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The Great Reset: Wie die Pandemie Boni, Benefits und betriebliche Sozialleistungen verändert

Vor rund fünf Jahren zeichnete sich ab, dass in Gehaltsvereinbarungen statt auf individuelle Bonuskomponenten verstärkt auf den Unternehmenserfolg oder die Teamleistung abgestellt wurde. Dies versprach eine höhere Zufriedenheit und Kooperationsbereitschaft der Beschäftigten. Die Corona-Pandemie stellt dieses System grundlegend infrage.

Laut einer Studie des Bundesarbeitsministeriums setzen rund 60 Prozent der Unternehmen in Deutschland variable Vergütungsbestandteile ein. Allerdings profitiert nur rund ein Fünftel der Mitarbeitenden davon, je nach Branche und Hierarchieebene: Vor allem größere Unternehmen wenden variable Vergütungssysteme an, und diese in erster Linie für Führungskräfte. Die wohldurchdachte Umstellung der Bonusvereinbarungen von individuellen Zielen auf die Unternehmensperformance als Ganzes hat sich in der Corona-Pandemie für viele Beschäftigte als äußerst unvorteilhaft erwiesen: Das Bruttoinlandsprodukt ist im Vorkrisenvergleich weiter deutlich im Minus. Abgesehen von einigen boomenden Branchen sind die Geschäftsergebnisse vieler Unternehmen negativ. Die Folge: Ausgelobte Boni blieben unerreichbar, dies beschädigte die Motivation und führte vielerorts zu Frust, da der persönliche Einsatz der Mitarbeiter nicht nachgelassen hatte. Gerade in der Krise wuchsen Zusammenhalt und Engagement. Die negativen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ließen sich damit aber nicht aushebeln. Insofern stehen viele Arbeitgeber vor einem Dilemma: In virtuellen Townhalls wird der Einsatz der Mitarbeiter und Teams überschwänglich gelobt, findet aber keine materielle Anerkennung.

Raus aus dem Vergütungsdschungel

Auf den extern verursachten Pandemie-Schock reagieren Unternehmen verstärkt mit Initiativen in den Bereichen digitale Transformation und Innovation sowie Kostensenkungsprogrammen. Geschäftsprozesse und althergebrachte Organisationsstrukturen sollen optimiert und zukunftsfähig gemacht werden.
Dabei kommen auch die Vergütungssysteme auf den Prüfstand. Die Krise wird zuweilen als Chance wahrgenommen, überkommene Besitzstände zu beschneiden und alte Vergütungs- und Bonusregelungen neu aufzusetzen. Denn es wird immer klarer, dass in der „neuen Normalität“ viele der altbekannten Zusatzleistungen an Strahlkraft verloren haben.

Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport sucht aktuell mit einem sehr einladend gestalteten Flyer für die Tochtergesellschaft FraGround Flugzeug- und Gepäckabfertiger. Ein hoffnungsfrohes Zeichen, es scheint aufwärts zu gehen. Noch interessanter sind jedoch die beworbenen Zusatzleistungen. Mit neun Icons wird auf Tariflohn, kostenlose Parkplätze, Jobticket, Dienst- und Schutzbekleidung, Betriebskantine, vergünstigtes Tanken, betriebliche Weiterentwicklung, geregelte Arbeitszeiten und vergünstigte Einkaufsmöglichkeiten hingewiesen. Was jedoch auffällt, ist, dass vier von neun, mithin fast die Hälfte der beworbenen Sozialleistungen für Mitarbeiter im Homeoffice relativ „nutzlos“ wären.

Benefits, die für Beschäftigte in Produktionsbetrieben noch wertvoll sind, kommen bei anderen Mitarbeitern gar nicht mehr an. Denn wer im Homeoffice arbeitet, profitiert nicht mehr vom kostenlosen Jobticket, dem kostenlosen Parkplatz oder dem Zugang zur Betriebskantine. Und auch der beliebte Obstkorb im Büro macht die Mitarbeiter zu Hause keinen Deut gesünder.

Viele Beschäftigte sparen im häuslichen Büro zwar Spritkosten und Zeit für Fahrtwege, dem stehen aber Zusatzkosten für Internet, Beleuchtung, Büroausstattung und der zusätzliche Stromverbrauch zu Hause entgegen. Wie hoch die Zusatzbelastungen tatsächlich ausfallen und welche häusliche Ersparnis ausgleichend gegengerechnet werden müsste, darüber streiten sich je nach Interessenslage Vergleichsportale, Mitarbeiter und Arbeitgeber. Schaut man auf diverse Studien, die die Beliebtheit von Benefits abfragen, liegt meistens die bAV auf Platz 1 und an zweiter Stelle kostenfreie Getränke im Büro. Im Ranking folgen dann Zusatzleistungen wie Gesundheitsvorsorge, erfolgsabhängiger Bonus, Gewinnbeteiligung, Firmenwagen, Jobticket, Kantine/Essenszuschuss, Sportprogramme und Mitarbeiter-Events. Auch hier zeigt sich, dass viele der Leistungen vor dem Hintergrund einer geänderten Arbeitswelt auf ihre Wirksamkeit und den echten Benefit hin dringend neu zu bewerten sind.

Homeoffice – ist das noch ein Benefit?

„Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben“, lautet die Erkenntnis von (fast) allen Seiten. Wahr ist, dass die neue hybride Arbeitswelt für Unternehmen die teuerste aller Möglichkeiten darstellt. Der Grund: Für den sozialen und kreativen Austausch der Mitarbeiter braucht es weiter physisch erlebbare Räume, die insbesondere unter Hygienegesichtspunkten ausreichend groß ausfallen müssen. Büroraum kann also vielerorts nicht einfach virtualisiert und aufgegeben werden. Arbeitgeber müssen nun sowohl im Büro als auch bei den Beschäftigten zu Hause die doppelte Büroausstattung und Technik vorhalten.

