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Kostensenkung, ohne die Zukunft zu riskieren

In einer disruptiven Welt wächst der Druck, die Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern. Treibende Faktoren sind die Veränderung des Geschäftsmodells durch technologische Fortschritt, schrumpfende Margen, die Vorbereitung auf antizipierte konjunkturelle Schwankungen sowie die Notwendigkeit, Synergien aus Unternehmensfusionen zu erzielen.

Die Einsparungsversuche können sich jedoch schnell zu einem Bumerang entwickeln, oder ihre Wirkung ist nur sehr kurzfristig. Bei einer reinen Fokussierung auf Personalkosten entsteht eine Reihe von Risiken. Zum Beispiel werden die falschen Rollen und Personen freigestellt oder zu starke Einschnitte in Bereichen vorgenommen, die eigentlich wertstiftend sind. Weitere Risiken: Die Belegschaft wird reduziert, aber nicht die Summe der Arbeitsaufgaben, die Produktivität von Mitarbeitenden wird beschädigt, oder es tritt in Teilen ein signifikanter Know-how-Verlust für das Unternehmen ein. In der Folge sinken das Engagement der Mitarbeitenden und die Leistung. Die Kosten steigen langsam wieder unbemerkt an, erfahrungsgemäß um zwei Prozent pro Jahr.

Um Ausgaben nachhaltig zu senken und dabei nicht die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit zu riskieren, müssen verschiedene Aspekte der Kostenoptimierung im Zusammenhang angegangen werden. Neben dem Instrument des Personalabbaus müssen andere transformative Maßnahmen identifiziert werden, um Einsparungen, aber auch insbesondere Effizienzsteigerungen auf anderen Ebenen nachhaltig zu realisieren. Dies geht nicht ohne die richtigen Führungskräfte, die die damit verbundenen (teilweise deutlichen) Veränderungen begleiten und antreiben. Weiterhin sollte der jeweilige negative Einfluss der angedachten Maßnahmen auf das Engagement der Belegschaft und damit einhergehende Produktivitätsverluste beachtet und nach Möglichkeit minimiert werden.

Total Rewards Optimization

Eine ganzheitliche Total Rewards Optimization schaut sich die Finanzierung von Vergütungsprogrammen und deren Wirkung auf die Belegschaft an. Sie identifiziert potenzielle Varianten der Ausgaben, die die Employee Value Proposition bei geringeren Kosten verbessert.

Hinsichtlich der Produktivität können Kosten direkt durch das Eliminieren von Rollen und damit einhergehenden Prozessen eingespart werden. Denkbar ist auch ein sinnvoller Einsatz von Sourcing-Alternativen zur Flexibilisierung von Head Count und Kostenverwendung, zum Beispiel durch die intensivere Nutzung von Zeitarbeit, die Eliminierung von Services mit geringem Return oder das Verlassen von „teuren“ Märkten.

Ein weiterer Hebel zur nachhaltigen Steigerung der Effizienz lässt sich wiederum durch die Optimierung der Organisationsstruktur realisieren. Bei historisch gewachsenen Organisationen wurden zum Teil Funktionen um Personen herum entwickelt und gebaut – und nicht umgekehrt. Diese Ausgangslage bietet gute Ansatzpunkte zur Straffung von Führungsebenen, ohne dabei die Fähigkeit zu verlieren, in gleichem Atemzug neue Handlungsfelder erfolgreich aufzubauen. Zunehmende Einsatzmöglichkeiten von moderner Technologie im Rahmen der digitalen Transformation schaffen weitere Effizienzpotenziale sowie die Möglichkeit, wichtige neue strategische Fähigkeiten zu erwerben und zu stärken, die notwendig sind, um den Wandel in digitale Geschäftsmodelle erfolgreich zu gestalten. Damit einher geht der kulturelle Wandel im Unternehmen, damit Digitalisierung kein Schlagwort bleibt, sondern den erwünschten unternehmerischen Erfolg generiert. 

