Gehaltsunterschiede zwischen Vorständen und den übrigen Mitarbeitern in Unternehmen sind einer der am häufigsten diskutierten Sachverhalte seit der Finanzkrise. Kaum ein anderes Thema ist in den vergangenen Jahren und Monaten so kritisch und emotional erörtert worden und sorgt regelmäßig für Schlagzeilen. Viele öffentlich geäußerte Meinungen sind aus unserer Sicht alles andere als neutral, wenn beispielsweise Daten falsch interpretiert werden und zu irrtümlichen Schlussfolgerungen führen.
Hierbei ist immer wieder von Gehaltsunterschieden zu lesen, bei denen das Gehalt des Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens mit dem durchschnittlichen Gehalt oder – noch extremer – mit dem Gehalt des am niedrigsten vergüteten Angestellten verglichen wird. Die hieraus resultierenden Multiplikatoren werden weithin genutzt, um auf übermäßige und ungerechte Gehaltsunterschiede hinzuweisen. Diese Betrachtung ist zu einfach, um die tatsächlichen Sachverhalte darzustellen und zu erklären. Viele Faktoren werden bewusst oder unbewusst außer Acht gelassen.
Hierzu zählt beispielsweise die Mitarbeiterstruktur der Unternehmen, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Gehaltsunterschiede im Unternehmen haben kann. Ein Unternehmen, das mehr geringbezahlte Mitarbeiter beschäftigt, hat folglich auch höhere Gehaltsunterschiede, insbesondere dann, wenn es international aufgestellt ist und in Märkten operiert, in denen wegen geringerer Lebenshaltungskosten geringere Gehälter gezahlt werden. Im Gegensatz hierzu haben Unternehmen, die keine Produktion haben, sondern im Dienstleistungssektor zu Hause sind – beispielsweise Banken und Versicherungen –, und somit höhere durchschnittliche Gehälter bezahlen, geringere Gehaltsunterschiede. Überdies kann hier der Vorstandsvorsitzende sogar mehr verdienen als sein Kollege in einem Produktionsunternehmen, und trotzdem können die Gehaltsunterschiede noch geringer sein.
Globalisierung und Digitalisierung lassen die Gehälter für höherwertige Gehaltsgruppen überproportional steigen
Ein weiterer Faktor, der leicht falsch interpretiert werden kann, sind die global überproportional höheren Gehaltssteigerungen für höherwertige Gehaltsgruppen. Diese werden leicht als Ungerechtigkeit empfunden, haben jedoch ihre Ursachen in zwei globalen Megatrends, die einen großen Einfluss auf die Gehaltsentwicklung dieser Gruppen haben:
- Die Globalisierung hat Zugang zu neuen Märkten und deren Arbeitnehmern eröffnet. In Wachstumsmärkten erhalten die Beschäftigten oft eine niedrigere Vergütung als in gesättigten Märkten. Dies liegt insbesondere an den niedrigeren Lebenshaltungskosten. Dieser Gehaltsdruck kann sich sogar negativ auf die Gehälter in den Heimatmärkten auswirken. Die Globalisierung führt zudem dazu, dass Unternehmen wachsen. Dieses Wachstum hat einen Effekt auf die Vergütung der Führungskräfte, die über die wachsende Verantwortung in einem größeren Unternehmen steigt.
- Die Digitalisierung führt auf der einen Seite dazu, dass viele Positionen in den Unternehmen automatisiert oder vereinfacht werden. Auf der anderen Seite werden zunehmend hochqualifizierte Mitarbeiter benötigt, die diese Systeme entwickeln und managen.
Beide Megatrends führen zu höheren Gehaltsunterschieden. Die Organisationen werden größer und komplexer. Zusätzlich werden die Aufgaben des Top-Managements von immer weniger Personen wahrgenommen, und die Arbeitsinhalte verdichten sich. Diese Entwicklungen führen auch zu höheren Gehaltssteigerungen im Top-Management als in den unteren Gehaltsgruppen.
Die Globalisierung und die fortschreitende technische Entwicklung führen zu zwei gegenläufigen Trends in der Vergütung. Ungelernte Arbeit wird zunehmend unwichtiger und als Folge in der Vergütung entsprechend geringer abgebildet. Dies betrifft mittlerweile sogar Funktionen des mittleren Managements, beispielsweise in der Buchhaltung oder der Rechtsabteilung. Auf der anderen Seite werden hochspezialisierte Arbeitskräfte zunehmend nachgefragt. Diese Managementfunktionen übernehmen zusätzlich zunehmend die Rollen des früheren mittleren Managements mit einer deutlich höheren Leistungsspanne. Diese veränderten Aufgaben erleben entsprechend positive Entwicklungen in der Vergütung. Die Grafik verdeutlicht die Entwicklung der Gehaltsunterschiede zwischen niedrigeren Funktionen, wie etwa Hochschuleinsteigern, und Führungskräftepositionen, wie beispielsweise Abteilungsleitern. Hierbei wurde die Medianvergütung dieser beiden Gruppen über den Zeitraum zwischen 2008 und 2014 betrachtet.
William Eggers,
Senior Vice President, Mitglied der Geschäftsleitung
Hay Group GmbH