Herr Hakenes, SAP setzt bei Insured Benefits, also versicherungsförmigen Nebenleistungen, auf Multinational Pooling. Dabei werden die biometrischen Risiken, die in lokal abgeschlossenen Lebensversicherungen wie Krankenversicherungen, Todesfallversicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherungen oder Unfallversicherungen stecken, über ein globales Pooling rückgedeckt. Welche weltweiten Trends sehen Sie im Poolingmarkt?
Guido Hakenes: Vieles im Poolingmarkt ist seit Jahren konstant: Unternehmen können heute auf acht Poolingnetzwerke am Markt zurückgreifen. SAP selbst nutzt drei der acht Netzwerke, die sich global gut über die Länder verteilen, in denen wir vertreten sind, wobei wir für unsere größten Standorte Deutschland und USA separat verhandeln. In beiden Ländern sind wir mit so vielen Mitarbeitern vertreten, dass wir dort auch ohne Pooling gute Underwriting- und Preiskonditionen am Markt bekommen. Ich beobachte beim Multinational Pooling zwei Markttrends: Global Underwriting und das Einbringen von Insured Benefits in Captives.
Nutzt SAP Global Underwriting?
Guido Hakenes: Wir bei SAP wollen unseren lokalen Kollegen und dem lokalen Broker aus dem Headquarter heraus nicht vorschreiben, welchen Versicherer sie zu wählen haben. Die Entscheider können vor Ort am besten beurteilen, welcher Versicherer die besten Konditionen und den besten Service anbietet. Andere Konzerne gehen mittels Global Underwriting anders vor, indem sie bei einem Versicherungsnetzwerk für einen Diskount eine bestimmte Anzahl an Leben in mehreren Ländern versichern. Ich sehe Global Underwriting für uns kritisch, weil mögliche Schwierigkeiten und Eskalationen in den Ländern mit dem vorgeschriebenen Versicherungsnetzwerk zwangsläufig im Headquarter landen würden. SAP hat vor Jahren die Funktion des Global Brokers eingeführt, der zusammen mit den lokalen Kollegen und den lokalen Brokern die lokal besten Entscheidungen trifft.
Zum zweiten globalen Trend: Ist der Aufbau eines Captives auch kein Thema für SAP?
Guido Hakenes: Wir haben die Gründung einer eigenen Versicherungsgesellschaft für uns geprüft, aber bislang aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiter verfolgt. Andere große Konzerne haben in der Vergangenheit eine Captive für die eigenen Versicherungsrisiken – hauptsächlich Sachversichungsrisiken – aufgebaut und tragen ihre Risiken selbst. Grundsätzlich können auch Insured Benefits in bestehende Captives eingebracht werden. Diesen Trend sehe ich auch bei internationalen Großunternehmen. Natürlich ist die Frage berechtigt, warum sie das erst jetzt tun. Die Antwort ist, dass in den letzten Jahren die Unternehmen ihre Insured Benefits global aktiver managen und somit nun den Überblick haben, welche Personenversicherungsrisiken in ihrem Unternehmen global vorhanden sind. In der Konsequenz werden Captives für Konzerne heute ein Thema in Bezug auf Insured Benefits.
Und wie reagieren die Poolingnetzwerke auf Trends Global Underwriting und Captives?
Guido Hakenes: Die Netzwerke bieten Unternehmen an, die Verträge für Insured Benefits zumindest als globale Rückversicherer zu betreuen. Dabei spielt ihnen der Umstand in die Karten, dass Konzerne mit eigenen Captives nicht für jedes Land, in dem sie vertreten sind, eine Lizenz als Versicherer erwerben wollen oder können. Statt dessen können die lokalen Partner der Netzwerke als Frontrunner in den lokalen Märkten dienen. Der Netzwerkpartner stellt die Koordination, das Reporting und die Abrechnung mit der Captive als Rückversicherer sicher. Zudem benötigen die Unternehmen die lokalen Netzwerkpartner ebenfalls in der Rolle des Third Party Administrator, kurz TPA. Sie werden im Zusammenhang mit Captives und Multinational Pooling nicht nur als lokaler Versicherer benötigt, sondern es kommt in Zukunft besonders auch auf die Administration von Insured Benefits in den einzelnen Ländern an. Aufgaben wie Zukunft zur Krankenversorgung, Claims-Management, Governance und Compliance wird ein Konzern mit seinen Versicherungs- und Personalabteilungen oft vor Ort selbst nicht darstellen können.
