Kurz nachdem die Einführung des 49-Euro-Tickets bekannt gegeben wurde, teilten die Verkehrsministerien der Länder mit, dass es einen Jobticketrabatt geben soll. Wenn ein Arbeitgeber das 49-Euro-Ticket zu mindestens 25 Prozent für seine Mitarbeitenden zahlt, wird die ÖPNV-Fahrkarte für diese 5 Prozent günstiger. Die Stadt Stuttgart geht einen Schritt weiter und übernimmt als Arbeitgeber die vollen Kosten des Jobtickets – also minus der 5 Prozent – für ihre Beschäftigten.
Oberbürgermeister Frank Nopper, will damit ein „Signal für die Verkehrswende“ setzen und die Arbeitgeberattraktivität der Verwaltung erhöhen. Denn wer als Arbeitgeber seine Mitarbeitenden in Zeiten der Inflation unterstützt, punktet.
Was gegen ein Jobticket sprechen kann
Diesen Schritt werden nicht alle Unternehmen und Behörden gehen – und das liegt nicht unbedingt am fehlendem Budget. Vielmehr begründen mehrere Unternehmen ihre Entscheidung gegen eine Übernahme oder Bezuschussung des Deutschlandtickets mit der Gleichberechtigung aller Mitarbeitenden und der fehlenden Anbindung der Unternehmensstandorte an den Öffentlichen Personennahverkehr.
So hat der Mittelständler und Papierhersteller Koehler beschlossen, seinen Mitarbeitenden wie bisher kein Jobticket – auch nicht in Form des Deutschlandtickets – anzubieten. Die deutschen Standorte des Unternehmens befinden sich in Oberkirch und Kehl und somit in ländlichen Regionen. Obwohl Oberkirch laut einem Sprecher des Unternehmens gut an den ÖPNV angebunden ist, sind es die Dörfer meist nicht, in denen die Mitarbeitenden wohnen. Die Konsequenz: Wenn sie mit Bus oder Bahn zur Arbeit fahren, brauchen sie deutlich länger als mit dem Auto. „Auch für unseren Schichtbetrieb ist die Taktung des ÖPNV nicht immer passend“, sagt der Unternehmenssprecher. „Deswegen kommt nur ein geringer Teil der Belegschaft mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit.“ Ein Jobticket anzubieten, würde sich nicht lohnen.
Das hat auch die Fuchs Gruppe für sich herausgefunden. Die Standorte des Gewürzherstellers erreichen dessen Mitarbeitende mit dem ÖPNV ebenfalls nur eingeschränkt, sagt eine Unternehmenssprecherin. Sie nennt allerdings noch einen anderen Grund, weshalb sich die Fuchs Gruppe gegen das 49-Euro-Jobticket – oder gar irgendein Jobticket – entschieden hat: „Wir unterstützen damit nicht alle Mitarbeitenden gleichermaßen“, sagt sie. Beschäftigte, die mit dem Auto zur Arbeit kommen, mit dem Fahrrad fahren oder laufen, profitierten nicht vom Benefit. Um alle mit Benefits gleichzeitig zu erreichen, setzt die Fuchs Gruppe 2023 stattdessen auf eine Inflationsprämie, die laut Unternehmensangaben nur knapp unter den steuerfreien 3.000 Euro liegt. Das sei fairer für alle als vereinzelte Maßnahmen.
49-Euro-Ticket als Teil eines Mobilitätskonzepts
Auch aus diesem Grund integrieren manche Unternehmen das 49-Euro-Ticket in ein größeres Mobilitätskonzept. Ein Beispiel ist die Beratung Corrente aus Kiel, die gerade ein Mobilitätskonzept entwickelt, bei dem Mitarbeitende die Auswahl haben, für welches Verkehrsmittel sie einen Arbeitgeberzuschuss haben möchten. Das 49-Euro-Ticket ist im Konzept miteinbezogen, das ab Frühjahr 2023 greift.
So will das Unternehmen in Zukunft seinen Beschäftigten laut dem Vorstandsmitglied Émilie Martin 70 Prozent der Mietrad-, E-Bike- oder ÖPNV-Kosten zahlen. „Wir möchten, dass jede und jeder das Angebot wählen kann, das ihr oder ihm am meisten zusagt“, so Martin. Dennoch ist ein Zuschuss für Autofahrerinnen und -fahrer nicht im Konzept enthalten, denn die Corrente möchte als Arbeitgeber nur die emissionsreduzierende und -freie Fortbewegung fördern und damit etwas für die Umwelt zu tun.
Ein Mobilitätskonzept, in dem das 49-Euro-Ticket als Jobticket enthalten ist, plant auch die Commerzbank. Das Finanzinstitut überarbeitet eigenen Aussagen nach derzeit sein bestehendes Konzept, welches ein Jobticket mit den jeweiligen regionalen Verkehrsverbünden enthält. Zukünftig sollen Mitarbeitende wählen können, ob sie Zuschüsse für Fahrrad, Firmenwagen oder ÖPNV in Anspruch nehmen möchten. „Die Einführung des 49-Euro-Tickets werden wir in unsere Überlegungen miteinbeziehen“, sagt eine Unternehmenssprecherin.
Statt Regionalticket Fahrkarte für ganz Deutschland
Doch das Deutschlandticket muss nicht unbedingt in ein neues, umfassendes Mobilitätskonzept integriert sein. Das zeigt ein anderer Arbeitgeber, der nur wenige Kilometer entfernt auf der anderen Mainseite von der Commerzbank-Zentrale in Frankfurt sitzt: Das Universitätsklinikum Frankfurt zahlt seinen Beschäftigten aktuell das sogenannte Hessenticket, mit dem diese sich im ÖPNV frei innerhalb des Bundeslandes, und innerhalb des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) etwa auch bis ins nahe Mainz bewegen können. „Der Vorstand des Universitätsklinikums will dieses Angebot um die Wahlmöglichkeit für das deutschlandweite 49-Euro-Ticket erweitern“, sagt ein Unternehmenssprecher. Die Verhandlungen mit dem RMV seien bereits aufgenommen worden.
Wie man sich Bürokratie spart
Wer das Jobticket automatisch all seinen Beschäftigten zur Verfügung stellt – wie es das Universitätsklinikum macht – spart sich eine Menge an bürokratischem Aufwand. So möchte nun auch die Bürgermeisterin der Stadt München ihre Verwaltungsangestellten entlasten. Wie auch die Stadt Stuttgart wird München all seinen Mitarbeitenden automatisch das 49-Euro-Jobticket ausstellen lassen. Zuvor gab es nur für interessierte Beschäftigte ein Jobticket. „Wir sparen uns eine Menge Bürokratie, wenn nicht mehr tausende Einzelanträge jedes Jahr aufs Neue bearbeitet werden müssen“, schreibt sie in einem Linkedin-Post. Und weiter: „Ich hoffe sehr, dass es uns damit endlich gelingt, unser viel zu kleinteiliges Tarifsystem zu überwinden.“
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.