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Die Institutsvergütungsverordnung 3.0 macht die Vergütung in Banken zum Dauerbrenner

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Frau Knab-Hägele, die neue Institutsvergütungsverordnung (IVV) tritt zum Januar 2017 in Kraft. Wird mit ihr eine neue Regulierungswelle auf Banken und Finanzinstitute in Deutschland zurollen?

 

Petra Knab-Hägele: Wir sehen eine IVV, die die EBA-Guidelines, also die Vorgaben des europäischen Bankenregulators, konsequent in nationales Recht umsetzt. Im Ergebnis wird es eine Verschärfung der aktuell geltenden Vergütungsregelungen geben, wobei wir ursprünglich noch weitreichendere Regulierungen befürchtet hatten.

 

Sie spielen auf das in Deutschland angewendete Proportionalitätsprinzip an. Dieses stand in der Diskussion lange auf der Kippe.

 

Petra Knab-Hägele: Diese Befürchtungen haben sich nicht bestätigt. Das Proportionalitätsprinzip, also die Maßgabe, dass große und kleine Institute entsprechend ihrer Bedeutung für den Markt abgestuften regulatorischen Vorgaben gerecht werden müssen, bleibt erhalten. Selbst die Europäische Kommission war zuletzt von ihrer ursprünglichen Haltung in dieser Frage abgerückt und zeigt sich bereit, den Besonderheiten des deutschen Bankenmarktes entgegenzukommen. Letztlich haben alle Seiten Fingerspitzengefühl bewiesen.

 

Was sind die zentralen Vorgaben der neuen IVV?

 

Petra Knab-Hägele: Noch ist die IVV nicht final verabschiedet. Die Konsultationsphase ist Anfang September abgelaufen. Aber die wesentlichen Veränderungen, die ab Januar 2017 gelten, lassen sich bereits absehen. So bleibt nicht nur die Einteilung in bedeutende und nicht bedeutende Institute bestehen, sondern auch die Kriterien zur Einstufung in diese Kategorien bleiben nahezu unverändert. Neu ist, dass grundsätzlich alle sogenannten CRR-Institute Risikoträger selektieren müssen.

 

Für diese Mitarbeiter gelten dann besondere Vorgaben in der variablen Vergütung.

 

Petra Knab-Hägele: Diese speziellen Vorgaben zur variablen Vergütung gelten nur für Risikoträger in bedeutenden Instituten, und dort gelten die besonderen Anforderungen erst ab einer variablen Vergütung von größer oder gleich 50.000 Euro pro Jahr. Das ist neben der Unterscheidung in nicht bedeutende und bedeutende Institute die zweite gute Nachricht: Die Freigrenze bleibt erhalten.

 

Sind auch andere Mitarbeitergruppen betroffen?

 

Petra Knab-Hägele: Die Aufschiebungszeiträume für Geschäfts- und Bereichsleiter verlängern sich auf mindestens fünf Jahre. Darüber hinaus soll die aufgeschobene variable Vergütung für diese Personengruppen zu einem erheblich größeren Anteil aus alternativen Vergütungsinstrumenten bestehen, zum Beispiel aus Aktien. Für Geschäftsleiter, die für die Leitung des Risikocontrollings zuständig sind, darf die variable Vergütung nach dem derzeitigen Entwurf maximal ein Drittel der Gesamtvergütung betragen.

 

Erstmals wurde auch das Thema Clawbacks, also die Rückforderung von bereits zugeflossenen variablen Vergütungen, in die Regulierung aufgenommen. Wie beurteilen Sie die Realitätsnähe und Durchsetzbarkeit dieser Vorgabe?

 

Petra Knab-Hägele: Clawbacks sind in Deutschland arbeitsrechtlich problematisch. Bereits ausbezahlte Vergütungen können nach hiesiger Rechtsprechung nicht wieder eingefordert werden. Der Entwurf der IVV sieht vor, dass variable Vergütungen bis zum Ablauf der letzten Haltefrist des Instruments – das ist für normale Risikoträger im fünften Jahr nach dem eigentlichen Bemessungsjahr – periodenübergreifend zurückgefordert werden können.

