Wie entwickelt sich der Deutsche bAV-Preis nach Ihrer Einschätzung seit der Premiere vor vier Jahren?
Thomas Jasper: Der bAV-Preis ist in der bAV-Öffentlichkeit angekommen – er schärft das Bewusstsein aller Beteiligten für diesen Benefit. Die Jury ist engagiert und fachkundig, aber bei der Findung der Preisträger auch streitbar. Die Sponsoren und Medienpartner unterstützen den bAV-Preis maßgeblich in seiner Arbeit. Die Vertreter der Siegerunternehmen sind bei der Preisverleihung sichtlich stolz. Noch wichtiger ist, dass sie die Botschaft des Preises in ihre Unternehmen hineintragen. Das steigert die Wertschätzung der Mitarbeiter für die bAV.
Klaus Morgenstern: Beim Start vor vier Jahren haben die Initiatoren zunächst vor allem im eigenen Kundenkreis auf den Preis hingewiesen und zu Einreichungen ermuntert. Inzwischen nehmen größere und kleinere Unternehmen an der Ausschreibung teil, weil sie die Anerkennung und öffentliche Wahrnehmung schätzen, die mit dem Preis verbunden ist. Bei Arbeitgebern, die immer noch einen Bogen um die bAV machen, wird die Ausschreibung weniger zur Kenntnis genommen. Je besser es gelingt, mit dem Wettbewerb auch über den Kreis der bAV-aktiven Unternehmen hinaus für das Thema zu sensibilisieren, desto besser erreichen wir unser Anliegen.
Ist es nicht erforderlich, die Bewertungskriterien für den Preis im Vorfeld stärker publik zu machen?
Thomas Jasper: Im Rahmen der Ausschreibung informiert der Deutsche bAV-Preis intensiv über die Kriterien. Die Stichwörter Innovation, Kreativität und Einklang mit der Unternehmensstrategie sind auch auf der Homepage deutscher-bav-preis.de zu finden. Sicher ließe sich noch mehr tun, um den Preis bekannter zu machen. Allerdings wird die bAV oft nur dann von den Medien aufgegriffen, wenn es etwas Kritisches zu berichten gibt. Dabei hat die bAV viele spannende positive Geschichten zu bieten.
Klaus Morgenstern: Als Förderer macht das Deutsche Institut für Altersvorsorge immer auch auf die Ausschreibung aufmerksam. Aber vielleicht sollten wir die Kriterien dabei noch etwas detaillierter schildern.
Welche Trends und Modelle beobachten Sie am Markt?
Thomas Jasper: Kluges Kosten- und Risikomanagement sowie Wertschätzung durch Transparenz und Kommunikation sowie Hilfe zur Eigenvorsorge sind die wichtigsten Trends. Arbeitnehmer erwarten bei der bAV einfach die Unterstützung ihrer Arbeitgeber, gerade in der Niedrigzinsphase mit ihren geringen Renditen. Ein solches Angebot kann über Zusage oder Absage eines Bewerbers mitentscheiden. Jedoch entstehen den Arbeitgebern durch die bAV Kosten. Die Modelle der Preisträger zeigen, wie Unternehmen in diesem Spannungsfeld attraktive Lösungen finden können. Einige setzen auf beitragsbasierte, eng am Kapitalmarkt orientierte Modelle. Darüber hinaus schaffen sie Transparenz und kommunizieren den Beschäftigten frisch und verständlich, welchen Aufwand der Arbeitgeber für sie betreibt. Denn die Wertschätzung der Mitarbeiter für den Arbeitgeber steigt, wenn dessen Beitrag zur Altersvorsorge klar wird. Unter den aktuellen Preisträgern finden Sie positive Beispiele mit Opting-out-Regelungen oder mit Matching-Contribution-Plänen, die der Entscheidungsträgheit entgegenwirken.
