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Equal Pay – die Herausforderung als Chance verstehen

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Herr Schütte, die Koalition hat das Entgelttransparenzgesetz auf den Weg gebracht. Bringt es mehr Lohngerechtigkeit?

 

Axel Schütte: Dass für gleiche Arbeit der gleiche Lohn gezahlt werden soll, ist unbestritten und steht nicht zur Diskussion. Doch der durchschnittliche Vergütungsunterschied zwischen Männern und Frauen, der in den Medien genannt wird, ist sehr verschieden und oftmals zu hoch. Ich habe den Eindruck, dass die mediale Aufmerksamkeit für dieses Thema umso höher ist, je größer der bezifferte Unterschied zwischen den Geschlechtern ist. Wir sind der Meinung, dass Aufklärung und faktenbasierte Aufarbeitung wichtiger sind als weitere gesetzliche Regulierung. Daher schauen wir bei der Equal-Salary-Zertifizierung auf die aktuelle Direktvergütung der Stelleninhaber und vergleichen sie mit der Direktvergütung einer ähnlichen Funktion im Unternehmen.

 

Frau Johnson, wie relevant ist das Geschlecht für das Entgelt?

 

Sue Johnson: In Studien und in unserer Praxis mit Mandanten sehen wir, dass Unterschiede in der Höhe der Vergütung bestehen. Das Geschlecht ist einer von vielen Faktoren, die die Vergütung beeinflussen. Das Thema ist jedoch zu komplex, um nur das Geschlecht als Erklärungsvariable heranzuziehen. Mann und Frau wurden traditionell mit unterschiedlichen Rollen verbunden. Darüber hinaus gibt es zwischen den Geschlechtern unterschiedliche Schwerpunkte bei Berufsauswahl oder Branche, in der der Beruf ausgeübt wird. Typischerweise arbeiten Frauen häufiger in Branchen, in denen die Vergütung tiefer angesetzt ist. Zusätzlich spielt die Segregation des Arbeitsmarktes eine Rolle. Auch sind Frauen in Lohnverhandlungen generell zurückhaltender. Auch die Balance zwischen Arbeits- und Privatleben, zum Beispiel durch Sabbaticals oder Teilzeit, kann die Höhe der Vergütung beeinflussen.

 

Woran lässt sich die Differenz in der Vergütung ablesen?

 

Axel Schütte: In der aktuellen PwC-Studie zur Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung in DAX und MDAX fiel auf, dass Frauen in der Gesamtvergütung in der Tendenz geringer vergütet werden. Das liegt hauptsächlich an den langfristigen variablen Vergütungsbestandteilen. Frauen sitzen meistens noch nicht so lange im Vorstand und haben somit geringere Ansprüche auf langfristige variable Vergütung. Auch ist die Datenbasis zur Detailanalyse zu dünn, um verlässliche Aussagen zu treffen. Es finden sich noch immer sehr wenige Frauen in hochbezahlten Führungspositionen wie etwa der Vorstandsebene.

 

Was nützt das Entgelttransparenzgesetz Unternehmen?

 

Sue Johnson: Aus unserer Sicht ist das beschlossene Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen als Chance zu verstehen. Unternehmen können bereits vor dem Inkrafttreten glaubhaft nachweisen, dass sie in der Vergangenheit ihre Hausaufgaben gemacht haben und dass das Geschlecht nicht der differenzierende Faktor bei Gehaltsunterschieden zwischen vergleichbaren Positionen ist. Dadurch lassen sich Risiken in der Innen- und Außenwirkung und Aktionismus vermeiden. Insbesondere in komplexen Unternehmensstrukturen oder nach Reorganisationen kann es intern ungewollt zu Vergütungsungerechtigkeiten kommen.

 

Was empfehlen Sie Arbeitgebern?