 

Trotz der arbeitsrechtlichen Problematik schreibt die IVV Clawbacks bei schwerwiegenden persönlichen Verfehlungen vor.

 

Petra Knab-Hägele: Auf Basis der bestehenden Arbeitsverträge lassen sich Clawbacks nicht durchsetzen. Daher werden die Unternehmen für die betroffenen Personengruppen die Arbeitsverträge entsprechend anpassen müssen. Dabei erwartet die Aufsicht zumindest von Geschäftsleitern, dass sie der Anpassung ihrer Verträge zustimmen.

 

Es wurden auch Alternativen zur Vertragsanpassung mit Blick auf Clawbacks diskutiert. Wie stehen Sie dazu?

 

Petra Knab-Hägele: Alternativen wie ein Cliff-Vesting, also die Vermeidung einer zeitlich gestaffelten Auszahlung variabler Vergütung vor Ablauf des Zurückbehaltungszeitraums, für alle Risikoträger sind aus Gründen der Incentivierung nicht sinnvoll. Insbesondere für Geschäfts- und Bereichsleiter mit ihrer neuen fünfjährigen Mindestzurückbehaltung wäre das eine erhebliche Verschärfung. Während ein Clawback nur bei schwerwiegenden persönlichen Verfehlungen zur Anwendung kommen würde, trifft ein Cliff-Vesting alle Risikoträger gleichermaßen und ist schon deshalb nicht verhältnismäßig.

 

Welche Kritik äußert die BaFin am diskretionären Bonussystem?

 

Petra Knab-Hägele: Die Vergütungsregulierung hat ihren Ursprung in der Aufarbeitung der Finanzkrise. Es geht also in erster Linie um die Vermeidung von Anreizen, unangemessene Risiken einzugehen, also Risiken, die die Stabilität eines Instituts gefährden könnten. Diskretionäre Ansätze reduzieren nach Ansicht der Finanzaufsicht die verhaltenssteuernde Wirkung der variablen Vergütung. Die Aufsicht erkennt aber auch an, dass eine individuelle Beurteilung qualitative Ziele beispielsweise besser erfassen kann als mathematische Formeln.

 

Welche Konsequenzen werden sich für die variable Vergütung in Verlustszenarien ergeben?

 

Petra Knab-Hägele: Die Gewährung sowie die Auszahlung von variabler Vergütung in Verlustszenarien sind nicht komplett ausgeschlossen. Das zeigen auch prominente Beispiele der jüngeren Vergangenheit. Wir erwarten nicht, dass sich durch die Neufassung der Institutsvergütungsverordnung an dieser Praxis etwas ändern wird. Eine Entscheidung zur Auszahlung von variablen Vergütungsbestandteilen in Zeiten von Unternehmensverlusten ist in jedem Fall sehr detailliert zu begründen und zu dokumentieren.

 

Ändert sich das Verhältnis von variabler zu fixer Vergütung?

 

Petra Knab-Hägele: Bisher gilt eine Begrenzung der Bonushöhen, also ein Bonus-Cap, für alle Mitarbeiter in Höhe von 1:1, auch in nicht bedeutenden Instituten. Eine Erhöhung auf 2:1 ist durch einen Beschluss der Eigentümer weiterhin möglich. Diese Regelung wird wohl unverändert bleiben. Für Mitarbeiter in Kontrolleinheiten wurde mit dem Entwurf der IVV-Neufassung nochmals betont, dass der Schwerpunkt auf der fixen Vergütung liegen soll. Neu ist, dass der Bonus-Cap auch für Gruppenrisikoträger in Organisationseinheiten gilt, die selbst nicht unter die Regelungen der europäischen Kapitaladäquanzverordnung und -richtlinie CRR/CRD IV fallen.

