2015 stagniert die Nachfrage der Beschäftigten nach neuen Betriebsrenten in Unternehmen mit 50 bis 500 Mitarbeitern. Knapp 44 Prozent der Beschäftigten unterhalb der Ebene der Führungskräfte nutzen mindestens ein bAV-Angebot ihres Arbeitgebers. Im oberen und mittleren Management sind die Mehrheitswerte höher, aber im Vergleich zu den vergangenen Jahren ebenfalls praktisch kaum verändert. Die Studie „Betriebliche Altersversorgung im Mittelstand 2016“ nennt die Gründe für die Stagnation.
Die Basis der Studie ist eine repräsentative forsa-Befragung unter 200 Personalverantwortlichen, die für die betriebliche Altersversorgung zuständig sind, in deutschen mittelständischen Unternehmen mit 50 bis 500 Mitarbeitern. Die Befragung fand im Oktober und November 2015 statt. In der fünften Studie der gemeinsamen Reihe gehen die Generali Versicherungen und das F.A.Z.-Institut unter anderem der Frage nach, welches die Gründe für die schwache Marktdurchdringung der bAV sind. Zudem werden die bAV-Verantwortlichen in den Betrieben zu Angebot und Nachfrage bei der bAV, zu Anforderungen und Erfahrungen mit Dienstleistern und Produkten befragt. Die Studie wurde einem breiten Fachpublikum erstmals auf der Handelsblatt-Jahrestagung Betriebliche Altersversorgung 2016 vorgestellt.
Die bAV-Nachfrage differenziert sich insbesondere nach der Form der Finanzierung. Arbeitgeber, die sich finanziell an der bAV beteiligen, motivieren ihre Beschäftigten stärker, eigenes Entgelt in Altersvorsorge umzuwandeln. Zudem weisen mitarbeiterstarke Betriebe laut der Studie überdurchschnittlich hohe Beteiligungsquoten auf. So verfügen im Schnitt 75 Prozent der Top-Manager in großen Betrieben über mindestens ein bAV-Produkt, in kleinen und mittleren Betrieben sind es nur rund 57 Prozent.
Kaum Belebung durch geringere Haftung und Opting-out-Obligatorium
Die bAV-Verantwortlichen im Mittelstand sehen die Hauptgründe für die schwache Marktdurchdringung zuerst bei den Mitarbeitern, weniger in den Unternehmen. So hätten viele Mitarbeiter nur geringe Finanzreserven und wenig Interesse an der Entgeltumwandlung. Zudem halten sich viele Unternehmen bei der bAV zurück. Kritik üben die bAV-Verantwortlichen auch an den umfangreichen Vorschriften und Regelungen, die die bAV hemmen und die Unternehmen mit mehr Administration belasten.
Nur jeder dritte bAV-Verantwortliche sieht in der gesetzlichen Haftung der Arbeitgeber ein Hindernis für die bAV. Falls der Gesetzgeber also die Arbeitgeber künftig ein Stück weit aus der Haftung für die bAV entlassen sollte, würde dadurch die Nachfrage nach bAV aus Sicht der Experten keine nachhaltige Belebung erfahren. Ähnlich kritisch gehen die bAV-Verantwortlichen mit der Frage nach einem Opting-out um, denn auch eine solche Regelung für Neueinstellungen könne das Grundproblem der bAV nicht lösen.
Die Arbeitgeber sehen die Ursachen für die Stagnation in der Nachfrage auch deshalb nicht in erster Linie bei sich, weil viele von ihnen 2015 ihr Engagement bei bAV-Angeboten ausgebaut haben. So kann jeder befragte Mittelständler mindestens ein bAV-Angebot vorweisen, und die Entgeltumwandlung findet jetzt in 100 Prozent der befragten Unternehmen statt. Im Durchschnitt hält jeder Betrieb aktuell 1,5 Modellvarianten bereit, nachdem es 2014 noch 1,4 Varianten waren.
Gemischt finanzierte Betriebsrenten sowie Branchen- und Tarifvertragsmodelle nehmen zu
Praktisch alle Finanzierungsformen weisen für 2015 Zuwächse auf. Auch die rein arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente stoppt den Abwärtstrend der vergangenen Jahre und wächst im Vorjahresvergleich. Gerade mitarbeiterstarke Betriebe weisen mit aktuell 45 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Anteil bei den rein arbeitgeberfinanzierten bAV-Modellen auf.