 

Axel Schütte: Unternehmen sollten sich compliant aufstellen, um rechtliche Risiken auszuschließen. Dies ist insbesondere für größere internationale Unternehmen nicht neu. Ich vermute jedoch, dass viele Unternehmen einen Nachholbedarf bei den Daten, dem Policy-Management und den HR-Prozessen haben. Die Anforderungen des neuen Gesetzes sollten in die laufenden Prozesse implementiert werden. Neben der Compliance gilt es auch, den Nutzen aus den Analysen und der Kommunikation für das Unternehmen zu maximieren, vor allem für das Talentmanagement. Der Markt für gut ausgebildete Talente ist derzeit kein Arbeitgebermarkt. Vielmehr müssen sich Unternehmen anstrengen, um die benötigten Kandidaten auch zu bekommen, und an dieser Stelle ist der Ausweis von Equal-Salary ein wertvolles Instrument.

 

Wie sollten Betriebe generell mit Gender Pay umgehen?

 

Sue Johnson: Dieses Thema sollte nicht nur aktiv gemanagt, sondern auch dauerhaft gelebt und für das Employer-Branding genutzt werden. Hier hilft am Anfang nur eine nüchterne Bestandsaufnahme. An welcher Stelle des Prozesses hin zu einem Equal-Pay-Status steht das Unternehmen aktuell? Was sind die nächsten Schritte? Studien belegen, dass sich durch die positiven Auswirkungen auf Attraction, Engagement und Retention die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens verbessert. Damit können Projektkosten für Equal Pay als Investition verstanden werden. Unternehmen sollten der gesetzlichen Regulierung zuvorkommen und Equal Pay aktiv für die positive Wahrnehmung innerhalb und außerhalb des Unternehmens besetzen. Wird nach Inkrafttreten des Gesetzes eine erhebliche Vergütungsungleichheit offensichtlich, ist der Arbeitgeber blamiert. Eine gute Position beim Thema Equal Pay wird für Unternehmen im War for Talents ein relevanter Faktor. Studien belegen, dass Vergütungsgleichheit zwischen den Geschlechtern für viele Talente ein entscheidender Faktor für die Auswahl des Arbeitgebers ist. Umgekehrt ist fortbestehende Ungleichheit in der Vergütung ein Grund, den Arbeitgeber zu wechseln. Arbeitgeber sollten also intern und extern belegen können, dass sie in der Frage von Equal Pay gut aufgestellt sind.

 

Wie sieht eine Analyse des Equal-Pay-Managements aus?

 

Sue Johnson: Unternehmen kommen in vier Schritten hin zu gesicherten Erkenntnissen und einem aktiven Equal-Pay-Management, nämlich über eine statistische Analyse, ein On-Site-Audit, eine Zertifizierung, über einen zeitversetzten Review und ein periodisches Update. In der statistischen Analyse werden die Daten der Mitarbeitenden an die Schweizer Stiftung Equal-Salary weitergeleitet. Equal Salary ist ein Verfahren, mit dem sich die Lohngleichheit von Frau und Mann zertifizieren lässt. Die Zertifizierung erfolgt in Zusammenarbeit mit der Observatoire universitaire de l’Emploi der Universität Genf. Natürlich werden alle Daten vor der Analyse anonymisiert und nach der Übermittlung des Auditberichts gelöscht. Der Lohnunterschied, den die Stiftung Equal-Salary misst, darf maximal 5 Prozent betragen, ehe der Schritt 2 erfolgt.

 

Axel Schütte: Im zweiten Schritt wird in einem Audit gemäß internationalen Standards des Qualitätsmanagements geprüft und beurteilt, wie es das Management mit der Verpflichtung zur Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen hält, wie gut Lohngleichheitsstrategien in HR-Prozesse und -Richtlinien integriert sind und wie die Mitarbeitenden die Lohnzahlungspraxis des Unternehmens wahrnehmen. Je nach Ergebnis des Audits erhält das Unternehmen dann das Label der Stiftung Equal-Salary. Die Zertifizierung der Lohngleichstellung gilt für drei Jahre.

 

Das Interview führte Dr. Guido Birkner.