 

Welche neuen Regelungen zu Funktionszulagen und Abfindungen sieht der Konsultationsentwurf vor?

 

Petra Knab-Hägele: Nach gegenwärtiger Regelung sind Funktionszulagen unzulässig. Künftig sind sie dagegen gestattet und werden als Fixvergütung betrachtet, sofern sie bestimmte Anforderungen erfüllen. Abfindungen wurden deutlich detaillierter geregelt als zuvor und gelten grundsätzlich als variable Vergütung. Sie unterliegen damit auch den Anforderungen an variable Vergütung, es sei denn, sie sind Teil des Ausnahmenkatalogs der IVV. Die im Ausnahmenkatalog genannten Abfindungen unterliegen weder dem Bonus-Cap noch dem besonderen Auszahlungsregime für Geschäftsleiter und Risikoträger.

 

Was bedeutet die IVV 3.0 für die Vergütungs-Governance?

 

Petra Knab-Hägele: Den größten Aufwand haben sicher Institute, die nicht bedeutend sind, aber dennoch Risikoträger identifizieren müssen. Der Prozess, die Kriterien und die involvierten Parteien sind festzulegen und in den Organisationsrichtlinien zu verankern. Die Ergebnisse müssen beschlossen und schriftlich dokumentiert werden. Zudem handelt es sich bei der Identifikation der Risikoträger um einen fortlaufenden Prozess. Auch der Aufwand für Dokumentation und Offenlegung steigt. Die interne Revision ist wie bisher eine Kontrolleinheit. Neu hingegen ist ihre Verantwortung für die jährliche Überprüfung der Angemessenheit der Vergütungssysteme und für die Vereinbarkeit mit der Geschäfts- und Risikostrategie.

 

Alles in allem sind mehr Dinge zu beachten, umzusetzen und zu reporten. Lässt sich der Aufwand für die Unternehmen quantifizieren?

 

Petra Knab-Hägele: Das ist schwer. Aber nach Vorlage der neuen EBA-Guidelines Ende des vergangenen Jahres hatten uns unsere Kunden aus dem Bankenbereich zurückgemeldet, dass sie bei einer vorlagengetreuen Umsetzung dieser Richtlinien im Durchschnitt mit einer zusätzlichen Vollzeitkraft kalkulieren müssten. Im Neuentwurf zur IVV geht die Aufsicht nun davon aus, dass die Funktion des Vergütungsbeauftragten grundsätzlich eine Vollzeitfunktion ist. Der personelle Mehraufwand dürfte damit substantiell bleiben.

 

Grundsätzlich hinterlässt die neue IVV den Eindruck von wenig Aufgeregtheit und viel Solidität. Stimmen Sie diesem Fazit zu?

 

Petra Knab-Hägele: Bei der Beantwortung dieser Frage muss man immer im Blick haben, woher wir kommen. Die BaFin wie auch die betroffenen Institute haben in der Vergangenheit schon viele Regulierungen mitgemacht. Grundsätzlich ist unser Fazit positiv. So hilft gerade die weiterhin gültige Unterscheidung in bedeutende und nicht bedeutende Institute. Auch die Beibehaltung der Freigrenze von 50.000 Euro ist eine sinnvolle Entscheidung. Allerdings belastet die durchzuführende Identifikation der Risikoträger die Institute erheblich. Bei den weiteren Anforderungen hat der Verordnungsgeber eher nachjustiert, ohne dass dies signifikanten Anpassungsbedarf bei den Instituten auslösen würde.

 

Welche Konsequenzen ergeben sich für externe Berater?

 

Petra Knab-Hägele: Institute in Deutschland müssen den mit der neuen IVV erzeugten Änderungsbedarf in Angriff nehmen. Eine Überprüfung der Vergütungssysteme auf regulatorische Konformität hin ist in jedem Fall angebracht.

 

Das Interview führte Dr. Guido Birkner.