Fair (Gender) Pay ist eine Frage von Compliance, aber auch von Wettbewerbsfähigkeit
Fair Pay umfasst unterschiedliche Themen wie etwa gleiches Geld für gleiche Arbeit, den Vergleich des CEO-Gehaltes im Verhältnis zum durchschnittlichen Gehalt von Mitarbeitenden oder auch das unterschiedliche Gehalt von Männern und Frauen. Letzteres ist durch das Entgelttransparenzgesetz noch stärker in den Fokus gerückt. Das Gesetz soll seit 2017 das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit unterstützen, unter anderem durch den seit Januar 2018 bestehenden Auskunftsanspruch. Doch es sind nicht nur gesetzliche Vorgaben, die Unternehmen zwingen, sich mit dem Thema Fair Pay auseinanderzusetzen. Fair Pay ist auch ein wesentlicher Faktor für die Attraktivität am Arbeitsmarkt, das Engagement von Mitarbeitenden und die Nutzung der Potenziale, die im Unternehmen vorhanden sind. Aus diesem Grund hat Willis Towers Watson bereits 2018 eine erste Fair-Pay-Studie durchgeführt und diese in Kooperation mit dem Fair Pay Innovation Lab aktuell wiederholt. Die Ergebnisse zeigen, wie Unternehmen mit dem Thema Fair Pay umgehen. An der Studie nahmen 79 Unternehmen aller Größenordnungen mit in Summe zwei Millionen Mitarbeitende in unterschiedlichsten Branchen teil.
Fair Pay wird häufig auf die Vergütung von Männern und Frauen eingeengt
Die meisten Unternehmen denken im Kontext von Fair Pay zunächst an die Vergütung von Männern und Frauen. 78 Prozent der befragten Unternehmen haben ihre Gehaltsstrukturen nach Geschlecht untersucht, während nur jeweils etwa ein Drittel der Unternehmen auch Analysen nach Dienstjahren, Qualifikationsniveau und Arbeitszeiten durchgeführt hat. Nur 9 Prozent untersuchten Gehaltsstrukturen nach ethnischer Herkunft oder Nationalität. Bei der Analyse der Gehälter von Männern und Frauen verglichen 57 Prozent der Unternehmen „gleichwertige“ Arbeit – zum Beispiel Jobs auf gleichem Karrierelevel unabhängig vom Jobinhalt –, und 39 Prozent der Unternehmen verglichen Gehälter von Angestellten mit „gleicher“ Arbeit (Mehrfachnennungen möglich). Immerhin ein gutes Fünftel der Unternehmen interessierte sich für Unterschiede im Gehalt von Männern und Frauen ohne Berücksichtigung der Tätigkeit.
Regelmäßiges standardisiertes Reporting, wenig Anfragen
Heute verlangen zwar mehr Beschäftigte als noch 2018 die ihnen gesetzlich zustehende Auskunft, aber es berichten immer noch 40 Prozent der befragten Unternehmen, dass ihre Mitarbeitenden kein Auskunftsverlangen gestellt haben. Das ebenfalls im Entgelttransparenzgesetz verankerte betriebliche Prüfverfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit wurde von drei Vierteln der befragten Unternehmen durchgeführt. Dabei ist ein klarer Trend zu einem regelmäßigen, standardisierten Reporting zu erkennen, wodurch das manuelle Reporting auf Anfrage sinkt. Weiterhin hat die überwiegende Mehrheit der Unternehmen den Nutzen von externen Beratungsangeboten zum Thema Fair Pay bestätigt, insbesondere deshalb, um Analysen weiterzuentwickeln und Ergebnisse zu benchmarken. Dennoch hat in den vergangenen zwölf Monaten nur ein Viertel der Unternehmen diese Angebote genutzt.
Frauen als Potenzialträgerinnen und Führungskräfte weiterhin unterrepräsentiert
Tatsächlich sind in den befragten Unternehmen in Summe Frauen sowohl als Potenzialträgerinnen und noch mehr als Führungskräfte im Vergleich zum Anteil an Einstellungen unterrepräsentiert. Vier von zehn Unternehmen untersuchen mögliche Ursachen geschlechtsspezifischer Gehaltsunterschiede. Dabei geht es nicht nur um gleiche Vergütung für gleiche Arbeit. Fair Pay verlangt vielmehr auch Chancengleichheit. Zwei Drittel der befragten Unternehmen suchen im Recruiting nach Verbesserungsmöglichkeiten, zum Beispiel in der Qualität der Ausschreibungen, den Anteilen von Männern und Frauen an Bewerbungen, Bewerbungsgesprächen und Einstellungen oder in der Qualifikation der Interviewenden. Zudem haben Unternehmen begonnen, nicht nur aktuelle Gehälter zu untersuchen, sondern auch Einstiegsgehälter, Grundgehaltserhöhungen und Beförderungsquoten. Fast zwei Fünftel der Unternehmen untersuchen auch sogenannte Talent-Blockaden, welche Chancengleichheit verhindern, zum Beispiel durch Befragung von Männern und Frauen hinsichtlich ihrer Karriereambitionen. Weitere 37 Prozent suchen auch nach möglichen Ursachen von Unterschieden, indem sie die Fairness der Leistungsbeurteilung von Männern und Frauen überprüfen.
