Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit einer betrieblichen Altersversorgung (bAV) werden in Deutschland durch unterschiedliche Kanäle über ihre bAV-Anwartschaften informiert. So haben sich unternehmens- oder einrichtungsspezifische digitale Lösungen zur Kommunikation individueller bAV-Informationen inklusive umfangreicher Self-Services etabliert. Nun ist seit kürzlich noch ein neuer Kommunikationskanal hinzugekommen: Das Bürgerportal der DRV (Deutsche Rentenversicherung) Bund verfolgt das Ziel, eine Digitale Rentenübersicht über die Säule der bAV hinaus zu ermöglichen. Daher sind Vorsorgeeinrichtungen jetzt aufgefordert, sich auf eine verpflichtende Anbindung administrativ vorzubereiten und aktiv das Zusammenspiel der bisherigen bAV-Kommunikation mit der Digitalen Rentenübersicht zu gestalten.
Bürgerportal informiert über individuelle Ansprüche
Die Digitale Rentenübersicht, das neue Bürgerportal der gesetzlichen Rentenversicherung, soll über die individuellen Ansprüche aus der gesetzlichen, privaten und betrieblichen Altersvorsorge informieren. Die DRV Bund hat die Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht (ZfDR) eingerichtet, das Portal realisiert und die Anbindungstechnologie für die verschiedenen Vorsorgeeinrichtungen bereitgestellt. Das Portal ist zunächst mit einer einjährigen Pilotphase gestartet, in deren Rahmen Versorgungseinrichtungen freiwillig teilnehmen können. Während dieser Zeit ist eine laufende Evaluation und Weiterentwicklung eingeplant.
Mit der Veröffentlichung der ZfDR-Informationsseite für Vorsorgeeinrichtungen konkretisieren sich die Anforderungen, sodass Arbeitgeber spätestens jetzt die Anbindung vorbereiten sollten. Einrichtungen, die zur jährlichen Übermittlung von Standmitteilungen im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge verpflichtet sind – also mit Direktversicherungen, Pensionsfonds und Pensionskassen –, müssen sich laut dem Gesetz zur Entwicklung und Einführung einer Digitalen Rentenübersicht (Rentenübersichtsgesetz) anbinden. Ob diese Verpflichtung bereits ab Ende der Pilotphase im Dezember 2023 greift, ist bislang offen.
Unabhängig von der Verpflichtung wird das Ziel, den Bürgerinnen und Bürgern eine vollständige Übersicht über ihre Anwartschaften zu geben, nur durch eine breite Beteiligung aller Versorgungseinrichtungen erreichbar sein. Für bAV-Vorsorgeeinrichtungen und -Trägerunternehmen sowie ihre Dienstleister stellen sich damit neue Herausforderungen, die durchaus mit initialen und laufenden Kosten verbunden sind. Außerdem ergeben sich neue Fragestellungen, wie beispielsweise die des möglichen Einflusses der Digitalen Rentenübersicht auf die bisherige bAV-Kommunikation an die Begünstigten.
Kein Ersatz für Self-Services der Betriebe
Das vorgesehene standardisierte Schema zur Meldung von individuellen Ansprüchen und jährlichen Standmitteilungen an die DRV Bund sowie die säulen- und anbieterübergreifende Bündelung dieser Informationen in einem Portal sollen einen vollständigen Überblick ihrer Altersvorsorge ermöglichen. Unternehmensindividuelle Lösungen, die bereits passgenau über die eigene bAV-Zusagelandschaft informieren, sind in das feste Meldeschema der ZfDR einzufügen. Die Aufgabe, die bestehende Komplexität zu reduzieren, fällt damit den Vorsorgeeinrichtungen zu. Art und Umfang der übermittelbaren Informationen sind allerdings durch das vorgegebene Meldeschema beschränkt.
Das bedeutet in der Folge, dass für Arbeitnehmer, die eine bAV-Anwartschaft haben, ein zusätzlicher Kanal entsteht, der die bestehenden Informationsmöglichkeiten ergänzt – doch er kann keinen Ersatz bieten, da bestimmte Informationen und bAV-Self-Services mit Detailtiefe fehlen. Wenn die Digitale Rentenübersicht an Bedeutung gewinnen soll, wird es wichtig sein, das Zusammenspiel der verschiedenen Kommunikationskanäle aktiv und konsistent zu gestalten.
