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Incentive-Trends: Status quo und Herausforderungen

Incentive-Systeme stellen ein wichtiges Instrument dar, um die Leistung, das Engagement und die Motivation von Mitarbeitenden zu steigern. Ein zielgerichteter und mehrwertstiftender Einsatz unterstützt die Gewinnung sowie Bindung von Beschäftigten und trägt maßgeblich zu einer erhöhten Produktivität bei.

So die weit verbreite Annahme in der Theorie – die auch eine hohe Zustimmung bei den Praktikern in den Unternehmen findet. Ob diese positiven Effekte mit einem Incentive-System tatsächlich erzielt werden, wird bereits seit längerer Zeit von Personalverantwortlichen und Führungskräften kritisch diskutiert.

Der Begriff Incentive wird in der Praxis unterschiedlich verstanden und interpretiert. Generell werden alle Maßnahmen quantitativer und qualitativer Natur, die Mitarbeitende vergüten, belohnen und motivieren, als Incentive-System bezeichnet.

Um den Incentive-Begriff sowie weitere damit in Verbindung gebrachte Vergütungselemente zu differenzieren, legt Korn Ferry den sogenannten Total-Reward-Ansatz zugrunde. Dieser führt die einzelnen Komponenten der Vergütung an und addiert diese Bottom-up bis hin zur Aggregierung aller Komponenten der Gesamtvergütung. Jede einzelne Vergütungskomponente hat ihre eigene Zielsetzung und Funktion: Das Grundgehalt bildet die Basis und umfasst alle fixen, vertraglich vereinbarten Zahlungen, die Mitarbeitende pro Jahr beziehen.

Alle weiteren Komponenten lassen sich unter dem Begriff Incentive-Systeme klassifizieren. Neben der kurz- sowie langfristigen variablen Vergütung und Nebenleistungen spielen auch nicht finanzielle Anreize eine zunehmend größere Rolle. Beispielsweise sichern Karriereperspektiven, bedeutungsvolle Aufgaben, Weiterbildung, Anerkennung und eine positive Unternehmenskultur ebenso das Engagement und die Bindung von Mitarbeitenden.

Entwicklung der Vergütungssysteme

Die Zusammensetzung der einzelnen Vergütungskomponenten hat sich im Laufe der Jahrzehnte wesentlich verändert. Während Mitte des 20. Jahrhunderts das Grundgehalt den gesamten Vergütungsmix ausmachte, hat sich der Fokus stetig in Richtung der variablen Komponenten kanalisiert. Heute liegen umfassende Vergütungssysteme vor, die sich aus den einzelnen Komponenten zusammensetzen.

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COMP & BEN

Der Artikel stammt aus COMP & BEN. Das Onlinemagazin berichtet in sechs Ausgaben pro Jahr sowie auf der Webseite der Personalwirtschaft aktuell und kompetent über Compensation & Benefits, also die Vergütung von Fach- und Führungskräften in Unternehmen.

Die kurzfristige variable Vergütung zielt darauf ab, das künftige Verhalten/Leistung der Mitarbeitenden durch (jährlich) ausbezahlte Barbeträge, die von Jahr zu Jahr variieren können, zu beeinflussen. Zu den Formen der kurzfristigen variablen Vergütung zählen Gewinnbeteiligungen, Provisionen sowie Bonus-Pläne, die auf individuellen und/oder unternehmensspezifischen Zielen basieren. Nahezu alle Unternehmen bieten variable Vergütungssysteme an, jedoch werden die Berechtigungen differenziert angewendet, und sie unterscheiden sich oft bei den verschiedenen Mitarbeitergruppen. Insbesondere bei der Management- sowie der Vertriebspopulation finden variable Systeme häufiger Anwendung als bei anderen Mitarbeitergruppen.

Wer profitiert wie von einem Bonus?

Die Auswertung der Bonusberechtigungen auf Basis der Korn-Ferry-Vergütungsdatenbank in Deutschland zeigt auf, dass 86 Prozent der Beschäftigten im mittleren Management sowie 89 Prozent im oberen Management im Jahr 2022 bonusberechtigt waren. Im mittleren Management haben dabei 76 Prozent der Bonusberechtigten eine Bonuszahlung erhalten – im oberen Management sogar 80 Prozent. Gleichzeitig spielen die Gewichtung und damit der Anteil der variablen Komponente an der Gesamtvergütung bei Management- und Vertriebspositionen eine größere Rolle.

In den unteren Mitarbeitergruppen beziehungsweise Leveln sehen wir ein anderes Bild: Der Anteil der Berechtigten für Bonuszahlungen liegt zwischen 25 Prozent und 39 Prozent – doch lediglich zehn Prozent bis 24 Prozent erhalten tatsächliche eine Auszahlung. Eine Ursache dafür: Auf dieser Ebene kommen häufig kollektive Systeme zum Einsatz, die auf ganzheitliche finanzielle Kennzahlen ausgerichtet sind. Je höher Beschäftigte in den Jobleveln aufsteigen, desto häufiger existieren komplexere variable Vergütungssysteme, deren Parameter dann wenigstens teilweise, etwa für individuelle Leistung, zur Teilauszahlung führen.