Fair Pay durch Maßnahmen im Recruiting, klare Gehaltsstrukturen und Förderprogramme fördern
Passend zum Schwerpunkt der Untersuchung möglicher Ursachen von Gehaltsunterschieden liegt auch der Schwerpunkt der Maßnahmen im Recruiting. So achten 91 Prozent der befragten Unternehmen auf eine geschlechtsneutrale Sprache in Ausschreibungen, 82 Prozent bieten eine flexible Arbeitszeitgestaltung, und 62 Prozent bieten Unconscious-Bias-Trainings für Rekrutierende an. Immerhin ein knappes Drittel der Unternehmen setzt auf Quoten für Listen von möglichen Einzustellenden.
Der zweite große Schwerpunkt der Maßnahmen liegt auf der Schaffung geeigneter Voraussetzungen für eine faire Vergütung. Dabei setzten 92 Prozent der Unternehmen auf die Implementierung von klaren Gehaltsstrukturen, welche auch die Nutzung von Benchmarkdaten ermöglicht. Auch bei der Formulierung von Zielen und kompetenzbasierten Kriterien zur Leistungsbeurteilung achten über drei Viertel der Unternehmen auf eine geschlechtsneutrale Sprache. Ein Fünftel der Unternehmen hat zudem in die Gestaltung des Performance-Managements und der Beförderungsprozesse eingegriffen, um Fairness sicherzustellen.
Im Vergleich zu 2018 hat insbesondere das Angebot an Förderprogrammen stark zugenommen – vier Fünftel der Unternehmen greifen zu dieser Maßnahme. Aber auch Coaching, Mentoring und die Schaffung geeigneter Netzwerke werden von der deutlichen Mehrheit der Unternehmen unterstützt, um Chancengleichheit herzustellen.
Um die Wirkung aller Maßnahmen voll entfalten zu können, bedarf es aber auch einer entsprechenden Kommunikation. Hier fällt auf, dass nur knapp die Hälfte der Unternehmen aktiv zum Thema Fair Pay kommuniziert. Wenn kommuniziert wird, dann in der Regel im Kontext von Unternehmenswerten oder Unternehmenskultur, eventuell auch im Hinblick auf Führung und Personalentwicklung, aber sehr selten im konkreten Zusammenhang mit Vergütung.
Fair Pay – in drei Schritten zu mehr Arbeitgeberattraktivität
Drei Schritte helfen Unternehmen, die Chancen von Fair Pay zu nutzen, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren und Potenziale im Unternehmen zu nutzen.
- Analysieren: Suchen Sie nach Unterschieden, aber auch nach möglichen Ursachen von Unterschieden mit einem Fokus auf Chancengleichheit. Zur Beurteilung der aktuellen Situation können Sie auf Expertenwissen und Benchmarkdaten zurückgreifen. Grundsätzlich hilft es auch, die eigenen Mitarbeitenden zu befragen, wie sie die Fairness im Unternehmen wahrnehmen, um Handlungsfelder zu identifizieren.
- Handeln: Schaffen Sie mit einer klaren Jobarchitektur und einer damit verbundenen benchmarkfähigen Gehaltsstruktur die Voraussetzungen für Fair Pay. Darauf aufbauend helfen Ihnen mutige und kreative Maßnahmen und Programme, sich von Wettbewerbern am Arbeitsmarkt zu differenzieren.
- Kommunizieren: „Tue Gutes und rede darüber“, das gilt auch im Hinblick auf die Vergütung. Kommunizieren Sie aktiv, was Sie tun, um eine faire Vergütung sicherzustellen, nicht nur aus Compliance-Aspekten heraus, sondern insbesondere auch, um Talenten im Unternehmen die Chance zu geben, ihr Potenzial auszuschöpfen.
Die Investition in Fair Pay ist eine Investition in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, die sich auszahlt, indem Talente leichter gewonnen sowie im Unternehmen gehalten und entwickelt werden können.
Heike Ballhausen
Head of Talent Management & Organizational Alignment Germany/Austria
Willis Towers Watson
heike.ballhausen(*)willistowerswatson(.)com
www.willistowerswatson.com
Florian Frank
Head of Talent & Rewards Germany/Austria
Willis Towers Watson
florian.frank(*)willistowerswatson(.)com
www.willistowerswatson.com
Henrike von Platen
CEO/ Founder
FPI Fair Pay Innovation Lab gGmbH
hvp(*)fpi-lab(.)org
www.fpi-lab.org