Bei denen ist jedoch das Bewusstsein für Ausgleich und Kompensation gewachsen. Auch Fragen zur Arbeitssicherheit und zum Datenschutz im Homeoffice scheinen weiterhin ungeklärt. Was wiederum erklärt, dass viele Unternehmen so ungern von Homeoffice, sondern lieber von „Remote Work“ sprechen.
Aber auch aus der Arbeitnehmerperspektive erscheint eines der Top-Benefits der vergangen Jahre mittlerweile äußerst ambivalent: In Einstellungsgesprächen und Jobanzeigen wurde die Möglichkeit, im Homeoffice arbeiten zu können, jedenfalls offensiv beworben. Allen erschien diese Art des Arbeitens wie die Verheißung paradiesischer Zustände. Insbesondere jene, die nicht in den Genuss kamen, beneideten ihre Kolleginnen und Kollegen. Die Arbeit zu Hause versprach größere Flexibilität, Arbeitszeitautonomie und Selbstbestimmung. Nach der intensiven Homeoffice-Erfahrung, zuweilen sogar noch erweitert um die Zusatzbelastung von Kinderbetreuung und Homeschooling, scheint der Nimbus des Büros am Küchentisch mittlerweile einigermaßen verflogen.

Fünf Tage im Homeoffice nicht gewollt

Rund 75 Prozent der Unternehmen in Deutschland setzten während der Pandemie verstärkt auf die Mitarbeit im Homeoffice. Und nahezu 80 Prozent der Beschäftigten wollen auch künftig von zu Hause aus arbeiten. Aber nur gelegentlich, wie eine repräsentative Umfrage von Harris Interactive im Auftrag von Sodexo belegt. Befragt wurden knapp 5000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, den USA,  Australien, China und Deutschland.

Nach ihren Wünschen befragt, möchten künftig drei Viertel der deutschen Teilnehmer von zu Hause aus arbeiten – aber maximal drei Tage pro Woche. Ähnliches zeigen die Ergebnisse aus den anderen Ländern:

Auch hier ist die Zweitagewoche im Homeoffice der Favorit. Während sich international lediglich neun Prozent der Belegschaft nur einen Tag pro Woche im Homeoffice vorstellen können, wünschen sich dies in Deutschland sogar 14 Prozent. Dagegen erscheinen volle fünf Tage ohne Präsenzarbeit im Büro den meisten Beschäftigten mittlerweile als Höchststrafe.

Die Mitarbeitenden mit viel Erfahrung im häuslichen Büro berichten zwar tatsächlich über eine viel höhere Arbeitszufriedenheit und sagen, dass sie produktiver und motivierter seien. Andererseits klagen sie über die höhere psychische Belastung und bedauern zu Recht, dass Videokonferenzen per Teams, Zoom, Skype und anderen Kommunikationsplattformen den persönlichen Austausch und das soziale Miteinander mit Kolleginnen und Kollegen nur bedingt ersetzen können. Für Teambuilding, den kreativen Austausch und die Bindung an den Arbeitgeber braucht es eben persönliche Begegnungen.

The Great Reset: weg vom individuellen Bonus, hin zu individuelleren Benefits

Der CRM-Anbieter Hubspot informierte Anfang Juli über eine Initiative, die „Meeting-freie Freitage“, neue Programme für psychische Gesundheit und Wohlbefinden sowie „eine globale Woche der Ruhe“ ankündigt. Hier zeigt sich eine fundamentale Neuausrichtung, die auch viele andere Arbeitgeber aktuell anstreben: weg von individuellen Boni, hin zu individuelleren Benefits.

Perspektivisch ist mittlerweile absehbar, dass die Grundvergütung wieder an Gewicht gewinnt. Wobei zur Grundvergütung, auch wenn es kontradiktorisch klingt, ebenso die variablen Vergütungsbestandteile zählen. Diese Zusatzleistungen stehen aber allen Mitarbeitern gleichermaßen zur Verfügung und müssen nicht erst durch eine individuelle Leistung, den Teamerfolg oder das Erreichen bestimmter Unternehmenskennzahlen erschlossen werden. Denn von den Auswirkungen der Lockdowns sind ebenfalls alle Mitarbeiter gleichermaßen betroffen: im Bewältigen der Remote-Arbeit, der Sorge um Familie und Freunde sowie der Belastung durch externe Einflüsse.

Und dennoch sind die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten sehr verschieden. Nicht jeder nutzt Sportangebote oder Programme zur psychosozialen Unterstützung und Gesundheitsförderung. Diese Leistungen werden in Zukunft aber zum festen Mix der betrieblichen Sozialleistungen gehören, die Arbeitgeber allen Mitarbeitern anbieten, um ihre Work-Life-Balance und die betriebliche Gesundheit zu verbessern.

Derart fixe Vergütungssysteme mit klar umrissenen variablen Bestandteilen haben zudem den Vorteil, dass sie einfach sind und weniger individuellen Administrationsaufwand in den HR-Abteilungen erfordern. Die Personaler und Führungskräfte können sich dadurch stärker auf die Begleitung der nötigen Transformation, auf Mitarbeiterbindung und -entwicklung und Nähe konzentrieren. Insofern wirkt die Corona-Pandemie gerade im Bereich der betrieblichen Sozialleistungen als Katalysator für eine Neubestimmung der richtigen Mitarbeiterleistungen und erlaubt im „Great Reset“ die richtige Weichenstellung für die Zukunft.

George Wyrwoll
HR-Experte und Head of Communications
Sodexo Benefits and Rewards Services
george.wyrwoll(*)sodexo(.)com
www.sodexo.com