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Grundlagenarbeit macht den Unterschied

Die analytische Stellenbewertung gilt als der Goldstandard des Vergütungsmanagements. Sie wird nicht nur für Ad-hoc-Benchmarks, Eingruppierungen oder das Compensation Management mit Gehaltsbändern und Co genutzt, sondern bildet mit einer transparenten Stellenarchitektur den Rahmen für Vergütungsentscheidungen und HR-Prozesse. Zu den typischen Fragestellungen zählen in diesem Zusammenhang beispielsweise welche Mitarbeitergruppen einen Short-Term- oder Long-Term-Bonus erhalten, wer einen Dienstwagen bekommt und ob die Beschäftigten leitend, außertariflich (AT) oder tariflich angestellt werden. Schließlich geht es beim Gesamtpaket, dem Total Reward, um mehr als nur um das Jahreszielgehalt.

Bei der Stellenbewertung können Input-orientierte Faktoren wie (formale) Qualifikationen, Fertigkeiten und Kompetenzen ebenso eine Rolle spielen wie Throughput- und Output-orientierte Faktoren. Dabei ist  der Anspruch, dass die Stellenbewertung der Komplexität der verschiedenen Funktionen und Volatilität in den Rollen gerecht wird. Hierbei entsteht ein gleichgewichtiges Spannungsfeld zwischen den Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität, die für wissenschaftliche Messmethoden gelten, sowie dem Bedarf nach Einfachheit, Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit.

Nicht zu vergessen das alte Dogma, dass Funktionen bewertet werden und nicht Personen, was sich in der Praxis immer wieder als Herausforderung darstellt, denn oftmals werden Performance-Unterschiede innerhalb eines Levels/Grades mit unterschiedlichen Anforderungen an diese vermischt. 

Theorie versus Praxis von New Pay

Ist eine Systematik zur Stellenbewertung gefunden, gilt es, die historisch gewachsenen Strukturen und die selbst auferlegte Stellenarchitektur übereinzubringen. Heute müssen sich Unternehmen die Frage gefallen lassen, ob sie ihre Entgelte und die dazugehörigen Ansprüche wie Boni, Dienstwagenberechtigungen und dergleichen auch offenlegen würden. Die Antwort gibt Rückschlüsse auf die Unternehmenskultur. Diejenigen, die kein Problem damit haben, stehen  möglicherweise für eine moderne Organisation, die sich für die demokratischen und transparenten Ansätze von New Pay offen zeigt. Doch bis dahin ist es ein langer Weg, denn die alten Gewohnheiten und Anspruchshaltungen lassen sich meist nur mit langem Atem auflösen. 

Tarif versus AT und das leidige Abstandsgebot

Viele deutsche Unternehmen sind durch eine lange Historie der Tarifverträge geprägt und zudem mitbestimmt. Einige Tarifverträge schreiben ein Abstandsgebot zum außertariflichen Bereich vor – andere lassen dies offen. Hier stellt sich die Frage, wo der AT-Bereich beginnt und wie der Übergang von einer tariflichen zu einer außertariflichen Vergütung gestaltet werden kann. Gängig sind Abstandsklauseln, die ausgehend vom höchsten Tarifentgelt inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld ein AT-Mindestgehalt festlegen, das sich in der Regel zwischen 10 und 30 Prozent über dem höchsten Tarifentgelt bewegt. Das Jahreszielgehalt im AT-Bereich (bestehend aus fixem und variablen Anteil) muss die Vergütung in der höchsten Entgeltgruppe um einen festgelegten Prozentsatz oder um einen absoluten Betrag übersteigen.  Neben der Gehaltshöhe wird oft auf die Bedeutung der Positionen im AT-Bereich referenziert. Dabei geht es etwa um besondere Führungsaufgaben, Schlüsselrollen, spezielle Entscheidungsbefugnisse oder um höhere Anforderungen an die Stelle als in der höchsten Entgeltgruppe. Logisch wäre es, den AT-Status an die (analytisch ermittelte) Stellenwertigkeit zu koppeln, indem das Anforderungsniveau definiert und so genau ermittelt wird, ab wann es sich um übertarifliche Arbeit oder Schlüsselrollen handelt. 

Verschiedenheit der Gruppen

Eine einfache Kopplung an die Gehaltshöhe springt zu kurz, weil es dann innerhalb eines Levels/Grades sowohl Tarif- als auch AT-Mitarbeiter geben kann. Dies widerspräche dem Grundsatz „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“, da es sich in der Regel um zwei grundsätzlich unterschiedliche Gruppen handelt. Für AT-Mitarbeiter ist der Arbeitgeber frei in der Verhandlung der Gehälter und Gehaltssteigerungen. Tarifmitarbeiter hingegen profitieren von sogenannten Stufensprüngen und Steigerungen ihrer Gehälter durch Tarifabschlüsse, die das Unternehmen kaum beeinflussen kann.

