur Durchführung der bAV sind ein überzeugender Service (52 Prozent), eine langjährige und vertrauensvolle Kooperation (51 Prozent) und überzeugende Produkte (50 Prozent). In der Zusammenarbeit mit externen Partnern liegt ein großer Schwerpunkt auf festen Ansprechpartnern. 94 Prozent der befragten bAV-Verantwortlichen erachten dies als wichtig oder sehr wichtig. Auch die Transparenz und Überprüfbarkeit hat mit 93 Prozent einen großen Stellenwert im Mittelstand. 89 Prozent wünschen sich eine komplette Abwicklung der bAV-Administration durch den externen Dienstleister.
Die bAV als herausragendes Bindungsinstrument
Hinsichtlich der Auswirkungen der demographischen Entwicklung investiert der Mittelstand in Instrumente, die den eigenen Personalbedarf nachhaltig sicherstellen. Neben Weiterbildung (90 Prozent), Karrierechancen (82 Prozent), ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung (76 Prozent) kommt auch die bAV mit Arbeitgeberbeteiligung (75 Prozent) zum Einsatz. Damit ist die bAV das am häufigsten eingesetzte Instrument zur Mitarbeiterbindung aus der Gruppe der Vergütungselemente.
Michael Reinelt,
Abteilungsdirektor,
Generali Lebensversicherung