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HR und Vertrieb müssen bei der Vergütung an einem Strang ziehen

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Herr Kayser, um die Vertriebsvergütung war es zuletzt ruhig. Herrscht dort Stillstand oder Zufriedenheit oder beides?

 

Joachim Kayser: Aktuell bewegt sich einiges in puncto Vertriebsvergütung. Diese wird aber nach wie vor häufig nicht vom HR-Bereich verantwortet. Daher müssen viele Personaler erst lernen, wie Vertriebsvergütung geht. Auch unterscheidet sich die Vergütung des Vertriebs schon immer deutlich von der anderer Funktionsgruppen. Diese Konstellationen brechen erst jetzt langsam auf, HR tastet sich in den Vertrieb hinein. Dass wir in den vergangenen Jahren wenig von der Vertriebsvergütung gehört haben, hat auch mit der guten Konjunktur und guten Vertriebsergebnissen zu tun. Dort brannte zuletzt wenig an. Die Stimmung wird sich aber wieder ändern, wenn das Wetter in der Wirtschaft umschlägt und die jahrelange Boomphase ausläuft.

 

Der Vertrieb will also weiter individuell vergütet werden?

 

Joachim Kayser: Ja, das gilt grundsätzlich weiterhin, auch wenn immer mehr Unternehmen neben der reinen Vertriebsleistung in Form von Absatz auch auf die Art des Vertreibens schauen. Verhalten und speziell Führung werden für den Vertrieb immer wichtiger, gerade im Hinblick auf die häufig hohe Fluktuation und die Nachwuchsproblematik. Wenn ein Unternehmen mehrere erfolgreiche Verkäufer verliert, dann kann das am Gehalt liegen, aber noch mehr an schlechter Führung. Dort müssen die Unternehmen den Hebel ansetzen, etwa über ein Performance-Management und die Vergütung von Sales-Managern mit dem Ziel, dass diese ihre Kollegen wirkungsvoller führen und den Nachwuchs besser ausbilden. Hier zeigt sich das Dilemma, dass die besten Vertriebler nicht unbedingt die besten Führungskräfte sein müssen. Auch deshalb ist HR gefordert, im Vertrieb ein funktionierendes Performance- und Besetzungsmanagement zu integrieren.

 

Viele Unternehmen wollen Unternehmensstrategie und Vertriebsvergütung besser miteinander in Einklang bringen und die variable Vergütung reduzieren.

 

Joachim Kayser: Anders als in nicht-vertrieblichen Rollen wird die individuelle variable Vergütungskomponente im Vertrieb kaum in Frage gestellt. Aber jedes Unternehmen muss seine spezifische Vertriebsvergütung entwickeln in Passung zur Vertriebsstrategie und natürlich auch zu den im Vertrieb tätigen Mitarbeitern. Hier gibt es keine simple Einheitslösung. Wir sind aber davon überzeugt, dass es gerade im Vertrieb eine starke individuelle Vergütungskomponente braucht.

 

Wir unterscheiden im Vertrieb Key-Account-Manager, Sales-Manager, Pre-Sale-Verantwortliche und Call-Center-Agenten. Zeigt sich die Differenzierung in der Vergütung?

 

Joachim Kayser: Inzwischen hat der Vertrieb in der Vergütung die verschiedenen Vertriebskanäle berücksichtigt. Wichtig ist, dass ein Vertriebler auch dann seine Provision bekommt, wenn er einen Kunden vor Ort berät, auch wenn der den Kauf am Ende online durchführt. Heute trennen Unternehmen Außendienst und Innendienst in der Vergütung nicht mehr strikt voneinander, sondern binden beide Bereiche in ein Vergütungsmodell ein, wenngleich verschieden gewichtet. Hinzu kommt, dass Menschen die Vertriebsfunktion unterschiedlich ausüben. Mal sind es Teilzeitbeschäftigte, mal Vollzeitbeschäftigte, mal Personen mit festgelegten Verdienstzielen. Diese Profile darf man nicht über einen Kamm scheren. Auch schätzen ältere Vertriebsmanager die Anreizwirkung von Vergütungskomponenten und HR-Instrumenten auf die junge Generation oft falsch ein.

 

Welche Vergütungsmodelle finden sich am Markt?

 

Joachim Kayser: Generell sehen wir im Vertrieb klar und einfach strukturierte Provisions- oder Zielbonusmodelle, die überwiegend das Verhalten nicht berücksichtigen. Bei beiden Modellen hängt die Höhe der variablen Vergütung – mit Einstieg ab einer definierten Zielerreichung – vor allem von der Höhe der Fixvergütung ab. Häufig bekommen Vertriebler rund ein Drittel ihres Gehalts variabel, wobei der Markt eine große Spannbreite an Varianten kennt. Im Vergleich zu den anderen Funktionen ist die Vergütung im Vertrieb durch größere unterjährige Schwankungen und verschiedene Auszahlungsmodi für die variable Komponente gekennzeichnet.

 

Vertriebsmanagement und Vergütung greifen ineinander?

 

Joachim Kayser: Ja, und das ist für HR wie für den Vertrieb Neuland und zugleich die Chance, voneinander zu lernen. In der Vergangenheit haben beide Seiten in der Vergütung und Personalentwicklung kaum miteinander gesprochen. Wenn HR ein strategisches Ressort werden will, muss es sich gerade im Vertrieb umschauen. Dort liegt manches im Argen, vor allem im Hinblick auf Wertschätzung und Führung, aber auch im Recruiting und in der Personalentwicklung. Vertriebe haben aufgrund der demographischen Entwicklung Nachwuchsprobleme. Hier sollte HR unterstützen. Das Potenzial an geeigneten Mitarbeitern aus anderen Bereichen des eigenen Betriebs für einen Einsatz im Vertrieb wird längst nicht ausgeschöpft. Gerade bei der Mitarbeiterführung müssen die Führungskräfte im Vertrieb besser werden. Dafür brauchen sie die Unterstützung von HR. Auch kommt die Nachhaltigkeit im Vertrieb zu kurz. Die meisten Betriebe honorieren den Vertriebserfolg im laufenden Jahr, aber kaum darüber hinaus. Dabei lohnt es sich, auch im Vertrieb eine langfristige Komponente in die variable Vergütung einzubauen. Nachhaltigkeit wird in Vergütung manifestiert, wenn es nicht nur um Umsatz geht, sondern auch um die langfristige Kundenzufriedenheit.

 

Welche Rolle spielt der Teamgedanke in der Vergütung?

 

Joachim Kayser: Manche Unternehmen bauen den Anteil der variablen Komponente in der Vertriebsvergütung aus, um auch die Teamleistung stärker zu belohnen. Aber die Zuordnung von Verhalten auf ein ganzes Team ist schwierig. Deshalb werden in puncto Teamleistung eher Absatz bzw. Umsatz als Ziele zugrunde gelegt.

 

Behält der Dienstwagen seine dominierende Stellung?

 

Joachim Kayser: Ja, viele Vertriebsleiter würden sich nicht trauen, ihren Mitarbeitern den Dienstwagen wegzunehmen. Bei der Sonderausstattung lassen sich über die Eigenbeteiligung der Mitarbeiter die Kosten aus Unternehmenssicht steuern.

 

Das Interview führte Dr. Guido Birkner.