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Ob die neue bAV-Welt, die Betriebsrente mit Beitragszusage, am 1. Januar 2018 kommen wird, steht noch in den Sternen. An den Schrauben wird noch eifrig gedreht. So klingt der Weg von der „Garantie ins Risiko“ zwar nach einem passablen Angebot für den Arbeitnehmer, doch ob es in der Fläche überzeugt, bleibt die große Frage. Wie erklärt man Arbeitnehmern, dass sie keine formalen Garantien erhalten, auch nicht in der Rentenbezugsphase? Langfristig wird sich die Beitragszusage nur durchsetzen, wenn eine Überperformance der Kapitalanlage und geringe Kosten bei einer gleichzeitig guten Kommunikation realisiert werden können.
Zielgruppe verfehlt?
Kritisch sehen die bAV-Experten, dass die Zielgruppe des Gesetzes – der Geringverdiener – häufig nicht tarifgebunden ist. Das wirft zwei Fragen auf: Die Tarifpartner sollen zwar die neue Versorgung über gemeinsame Einrichtungen umsetzen. Doch ob sie sich auch sogenannten tariflichen Außenseitern öffnen, also Arbeitgebern, die sich bewusst gegen eine Tarifbindung entschieden haben, bleibt abzuwarten. Ebenso fraglich ist, ob die Erhöhung der steuerfreien Entgeltumwandlung auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung greift. Denn Geringverdiener sind kaum in der Lage, die aktuell möglichen vier Prozent auszunutzen. Ein weiteres Problem: Die reine Beitragszusage setzt enorme Anreize für Unternehmen, ihre bestehenden bAV-Modelle umzustrukturieren. Es droht ein Wettbewerb zu Lasten der bisher bewährten Versorgungssysteme.
Die Auferstehung der Riester-Rente
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz wird voraussichtlich der betrieblichen Riester-Rente neues Leben einhauchen. Denn für sie entfällt in der Auszahlungsphase die Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Zudem wird die Grundzulage der Riester-Förderung ab dem Beitragsjahr 2018 von 154 Euro auf 165 Euro jährlich angehoben. Deshalb ist die Riester-Rente im Vergleich zur Sozialpartnerrente eine kalkulierbare Alternative – im Gegensatz zur Sozialpartnerrente, die bei jeder Tarifverhandlung erneut zur Disposition stehen wird. Da künftig die Riester-Rente auch in der bAV abgewickelt werden kann, bekommen Arbeitgeber die Chance, ihre Verhandlungsmacht zu nutzen und damit Skaleneffekte bei den Konditionen zu heben.
Kombination der alten und neuen bAV-Welt
Einige Lebensversicherungen haben bereits Produkte für eine neue Riester-Rente eingeführt. Mit ihr sollen Versicherte stärker vom Kapitalmarkt profitieren können und trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase die Möglichkeit haben, eine zusätzliche Altersvorsorge aufzubauen. Gleiches trifft auch auf andere Kapitalanlagen zu, mit denen der Kunde stärker an Sachwertanlagen und der positiven Entwicklung an den Kapitalmärkten profitieren kann. Gut vorstellbar in der neuen bAV-Welt ist, dass Arbeitnehmer und die Tarifvertragsparteien die alte und neue Welt kombinieren. Denn Gewerkschaften werfen die gut bewährte Betriebsrente nicht über Bord zugunsten einer Versorgung, bei der alle Chancen und Risiken bei den Arbeitnehmern liegen. Eine Koexistenz beider Welten und eine hybride Versorgung mit und ohne Garantien sind sehr wahrscheinlich.
Digitalisierung in der bAV
Die digitalisierte bAV beschränkt sich oft noch auf die Kommunikation mit den Versicherten. Die Möglichkeiten einer bAV 4.0, die zu mehr Transparenz und Effizienz führt sowie das Bewusstsein der Mitarbeiter für die Altersvorsorge schärft, werden noch nicht ausgenutzt. Noch sind überwiegend Einzellösungen im Einsatz, also die App des Versicherers oder eine Software für die Abwicklungs- und Meldeprozesse der Arbeitgeber. BAV-spezifische Workflows mit wenigen Klicks erledigen? Kein Problem, modular aufgebaute cloudbasierte Softwarelösungen, mit der Arbeitgeber alle Arten von Versorgungszusagen unabhängig von Durchführungsweg und Produktanbieter digital administrieren können, existieren schon. Noch nutzen Unternehmen aber Lösungen von verschiedenen Produktanbietern, von denen jeder ein eigenes Interesse hat, seine Lösung durchzusetzen. Die Zukunft liegt jedoch in einer Betriebs-Software für bAV, die alle Funktionalitäten enthält.
Pensionslasten – clever managen, statt zu klagen
In der Praxis zeigt sich, dass Großkonzerne und gesunde Unternehmen die Lasten ihrer Pensionsverpflichtungen in den Handelsbilanzen stemmen können. Im Mittelstand stellen sie allerdings eine erhebliche Belastung dar. Dabei haben Unternehmen auch in der Niedrigzinsphase Handlungsoptionen, beispielsweise für ihre lang bestehenden Versorgungswerke. Allerdings müssen sie diese Chancen auch ergreifen, indem alte Versorgungssysteme eingefroren und durch weniger risikobehaftete Modelle abgelöst werden. Darüber hinaus sollten Rückstellungen aktiv gemanagt werden. Der bilanzielle und der liquide Aufwand können systematisch prognostiziert werden. In einem ersten Schritt zur besseren Kontrolle können Unternehmen ihre Verpflichtungen zumindest teilweise mit Vermögen fundieren und sind somit auf unsystematische liquide und bilanzielle Entwicklungen besser vorbereitet. Nicht weg zu diskutieren ist allerdings die Diskrepanz zwischen den handelsbilanziellen und den steuerlichen Zinssätzen.
Autorin: Christiane Siemann, freie Journalistin, Bad Tölz
+++ Video zum Thema +++
In unserem › Video „Renaissance der Riester-bAV“ erfahren Sie außerdem, warum diese durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz besonders für Geringverdiener wieder attraktiver wird.