Effekte der personalpolitischen Instrumente

Die Maßnahmenpakete und ihre Komplexität variieren je nach angestrebtem Einsparungsziel. Relativ einfach umzusetzen mit einem Kostenverringerungspotenzial von bis zu zehn Prozent sind Arbeitszeitverkürzung, selektive Kurzarbeit, temporäre Gehaltsverzichte, Einschränkung von Gehaltssteigerungen sowie die temporäre Einstellung von Trainings oder Neueinstellungen zu nennen.
Eine moderate Komplexität mit einem Potenzial zwischen zehn und 20 Prozent weisen Maßnahmen auf, die zusätzlich Rollen und Prozesse konsolidieren und teilweise eliminieren sowie verstärkt Outsourcing und Zeitarbeitsmodelle integrieren.

Die höchste Komplexität mit einer weiteren Steigerung der Einspar- beziehungsweise Effizienzsteigerungspotenziale mit mehr als zwanzig Prozent entstehen, wenn Services und die damit verbundenen Teams sowie Kundenmärkte mit geringen Erträgen oder sogar ganze Märkte zur Disposition gestellt werden.

Krisenverlauf und Szenarien

Situationen wie die aktuelle Covid-19-Krise stellen Entscheider vor grundsätzlichere Fragestellungen über Zahlungsfähigkeit und Fortbestand des Business. Bevor konkrete Maßnahmen ergriffen werden, müssen sich Unternehmen darüber im Klaren sein, wie stark die Situation die Ertragslage beeinträchtigt und wie lange die Krise dauern wird.

In einem kurzfristigen Tief mit geringen Verlusten muss zunächst der „Sturm“ überstanden werden. Hier können Einsparungen aus der variablen Vergütung, die Verzögerung von Einstellungen und Gehaltserhöhungen, der Verzicht auf sonstige Ausgaben, die Absage von Events, Initiativen mit geringen Prioritäten oder Reisetätigkeit kurzfristig Entlastung schaffen. Bei einem kurzfristigen Szenarium müssen beispielsweise folgende Fragen beantwortet werden:

Gibt das Vergütungssystem kurzfristige Einsparungen her? Wie viel Potenzial steckt in der direkten Einsparung der variablen Vergütungsbestandteile? Welche Optionen haben wir in der Verzögerung von Zahlungen? Welche Aktivitäten und Prozesse können wir sofort stoppen, ohne zusätzliche negative Effekte befürchten zu müssen? Gibt es Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung von außen? Können wir freiwillige Verzichte zumuten (zum Beispiel Arbeitszeitreduktion, unbezahlte Freizeit oder Gehaltsverzicht)? Können wir Vereinbarungen mit Zulieferern nachverhandeln oder Zahlungen verzögern?

Ist der prognostizierte kurzfristige Einbruch deutlich stärker ausgeprägt und geht über 50 Prozent der gewohnten Umsätze hinaus, müssen weitere Schutzmaßnahmen ergriffen werden, wie Kurzarbeit, temporäre Freistellung und Gehaltsverzicht im Führungskräftebereich. Darüber sollten Verhandlungen mit Lieferanten aufgenommen werden und eine Bereinigung des Portfolios stattfinden.
Aktivitäten, die unmittelbar aufgesetzt werden können, liegen beispielsweise in der Durchführung eines Portfolio-Management-Prozesses für Zentralfunktionen, um das aktuelle Service-Portfolio zu bewerten und unnötige Services/Dienstleistungen zu streichen. Als Entscheidungskriterien sollten hierbei die Attraktivität für Kunden sowie die strategische Bedeutung und der betriebene Aufwand vor dem Hintergrund von Kosten und Mitarbeitereinsatz herangezogen werden.