Klaus Morgenstern: bAV wird längst nicht mehr nur als Rente verstanden. Es gibt inzwischen Projekte, die viel umfassender sind und zum Beispiel die betriebliche Krankenversicherung oder andere Leistungen einschließen. Zudem spielen eine moderne Information und Kommunikation heute eine viel größere Rolle. Das haben wir gerade in diesem Jahr gesehen. Wer hätte denn vor fünf Jahren gedacht, dass wir mal Unternehmen auszeichnen, die eine App für die bAV entwickelt haben?
Welche Impulse kann das BRSG dem bAV-Markt geben?
Thomas Jasper: Das BRSG macht die bAV auch in der breiten Öffentlichkeit zum Thema – das ist ein richtiger und wichtiger Impuls. Das Ziel des Gesetzgebers, die bAV in kleinen Unternehmen und bei Geringverdienern zu fördern, lässt sich ohne jeden Vorbehalt unterstützen. Zu loben ist vor allem das Vorhaben, dass die bAV für Geringverdiener bis zu bestimmten Grenzen nicht auf die Grundversorgung angerechnet wird. Das sollte diese Klientel mobilisieren, zusätzlich vorzusorgen. Dazu trägt auch die Förderung des Opting-outs bei – leider begrenzt auf die tarifliche Ebene. Bemerkenswert sind auch die reinen Beitragszusagen. Garantien kosten im aktuellen Zinsumfeld viel Geld. Deshalb begrüße ich die Option für bAV ohne Garantien. Aber dieses Modell muss gut kommuniziert werden, denn Mitarbeiter schätzen in der bAV eher Sicherheit als hohe Renditen. Daher bin ich gespannt, wie die Tarifparteien das Sozialpartnermodell ausgestalten werden. Die reine Beitragszusage sollte aus meiner Sicht auch auf betrieblicher Ebene zugelassen werden. Schade ist, dass der Gesetzgeber am steuerlichen Rechnungszins von 6 Prozent in der Direktzusage festhält.
Klaus Morgenstern: Die veränderte Anrechnung auf die Grundsicherung und die Förderung für die Geringverdiener verbessern mit Inkrafttreten des Gesetzes die Bedingungen für die bAV. Wenn die unheilvolle Anrechnung von freiwilliger Altersvorsorge aus der Welt geschafft wird, wird es einfacher, mehr bAV in den unteren Einkommensgruppen zu etablieren. Wir wissen, dass die finanziellen Spielräume für Vorsorge bei Geringverdienern schmal sind. Im günstigsten Fall kommt ein Matching mit Arbeitnehmerbeiträgen zustande. Bei der Einführung der reinen Beitragszusage warne ich vor Euphorie. Auch ich halte die Beschränkung auf die Tarifpartner für einen Fehler. Wer glaubt allen Ernstes, Betriebsräte würden bei der Einführung von reinen Beitragszusagen weniger verantwortungsvoll vorgehen als Gewerkschaften? Auch die Beschränkung der Opting-out-Modelle auf Tarifverträge war falsch. Von den Neuerungen werden also vor allem die schon gut versorgten tarifgebundenen Unternehmen profitieren. In den Problemzonen, den KMU, wirkt es kaum.
Wie wird sich die bAV aus Ihrer Sicht weiterentwickeln?
Thomas Jasper: Viele Unternehmen werden im Wettbewerb um gute Mitarbeiter weiterhin auf die bAV setzen. Deren Ausbau würde schneller vorangehen, wenn Hürden – etwa das Auseinanderklaffen zwischen steuerlichem und handelsrechtlichem Rechnungszins – beseitigt würden. Aus Arbeitnehmersicht ist die Doppelverbeitragung in der Krankenversicherung ein Ärgernis.
Klaus Morgenstern: Wenn es den Unternehmen und den Vertretern der Arbeitnehmer nicht gelingt, weit mehr Beschäftigte in eine bAV-Anwartschaft zu bringen, reden wir in einigen Jahren über eine betriebliche Pflichtvorsorge. Die will kaum einer so richtig. Aber ohne signifikante Verbesserungen und Verbreitungsgrade, die sich oberhalb von 80 oder 90 Prozent bewegen, wird der Gesetzgeber früher oder später ein Pflichtsystem einführen.
Das Interview führte Dr. Guido Birkner.