Für AT-Mitarbeiter wird hingegen häufig der Ansatz Pay-for-Performance oder der marktgerechten Vergütung (anhand der internen/externen Compa-Ratio) verfolgt, während im Tarif zumeist das Senioritätsprinzip gilt. Noch größer sind die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen dann, wenn durch den AT- oder Tarifstatus unterschiedliche Arbeitsbedingungen wie Zeit-erfassung, Kündigungsfristen, eine variable Vergütung, (freiwillige) Sonderzahlungen, Sonderurlaub, Teilnahme an der betrieblichen Altersvorsorge oder der Zugang zu weiteren Nebenleistungen geregelt sind. 

Lösungsansätze für den Übergang von Tarif zu AT

Bei der Suche nach der Gestaltung des Übergangs spielt das Stellenbewertungssystem eine entscheidende Rolle. Idealerweise sollte sich die Vergütung an der Stellenwertigkeit orientieren. Daraus ergeben sich zwei Lösungsansätze:

  1. der Abschluss eines Haustarifs mit Gültigkeit für alle Mitarbeiter (ausgenommen Leitende) unter Verwendung eines durchgehenden Systems zur Stellenbewertung sowie einer daran angelehnten Vergütungsstruktur,
  2. die Kopplung des AT-Status an ein bestimmtes Level/Grade der besetzten Stelle unter Beibehaltung mindestens zweier komplementärer Systeme zur Stellenbewertung und unterschiedlicher (außer-)tariflicher Entgeltsysteme.

Eine Verknüpfung von Level/Grade und AT-Status bedingt üblicherweise, dass das Minimum des ersten Gehaltsbandes im AT-Bereich die höchste Entgeltgruppe um einen gewissen Prozentsatz übersteigen muss, auch wenn sich die Tarifgehälter erhöhen. In der Definition des Bandminimums ist das Unternehmen demnach abhängig von den Tarifabschlüssen. Das stellt jedoch kein Gegenargument zur Kopplung dar, da sich die Gehaltssteigerungen in Deutschland ohnehin an den Tarifabschlüssen orientieren. Somit beeinflussen sie auch den Vergütungsmarkt, was bei der Überprüfung der Gehaltsbänder, die in regelmäßigen Abständen erfolgen sollte, automatisch einfließt. Zudem überwiegen die Vorteile auch in der Kommunikation gegenüber dem Mitarbeiter und der Durchsetzung des Übergangs in AT.

Wechsel des Grades/Levels

Wechselt ein Mitarbeiter von einem Grade/Level in ein anderes und wird befördert, sollte dies neben neuen Aufgaben mit einer anderen Funktionsbezeichnung, öffentlicher Anerkennung sowie mit einer spürbaren Gehaltssteigerung einhergehen. In diesem Zuge ist ohnehin eine Vertragsanpassung nötig und der Wechsel in den AT-Status daher gut nachvollziehbar. Gerade für leistungsorientierte Mitarbeiter wird der AT-Bereich damit auf Dauer attraktiver als der Tarifbereich, da in der höchsten Stufe der Entgeltgruppe nur noch moderate Erhöhungen des Tarifgehalts nach dem Gießkannenprinzip zu erwarten sind.

Ein Wechsel in den AT-Bereich innerhalb desselben Grades/Levels ist jedoch erfahrungsgemäß in den meisten Unternehmen schwierig. Zum einen, weil die Mitarbeiter für die Aufgabe des komfortablen Tarifstatus häufig eine größere Gehaltserhöhung erwarten, als im Budget vorgesehen ist. Zum anderen, da an den AT-Status oft auch noch andere Vergütungselemente wie etwa der Bonus gekoppelt sind, die das Zielgehalt ebenfalls erhöhen und das Budget beanspruchen. Den Übergang in den AT-Bereich allein mit dem Abstandsgebot zu begründen, trägt nicht. Eine Kopplung an die Stellenarchitektur hingegen ist transparent, nachvollziehbar und verständlich.

In der Praxis

Die tariflichen Eingruppierungsrichtlinien und damit einhergehenden Regularien bilden selbstverständlich die alleinige maßgebliche Grundlage für die Stellenbewertung im tariflichen Bereich. Dabei handelt es sich um Eingruppierungsgrundsätze, tarifliche Obersätze und Richtbeispiele sowie gegebenenfalls Betriebsvereinbarungen mit vereinbarten Bewertungskriterien. Generell gilt es, anhand des tariflichen Eingruppierungssystems sowie der Richtbeispiele des Tarifvertrags und der Bewertung von realen Stellen im Unternehmen eine belastbare Übersetzungstabelle zu ermitteln.

Auf diese Weise kann ein modernes, webbasiertes Tool zur Stellenbewertung dabei unterstützen, unternehmensweit außertarifliche und tarifliche Eingruppierungsentscheidungen zu dokumentieren sowie regelmäßig zu überprüfen. Die Digitalisierung der Bewertungsentscheidungen und -unterlagen erhöht nicht nur deren Aktualität sowie Qualität, sondern ermöglicht auch die Dokumentation sowie den unternehmensinternen Vergleich von aktuellen Bewertungsergebnissen.

Bentje Grünewald
Teammanagerin Compensation/HR Systems
DKV Mobility, Ratingen
Bentje.Gruenewald(*)dkv-mobility(.)com
www.dkv-mobility.com

Philipp Schuch
Gründer und Geschäftsführer
QPM GmbH
philipp.schuch(*)gradar(.)com
www.gradar.com