Ziehen sich die Einschränkungen über einen längeren Zeitraum von mehr als 18 Monaten hin, während die Beeinträchtigung von Umsatz und Ertragslage überschaubar bleibt, kann ein Verschlankungsprozess helfen. Die Auditierung der aktuellen Prozesse hinsichtlich von Doppelungen kann ebenfalls Potenziale identifizieren. Weiterhin die Adjustierung von Führungsspannen und die Einführung von klaren Architekturen zur Vermeidung einer Titelinflation.

Organisationelle Maßnahmen

Die Maßnahmen und Aktivitäten, die bei einer Verschlankung des aktuellen Organisationsmodells umzusetzen sind, beginnen mit einer Analyse der Rollen, der Prozesseffizienz, der Stellenbewertung und des Vergütungssystems. Für das Grading und die Vergütungssysteme geben Marktvergleiche die notwendige Transparenz und Referenz, ebenso für die Rollen und Verantwortlichkeiten notwendige Kompetenzen und Berichtslinien. Auf der Basis der Analyse und externer Marktvergleiche werden mögliche neue alternative Operating Models inklusive der Governance-Prinzipien definiert und bewertet sowie die Gesamtkosten der Geschäftstätigkeit auf den Prüfstand gestellt.

Folgende Fragen sind bei der Analyse hilfreich: Wie sind die aktuellen Rollen, Prozesse und Verantwortlichkeiten zwischen den organisationalen Stufen beschrieben und implementiert? Welches ist das richtige Set-up bezogen auf Rollen und Verantwortlichkeiten? Wie definieren wir unsere Führungsspannen? Wie werden Teams gestaltet, und welche Größe sollen sie in Zukunft haben? Welches marktorientierte Geschäfts- und Organisationsmodell wollen wir künftig zur Anwendung bringen? Entspricht das aktuelle Vergütungsmodell den Marktanforderungen? Welche Möglichkeiten und Hebel bestehen, um variable Vergütungskomponenten mittelfristig dynamischer auszugestalten?

Restrukturierung

Bei deutlichen Einbußen über einen längeren Zeitraum kann eine Restrukturierung unumgänglich werden. Desinvestitionen beginnen mit den Geschäftsteilen, die insbesondere den Cash Flow belasten. Die Beschneidung der Kapitalausgaben wird auf Basis der Portfolio-Checks aus den kurzfristigen Schutzmaßnahmen abgeleitet. Wichtige Fragestellungen dabei sind: Welche Prozesse sind wertstiftend, welche nicht? Welche Elemente können aus den Prozessen entfernt werden? Wie können unsere Prozesse innovativ neu gestaltet werden, sodass sie effizienter werden? Können wir Unternehmensteile verkaufen, um die Liquidität zu verbessern? Welche Investitionen sind für den Fortbestand nicht unbedingt notwendig und können gestoppt werden? Können bestehende Funktionen ausgelagert werden, die nicht direkt das Geschäft belasten? Wie sieht eine Operative Excellence in unserem Unternehmenskontext aus?

Zum notwendigen strategischen Vorgehen zählen quantitative und qualitative Benchmarks der aktuellen Ressourcenzuordnung (auf funktionaler und Prozess-ebene), eine Kostenanalyse des Overheads auf Prozess-ebene sowie die Analyse und Bewertung potenzieller Alternativen für den Bezug von Ressourcen im Bereich  Services und Prozesse.

Zur nachhaltigen Einsparung gehört neben der Reduktion auch die Effizienzsteigerung. Die Auswahl der Maßnahmen hängt vom Einsparungsziel, der Bereitschaft für die notwendige Umsetzungskomplexität sowie der Dringlichkeit ab. Die Auswirkungen aller Schritte auf das Engagement der Belegschaft und die Handlungsfähigkeit im Geschäft müssen genau analysiert und durch die Führungskräfte aktiv begleitet werden.

Holger Jahn
Senior Client Partner
Korn Ferry
holger.jahn(*)kornferry(.)com
www.kornferry.com

Thomas Faltin
Senior Client Partner
Korn Ferry Advisory Services
thomas.faltin(*)kornferry(.)com
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