Herr Perwitzschky, der Energieversorger Süwag hat 2018 ein Flexible-Benefits-Modell für seine Mitarbeiter eingeführt. Wie sieht Ihre bisherige Bilanz aus?
Thorsten Perwitzschky: Wir sind durchaus zufrieden. Von unseren rund 1.800 Mitarbeitern nehmen etwa 1.700 Mitarbeiter daran teil. Teilnahmeberechtigt sind alle festangestellten Mitarbeiter. Die Mitarbeiter, die ab 1. Januar 2018 eingestellt wurden, werden von unserer neuen bAV erfasst und haben somit Anspruch auf ein regelmäßiges, arbeitgeberfinanziertes Budget. Nicht zugelassen sind Kollegen mit befristeten Arbeitsverträgen und Azubis. Unsere Ziele mit FlexBenefits sind, neue Mitarbeiter für uns zu gewinnen und die Belegschaft zu halten. Wir sind ein Energieversorger mit Sitz in der Rhein-Main-Region. Dadurch stehen wir im ständigen Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern um die besten Talente. Mit dem neuen Benefitsportfolio erzielen wir auf dem Markt für Arbeitnehmer bessere Erfolge.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, als Mittelständler ein Flexible-Benefits-Modell anzubieten?
Thorsten Perwitzschky: Den Anstoß für den Relaunch des Vergütungsmodells gab unser Firmenprojekt „Modernes Arbeiten“. Dabei wurden unter anderem zahlreiche Mitarbeitervorschläge zu acht Themenfeldern mit rund 130 Beteiligten bearbeitet. Das Ziel des Projektes war, die Arbeitsbedingungen bei Süwag moderner und zukunftsfähiger zu machen. Die Vorschläge der Mitarbeiter konzentrierten sich auf verschiedene Anreize, viele zielten auf mehr Flexibilität ab. Aus den Vorschlägen ging der Entschluss hervor, ein budgetfinanziertes Portfolio an Nebenleistungen mit dem Namen „FlexBen“ aufzubauen und den Mitarbeitern anzubieten.
Wie sieht FlexBen konkret aus?
Thorsten Perwitzschky: Im Mittelpunkt unseres Angebots steht die betriebliche Altersversorgung. Hier investieren wir als Arbeitgeber 1,5 Prozent des Grundgehalts jedes neuen Mitarbeiters, der ab 1. Januar 2018 eingestellt wurde, in dessen Altersvorsorge. Dieser Benefit ist fix, denn die Altersvorsorge für unsere Mitarbeiter ist uns sehr wichtig. Darüber hinaus stellt der Arbeitgeber diesen Mitarbeitern zum Zeitpunkt der Festanstellung weitere 2 Prozent seines Grundgehalts quasi als Benefitsbudget zur Verfügung. Der Mitarbeiter kann diese 2 Prozent ebenfalls in die bAV stecken, er kann sie aber auch in einen anderen Benefit investieren. Zum Benefitsportfolio zählen noch weitere Nebenleistungen wie Leasingmodelle für Zweiräder und Pkws, Sachleistungen wie Obstkisten und Smart Home, Versicherungsprodukte für die Risikoabsicherung und Zeitwertkonten. Wie der Name FlexBen schon sagt, ist das Modell durch eine hohe Flexibilität in der Risikoabsicherung, der Versorgungshöhe und der Auszahlungsvariante der Leistungen im Rahmen der bAV gekennzeichnet. Auch haben alle Mitarbeiter, die vor und nach 2018 eingestellt wurden die Möglichkeit, Entgelt zugunsten von Benefits umzuwandeln. Tarifmitarbeiter können maximal 10 Prozent, außertariflich Beschäftigte 15 Prozent ihrer beitragsfähigen Bezüge einbringen. Wir belassen es nicht einfach bei dem ursprünglichen Portfolio, das wir 2018 angelegt haben, sondern prüfen es regelmäßig nach Hinweisen von Mitarbeitern und Betriebsrat. So bieten wir inzwischen auch Unterstützung bei der Tilgung von arbeitgeberseitig gewährten Wohnungsbaudarlehen und bei der Kinderbetreuung an – das Ganze steueroptimiert je nach Benefit und individueller Lage des Mitarbeiters. Auch die Ausgabe des Belegschaftsaktienprogramms haben wir in FlexBen eingebunden.