Die Auswertung der Korn-Ferry-Datenbank lässt klar erkennen, dass mit steigendem Joblevel der prozentuale Anteil von variabler Vergütung und Nebenleistungen an der Gesamtvergütung steigt. Im Detail stellt sich das unserer Analyse zufolge wie folgt dar: Die Vergütungspakete der Mitarbeitergruppen Clerical/Operations sind mit 94 Prozent sowie Supervisory/Junior Professional mit 90 Prozent überwiegend fix ausgestaltet. Variable Vergütungsbestandteile kommen in diesen Arbeitnehmerbereichen mit einem relativen Anteil von einem Prozent beziehungsweise vier Prozent an der Gesamtvergütung nur vereinzelt vor.

Im Middle Management nimmt der Anteil der variablen Vergütung sowie der Nebenleistungen und Allowances um 13 Prozent zu und bei Seasoned Professional um zehn Prozent. Mit Blick auf Positionen der Mitarbeitergruppe Senior Management/Executive besteht das Gesamtvergütungspaket zu gut einem Drittel aus variablen Komponenten.

Variable Vergütung in Krisenzeiten

Nach einer Zeit mit guten Konjunkturdaten standen die Arbeitgeber in der Corona-Pandemie vor großen Herausforderungen. Eine der größten lag in der Notwendigkeit zur Reduzierung der Kosten. Dabei wurden bei den Personalausgaben diverse Optionen zur Lohnkostenkontrolle angewendet.

  • Mit Blick auf das Grundgehalt waren die am häufigsten verbreiteten Formen Nullrunden, dicht gefolgt von reduzierten Gehaltserhöhungen.
  • Langfristige Komponenten sowie Nebenleistungen blieben weitestgehend unberührt, wohingegen die variablen Systeme von der schlechten wirtschaftlichen Lage betroffen waren.
  • Bei den kurzfristigen variablen Komponenten ließ sich eine geringere Häufigkeit an Auszahlungen sowie ebenfalls ein geringeres Niveau bei erfolgten Zahlungen konstatieren.

Als Effekt zeigte sich zudem, dass sich in Krisenzeiten unter einem Großteil der Beschäftigten eine erhöhte Verunsicherung und Angst breitmacht, was sich in vielen Fällen mit einem größeren Wunsch nach Sicherheit ausdrückte. Dadurch fokussierten sich die Wünsche der Belegschaft gezielt auf eine höhere Grundvergütung, und der Einfluss von kurzfristigen Vergütungskomponenten verlor an Bedeutung. Diese Wünsche und Forderungen zeigen sich ebenfalls im aktuellen Umfeld, das von hoher Inflation, einem Arbeitnehmermarkt (Mangel an Fachkräften) und niedriger Arbeitslosigkeit geprägt ist.

Wohin geht die Reise?

Incentive-Systeme werden auch in Zukunft ein wichtiges Instrument bleiben, um Mitarbeitende zu gewinnen, zu binden und zu motivieren. Die Zusatzleistungen müssen Unternehmen jedoch an die veränderten Arbeitsbedingungen und -anforderungen anpassen.

Dazu benötigen Arbeitgeber das Wissen, wie die konkreten Bedürfnisse und Präferenzen der Belegschaft aussehen. Nur mit dem richtigen Verständnis lässt sich mittels finanzieller und nicht finanzieller Komponenten das beste Verhältnis des Investments zum wahrgenommenen Nutzen der Empfänger erzielen.

Nach wie vor sind im Markt Short-term-Incentive-Systeme im Einsatz, die von Führungskräften und Mitarbeitenden als zu komplex wahrgenommen werden. Das betrifft konkret die Ausgestaltung/Mechanik der jeweiligen Pläne. Wir beobachten im Markt, dass neben dem Trend verstärkt, auf kollektive Ziele (statt Einzelziele) zu setzen, auch in der Wahl der Ziele ein Umdenken stattfindet.

Der Dreiklang in Bezug auf die Zielauswahl aus Unternehmenszielen, Bereichszielen und Individualzielen ist weiterhin im Markt vertreten, wobei neue variable Vergütungssysteme etabliert werden, die ausschließlich die Unternehmensziele berücksichtigen. Es liegt auf der Hand, dass dieser Ansatz weniger Administration benötigt und möglicherweise auch eine höhere Mitarbeiteridentifikation mit dem Unternehmen und dessen Zielen begünstigt.

Ebenso beobachten wir in der Praxis, dass weiche KPIs durchaus in Incentive-Systemen in Form der Zielvereinbarung vertreten sind. Diese werden jedoch immer häufiger entkoppelt und eher in Form von Development-Dialogen eingesetzt. Eine besondere Herausforderung wird es sein, Incentive-Systeme im Kontext der verschiedenen Generationen anzupassen beziehungsweise zu konzipieren, da sich die Arbeitsmentalitäten sowie Bedürfnisse der Generationen verschieben.

Dabei werden künftig die immateriellen Komponenten wie flexible Arbeitszeitmodelle, Unternehmens- und Führungskultur, Wertschätzung sowie individuelles Karriere- und Aufstiegsmanagement zunehmend an Bedeutung gewinnen und einen entscheidenden Einfluss auf die langfristige Attraktivität von Arbeitgebern haben. Gleichzeitig gilt es, sich zukunftsorientiert bei Überlegungen mit Blick auf das Portfolio an Nebenleistungen aufzustellen, um die relevanten Themengebiete und Bedürfnisse der neuen Generationen aufzugreifen.

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