Wenn SAP auf eine eigene Captive verzichtet: Wie regelmäßig schreibt Ihr Unternehmen Insured Benefits neu aus?
Guido Hakenes: Gemäß unserer Einkaufspolicy schreiben wir Insured Benefits alle drei Jahre neu aus. Bei Krankenversicherungen kann die Ausschreibungsfrist in Absprache von drei auf fünf Jahre verlängert werden, da der Wechsel eines privaten Krankenversicherers immer mit einem höheren Administrationsaufwand verbunden ist. Wir schauen uns natürlich auch die Sozialversicherungssysteme der einzelnen Länder an und richten unser Angebot an Insured Benefits lokal danach aus.
Wie fallen die einzelnen Länder bei den Kosten und den Risiken ins Gewicht?
Guido Hakenes: Multinational Pooling bietet den Vorteil, dass kleinere Länder mit ihren höheren kalkulatorischen Risiken durch die Rückversicherung über das globale Netzwerk bei der lokalen Kalkulation der Versicherungsprämien und der Underwriting-Conditions besser abschneiden, als wenn die Verträge einzeln platziert werden. Ein Beispiel für bessere Konditionen sind höhere Free Cover Limits. Dadurch müssen weniger Mitarbeiter zur Gesundheitsprüfung.
Welche Impulse gehen von der Digitalisierung und dem Datenmanagement für das Multinational Pooling aus?
Guido Hakenes: Digitale Prozesse verändern das gesamte Claims-Management. Mitarbeiter wollen Belege elektronisch einreichen können. Durch die Digitalisierung nimmt auch die Flexibilisierung – also das Anpassen der Benefits Pakete an die jeweiligen Bedürfnisse der Mitarbeiter – weiter zu. In diesem Zuge steigen natürlich auch die Anforderungen an die Administration solcher Angebote. Und wo Bedarf besteht, entstehen auch entsprechende Angebote. Der nächste Schritt – insbesondere für kleine und mittelgroße Organisationen bzw. Länder – ist das Outsourcing des gesamten Benefitsangebots. Entsprechende Anbieter halten bereits heute das ganze Paket von der Softwareplattform zur Individualisierung und Kommunikation über die Administration bis hin zum Brokerage bereit.
An welcher Stelle könnten digitale Lösungen Bedarfe von SAP noch besser abdecken?
Guido Hakenes: Kundenspezifische Health Dashboards (länderübergreifend) sind sicherlich die Zukunft. Wir benötigen idealerweise die globalen Krankenversicherungsdaten unserer Mitarbeiter von den jeweiligen lokalen Krankenversicherungen – strukturiert, harmonisiert und datenschutzkonform. Das würde uns helfen, auf Basis der aktuellen Claims-Daten Maßnahmen ergreifen zu können, die die Gesundheit unserer Belegschaft fördern. Bislang sind die Daten der Krankenversicherungen international nur bedingt vergleichbar, doch wir sind guter Dinge, dass die Netzwerke und die Broker mit den Versicherern an einer Harmonisierung zum Wohle ihrer Kunden und Mitarbeiter arbeiten.
Welche künftigen Entwicklungstrends beobachten Sie im Multinational Pooling?
Guido Hakenes: Das Pooling wird weiter zunehmen, da mehr und mehr Unternehmen ein besseres Verständnis davon bekommen, welche Insured Benefits in ihren Unternehmensgruppen angeboten werden. Global Underwriting wird nicht für alle Organisationen – wie etwa SAP – der Ansatz sein, um Insured Benefits international zu platzieren. Auch das Thema Captive ist eher auf wirklich große Unternehmen beschränkt. Zudem beginnt der Mittelstand gerade im Zusammenhang mit modernen Compensation & Benefits-Strukturen, seine Insured Benefits ebenfalls global und transparent zu managen. Hier kommt der riesige Vorteil der Netzwerke ins Spiel, sie können global auf eine Reihe lokaler Partner zurückgreifen und Unternehmen zielgerichtet unterstützen – und das lokal als Fronting Partner inkl. Third Party Administration und global beim Managen der eingegangen Risiken.