Anbieter müssen Kommunikationsstrategie überarbeiten
In diesem Zusammenhang sehen sich Anbieter ebenso mit der Überarbeitung ihrer Kommunikationskonzepte konfrontiert. Dadurch, dass zunächst nur gewisse Durchführungswege zur Anbindung verpflichtet sind, ist es anzuraten, die bestehenden Informationskanäle auf den Prüfstand zu stellen, da Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konsistente Auskünfte wünschen und erwarten. Ein Verlust an Kommunikationsklarheit wird sich sonst schnell in erhöhten Anfragen über Service Lines oder anderen Kanälen bei den Trägerunternehmen oder Vorsorgeeinrichtungen beziehungsweise ihren Dienstleistern bemerkbar machen.
BAV-Bestandsadministration: zusätzliche Daten erforderlich
Zur Anbindung an das ZfDR-Meldeverfahren sind jährliche Datenexporte aus der Bestandsadministration der bAV laut vorgegebener Schnittstellenformate und Datenübertragungswege erforderlich. Als Identifikationsmerkmal zur eindeutigen Zuordnung von Anspruchsberechtigten wird im Rahmen des ZfDR-Meldeverfahrens die steuerliche Identifikationsnummer (Steuer-ID) der betroffenen Personen erforderlich.
Das bedeutet: Stellen, die zukünftig Standmitteilungen und Daten für die Digitale Rentenübersicht an die ZfDR melden, müssen ihre Bestände um die Steuer-ID ergänzen. Insbesondere bei denjenigen mit unverfallbaren bAV-Ansprüchen, die aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind, liegen diese Daten den Vorsorgeeinrichtungen nicht oder nur teilweise vor. Das Fehlen des Schlüsselfelds hat eine unvollständige Darstellung der bAV-Komponente in der Digitalen Rentenübersicht zur Folge, könnte zu Unverständnis und damit zu erhöhtem Anfragevolumen bei Anbietern von Altersvorsorgeprodukten führen.
Um die Ergänzung der Bestände zu unterstützen, soll hierfür das aus dem Rentenbezugsmitteilungsverfahren bekannte maschinelle Anfrageverfahren der Steuer-ID beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) um für die Digitale Rentenübersicht relevante Rechtsgründe erweitert und genutzt werden. Aufwände zur Einrichtung der Nutzung und Durchführung dieses maschinellen Verfahrens für größere Bestände von unverfallbaren Anwartschaften müssen die Vorsorgeeinrichtungen berücksichtigen.
Es bleibt noch viel zu tun
Mit der Digitalen Rentenübersicht werden die Möglichkeiten rund um digitale Services im Bereich der Kommunikation von bAV-Informationen um eine Variante reicher. Dies wirft viele Fragen auf:
- Wie werden Beschäftigte damit umgehen? Werden sie diesen neuen Kanal ergänzend zu den unternehmensspezifischen Kommunikationsplattformen der bAV nutzen?
- Werden sie die Unterschiede der einzelnen bAV-Säulen verstehen und die Hürden verschiedener Authentifizierungsverfahren der Kommunikationsplattformen zur Altersvorsorge problemlos nehmen?
- Oder werden sie sich fragen, warum nicht beispielsweise im Rentenlückenrechner ihres Arbeitgebers, den sie bequem per Single-Sign-On erreichen, zusätzliche Daten zur Verfügung stehen? Ergänzende Werte aus Anwartschaften von vorherigen Arbeitgebern sowie weiterer Säulen der Altersvorsorge könnten aus der Digitalen Rentenübersicht mehrwertstiftend für solche Hochrechnungen genutzt werden.
Über die Realisierung einer solchen umfassenden Altersvorsorgeinformation müssen auch die Vorsorgeeinrichtungen nachdenken: Nur mit einer guten User Experience kann die Nutzung der bestehenden und neuen Self-Services mit dem ambitionierten Ziel einer verbesserten Planung und Umsetzung der Altersvorsorge der Bürgerinnen und Bürger sichergestellt werden. Dies ist eine große Aufgabe, aber auch eine Chance für alle beteiligten Vorsorgeeinrichtungen, Dienstleister und die DRV Bund, nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Planbarkeit der Altersvorsorge gemeinsam auszubauen, sodass sie einen echten Mehrwert leistet.
Info
Der Beitrag ist zuerst in unserem bAV-Special im Magazin erschienen. Hier gelangen Sie zu weiteren Artikeln der Strecke.