Ein Argument vieler Arbeitgeber gegen die Reinform von Flexible Benefits mit Budgetfreiheit für den Mitarbeiter ist, dass dieser steuerliche Vorteil verlieren kann.
Thorsten Perwitzschky: Damit unser FlexBenefits-Ansatz auch für den Mitarbeiter funktioniert, müssen wir es gut administrieren und kommunizieren, und der Mitarbeiter muss sich die Mühe machen, unsere Informationen zum Modell wahrzunehmen und zu verinnerlichen. Deshalb ist die Kommunikation mit den Beschäftigten von Anfang an ein entscheidendes Merkmal unseres Modells gewesen. Wir erklären unseren Mitarbeitern verständlich und transparent, wie die einzelnen Benefits steuerlich funktionieren. Das tun wir mündlich auf Versammlungen und in Einzelgesprächen, zudem schriftlich im Intranet. Dabei höhlt steter Tropfen den Stein. Damit will ich zum Ausdruck bringen, dass unsere Mitarbeiter heute im Schnitt über die steuerlichen Sachverhalte und über Sozialversicherungsbeiträge besser Bescheid wissen als zu Beginn. Der zweite Erfolgsfaktor war, dass wir uns von Anfang an gefragt haben, wie wir die administrativen Prozesse der Abrechnung und der Umwandlung der gewählten Benefits in die jeweiligen passenden Lohnarten möglichst gut automatisieren können. Ein solches Tool ist am Markt nicht zu kaufen. Also haben wir zusätzlich zu unserer SAP Entgeltabrechnung einen kleinen Automatismus entwickelt und installiert. Jetzt kann der Mitarbeiter über das eigenentwickelte FlexBen-Portal sein Budget samt Benefits selbst verwalten. Sowie er einen Benefit ausgewählt hat, läuft ein Programm mit einem Prüfmechanismus, das dem Mitarbeiter alle relevanten Informationen zur steuerlichen und SV-Behandlung zur Verfügung stellt. Der Mitarbeiter weiß also sofort, wie er sich steuerlich mit einem Benefit stellt, und kann nun entscheiden, ob er bei seiner Wahl bleibt.
Welche Benefits sind bei Süwag besonders stark gefragt?
Thorsten Perwitzschky: Grundsätzlich haben wir keine Ladenhüter, denn sonst hätten wir bei den Prüfvorgängen etwas falsch gemacht. Stark im Kommen sind Zeitwertkonten. Hier sparen immer mehr Mitarbeiter Guthaben an, um ein Sabbatical von einem Monat bzw. mehreren Monaten einlegen zu können. Für unsere Führungskräfte bedeutete es zunächst eine ungewohnte Situation, mit ihren Mitarbeitern auf deren Wunsch hin über ein Sabbatical zu sprechen. Doch das hat sich heute eingespielt.
An welchen Stellen mussten Sie Korrekturen vornehmen?
Thorsten Perwitzschky: Wir haben zu Beginn Optimierungszeitpunkte pro Jahr definiert, um unser Benefitsportfolio in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen. Diese Zeitpunkte haben wir schon bald gestrichen. Nur für Versicherungen haben wir sie beibehalten. Insgesamt haben wir in den ersten 20 Monaten unser Modell nicht wesentlich umgebaut.
Wie passt das Flexible-Benefits-Modell in das Vergütungsmodell und in die Mitbestimmung von Süwag?
Thorsten Perwitzschky: Natürlich haben wir vor der Einführung von FlexBen unsere Mitbestimmung und Tarifpartner eingebunden. So mussten wir zusammen mit dem zuständigen Arbeitgeberverband alle Öffnungsklauseln im geltenden Tarifvertrag prüfen. Am Ende haben wir das neue Modell in mehrere Betriebsvereinbarungen gegossen. Bis heute spreche ich immer wieder mit anderen Unternehmen, die sich unsere Lösung anschauen. Um Finanzierungsrisiken bei der beitragsorientierten Leistungszusage der bAV zu minimieren, haben wir eine Rückversicherung abgeschlossen. Uns ist es wichtig, dass im Unterschied zu den alten Anwartschaften keine Nachfinanzierungspflichten mehr bei Karrieresprüngen entstehen. Ein Versicherer verwaltet die Vorsorgekonten der Mitarbeiter, während die übrige Administration des FlexBen-Modells intern bleibt.