Sind in einem Tarifvertrag unterschiedliche Zuschläge für unregelmäßige und regelmäßige Nachtarbeit festgehalten, verstößt das nicht unbedingt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt am Mittwoch entschieden. Allerdings mit einer Einschränkung: Es muss ein „sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben sein, der aus dem Tarifvertrag erkennbar sein“, wie es in einer Pressemitteilung des Gerichts heißt.
Konkret ging es in dem Verfahren vor dem BAG um eine Mitarbeiterin eines Getränkeunternehmens – laut tagesschau.de handelt es sich um Coca-Cola – in Berlin. Sie hatte sich dagegen gewährt, dass sie laut einschlägigem Tarifvertrag der Erfrischungsgetränke-Industrie Berlin und Region Ost lediglich 20 Prozent Nachtzuschlag erhielt. Hätte sie nur unregelmäßig nachts gearbeitet, hätte es jedes Mal 50 Prozent gegeben. Das fand sie ungerecht – denn es sei auf Dauer belastender, ständig nachts arbeiten zu müssen als lediglich hin und wieder. Ihr Arbeitgeber hingegen argumentierte, dass regelmäßige Nachtarbeiterinnen und Nachtarbeiter ihre Freizeit nach den Schichten ausrichten können, während Beschäftigte, die nur hin und wieder und ungeplant nachts tätig sind, dies nicht können.
Das sahen auch die Richterinnen und Richter in Erfurt so. Sie machten in der fehlenden Planbarkeit durch unregelmäßige Nachtarbeit einen sachlichen Grund für einen höheren Zuschlag fest. Wie hoch der ausfalle, sei aber Sache der Tarifparteien, nicht des Gerichtes. „Eine Angemessenheitsprüfung im Hinblick auf die Höhe der Differenz der Zuschläge erfolgt nicht“, heißt es dazu in der Pressemeldung des Gerichts. Und: „Es liegt im Ermessen der Tarifvertragsparteien, wie sie den Aspekt der schlechteren Planbarkeit für die Beschäftigten, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, finanziell bewerten und ausgleichen.“
Mit Nachtarbeitszuschlägen müssen sich die Arbeitsgerichte häufiger befassen. Die Gewerkschaft NGG spricht von etwa 400 Verfahren, die allein am Bundesarbeitsgericht anhängig sind. „ In der Vergangenheit hat das Gericht auch schon mal einen Tarifvertrag scheitern lassen“, sagt der Arbeitsrechtler Michael Fuhlrott. „In einem Fall war vorgesehen, dass die unregelmäßige Nachtarbeit von den Mitarbeitern weitestgehend abgelehnt werden konnte.“ Dadurch laufe das Argument der fehlenden Planbarkeit ins Leere – anders als im vorliegenden Fall. „Und das ist meines Erachtens auch der tragende Punkt, auf den sich das Urteil stützt.“
Info
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2023 (Az.: 10 AZR 332/20 und 10 AZR333/20).
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Matthias Schmidt-Stein koordiniert als Chef vom Dienst die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet die Onlineredaktion. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit dem Berufsbild HR und Karrieren in der Personalabteilung sowie mit Personalberatungen. Auch zu Vergütungsthemen schreibt und recherchiert er.