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Drei Fragen an Heribert Karch

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Herr Karch, der Gesetzgeber reformiert mit dem Betriebsrenten-Stärkungsgesetz die bAV. Wie fällt Ihr Fazit aus?

 

Heribert Karch: Der Reformentwurf ist nichts weniger als die volle Integration der bAV in die Rentenpolitik, eine Reform der Reform. Dies ist in Deutschland nicht einfach, denn wir kommen von der Tradition der freiwilligen betrieblichen Sozialleistung und wollen diese Tradition erhalten. Doch die letzten 15 Jahre haben gezeigt, dass es nicht möglich ist, eine Politik hin zu einem mehrsäuligen System auf der Basis von Privatrenten oder auch Betriebsrenten, vermittelt lediglich über einen Markt, erfolgreich zu gestalten. Eine freiwillige Sozialleistung soll nun durch ein Element konsequenterer Sozialpolitik in der Altersversorgung ergänzt werden. Das ist ein Paralleluniversum, aber diese Welten könnten sehr gut koexistieren. In der Praxis werden sie sich vielleicht sogar integrieren, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), der Hauptzielgruppe. Die Chance besteht in einer Kombination von kollektiv vereinbarten Betriebsrenten – quasi Tarifrenten – und Mitarbeiter motivierenden Betriebsrenten im gleichen Rechtsrahmen.

 

Die aba hat die Korrektur vieler Mängel der bAV gefordert. Kommt der Gesetzgeber der Forderung jetzt nach?

 

Heribert Karch: Das Herzstück der Betriebsrentenreform ist das Sozialpartnermodell, und die Verbesserung der Rahmenbedingungen ist nur eine Nebenbedingung. Verbesserungen wie die bei der Grundsicherung waren für alle Beteiligten ein sehr dickes Brett. Sie hätte es ohne dieses Modell nicht gegeben. Die Nebenbedingungen bleiben immer noch weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Insgesamt wurden anzuerkennende Lösungen in der Peripherie der Förderung gefunden. Völlig unzureichend bleibt sie in ihrem Zentrum – das ist in den externen Durchführungswegen der Paragraph 3.63 EStG. Die Benutzerschnittstelle der bAV wird dadurch komplizierter, und die Hürde gerade für KMU wird höher. Will man wirklich, dass die Tarifpartner in der Sache tätig werden, so muss man ihnen in diesem Zentrum eine Förderkulisse einräumen, die noch nicht verbraucht ist. Sonst werden die Mitglieder der Gewerkschaften lieber Cash- statt Investivlohn wollen. Die Arbeitgeber haben keinen Grund, sich an dieser Stelle kontraproduktive Debatten ins Haus zu holen. Alles, was an dieser Reform aus einem einzigen Grund – der Restriktion des 3.63 – komplizierter wird, könnte aus demselben Grund einfacher werden.

 

Ist die Beitragszusage der Türöffner für neue tarifvertragliche Zuflüsse in die bAV?

 

Heribert Karch: BMF und BMAS argumentieren in der Begründung des Gesetzesentwurfs völlig schlüssig: Die Beitragszusage soll sich deutlich von bestehenden Zusagearten abgrenzen. Damit bestehen für Arbeitgeber und Sparer klare Konturen für klare Entscheidungen. Als Reaktion auf die Niedrigzinsphase soll eine ertragreichere Anlagepolitik ermöglicht werden. Kann man angesichts einer Niedrigzins-, nicht aber einer Niedrigrenditephase besser darauf reagieren? Für Versorgungsberechtigte lassen sich durch Anwendung von Rechnungsgrundlagen zweiter Ordnung höhere anfängliche Renten ermöglichen. Dies käme breiten Schichten der Arbeitnehmerschaft entgegen und würde den Arbeitgebern attraktivere Angebote erlauben. Ein für den Sparer kaum sichtbarer, für die Architektur der Systeme aber erheblicher Vorteil des Verzichts auf Garantien sind die Eigenmittelanforderungen an die Versorgungsträger. Sie wurden für Garantieprodukte in der Vergangenheit durch Solvency II und Zinszusatzreserve höher geschraubt – letztlich scharfe Renditebremsen. Anders bei der Beitragszusage: Das Fehlen von Garantien führt zu niedrigen Eigenmittelanforderungen, die sich bei flexibler Gestaltung der Kostenregelungen auf den aufsichtsrechtlich geforderten Mindestbetrag der Kapitalausstattung beschränken werden.

 

Das Interview führte Guido Birkner.