Betriebsrentenmodelle auf der Basis einer gemischten Finanzierung aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen verzeichnen 2015 wie schon in den vorangegangenen Jahren Zuwächse. So stieg der Anteil der Mittelständler, die solche Modelle anbieten, von 67 Prozent auf 71 Prozent. Seit 2012 ist der Anteil um 17 Prozentpunkte gestiegen. Unter den Durchführungswegen zeigt sich die Direktversicherung einmal mehr als die Variante, die mit großem Abstand am weitesten verbreitet ist. Branchen- bzw. tarifvertragliche Versorgungen legen seit 2011 Jahr für Jahr kräftig zu. Gerade mitarbeiterstarke Betriebe ab 250 Beschäftigten nutzen verstärkt Branchen- und Tarifvertragsmodelle.
Neben Anlagesicherheit, einfacher Verwaltung, hoher Rendite und Inflationsschutz ist den Arbeitgebern Flexibilität bei der bAV sehr wichtig. Dabei spielen die unterschiedlichen Ansprüche und Lebensplanungen der Generationen eine zentrale Rolle. So wünschen sich die Betriebe für ihre Mitarbeiter mehrere Auszahlungsoptionen wie monatliche Renten oder einmalige Kapitalauszahlungen. Ähnlich verhält es sich mit den Beitragsregelungen. Die große Mehrheit der Befragten erachtet zudem ein variables Beitragsmodell als wichtig für die eigenen Beschäftigten. Ebenso möchten sie den Zeitpunkt des Leistungsbeginns flexibel gestalten.
Versicherer bleiben der erste Kooperationspartner für den Mittelstand
Kaum ein mittelständischer Betrieb führt die Administration der betrieblichen Altersversorgung vollständig selbst intern durch. Im Durchschnitt arbeiten die Betriebe mit zwei Anbietern bzw. Dienstleistern zusammen. Dabei sind Versicherungsgesellschaften mit Abstand die wichtigsten Kooperationspartner. Fast acht von zehn Betrieben kooperieren mit der Assekuranz. Dahinter folgen Pensionskassen und Versicherungsmakler. Knapp jedes vierte Unternehmen setzt auf branchen- bzw. tarifvertragliche Versorgungswerke.
Wie lange eine Partnerschaft dauert, hängt vor allem von der bisherigen Kooperation, von der Produktqualität und vom Serviceangebot der Dienstleister ab. Einen guten Service machen die Betriebe beispielsweise daran fest, dass Leistungen und Produkte transparent sind, dass ein persönlicher Ansprechpartner zur Verfügung steht und dass die Arbeitnehmer eine individuelle Beratung erhalten.
Der Mittelstand bietet weiterhin vor allem Weiterbildungsmöglichkeiten an, um Mitarbeiter in den Betrieben zu halten. Gerade Industrieunternehmen setzen zudem verstärkt auf höhere Entgelte. Die betriebliche Altersversorgung mit einer Arbeitgeberbeteiligung spielt nach wie vor ebenfalls eine führende Rolle für die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern. Vor allem mitarbeiterstarke Betriebe investieren in die bAV. Immer wichtiger werden flexible Arbeitszeitmodelle. Hiermit lassen sich für die Beschäftigten Beruf und Privatleben besser koordinieren.
Im Ergebnis zeigen sich fast alle Unternehmen mit flexiblen Arbeitszeitmodellen zufrieden im Hinblick auf die Mitarbeiterbindung. Mittelfristig besitzen Weiterbildung und Teilzeitmodelle die größte Relevanz bei der Fachkräftegewinnung und -bindung. Auch über die bAV äußern sich die bAV-Verantwortlichen überwiegend mit großer Zufriedenheit. Fast jeder zweite bAV-Verantwortliche stimmt der These zu, dass Arbeitgeber künftig in Vorstellungsgesprächen verstärkt mit dem eigenen bAV-Angebot werben werden, um Nachwuchskräfte zu gewinnen.
Michael Stille
Mitglied des Vorstands
Generali Lebensversicherung