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Ist externe Comp-&-Ben-Beratung noch zeitgemäß?

Start-ups bieten einfache und günstige Tools zur Selbstanalyse von Vergütungsstrukturen und Stellenarchitekturen an. Unternehmenstransformation im Plug-&-Play- Prinzip – kann das funktionieren? Eine Marktübersicht schafft Klarheit.

Gerade in HR-Fragen befinden sich Unternehmen derzeit in einer kontinuierlichen Wartungsschleife. Um die besten Talente anzuziehen und zu halten, müssen sie ihre Stellenarchitekturen aufräumen, Compensation-&- Benefits-Praktiken überarbeiten, Equal-Pay-Maßnahmen anschieben, ihre High Potentials bei Laune halten und ihren Talentpool ständig erneuern.

Das ist weder eine kleine, noch eine leichte Aufgabe und deshalb scheinbar am besten bei externen Experten aufgehoben, die einen neutralen Blick auf den Ist- Zustand werfen, Benchmarks setzen, Strukturen konstruieren und die Transformation anschieben. Anstatt sich aber mit sich selbst zu beschäftigen, geben Unternehmen ihre Deutungshoheit freiwillig an Beratungshäuser ab, die sich mit dem Nimbus eines Deus ex Machina perfekt positioniert haben. Dabei gibt es Alternativen.

Was bietet der Markt?

Folgt man den Branchennachrichten, rennen Investoren den Anbietern von Compensation-&-Benefit-Tools derzeit die Bude ein. Der Markt für datengetriebene Softwarelösungen zur Analyse und Transformation HR zentrierter Unternehmensfragen wächst, konsolidiert und diversifiziert sich im Eiltempo.

Equal-Pay-Tools wie Curocomp werden von großen Playern wie Payscale aufgekauft, die zuvor im März 2021 mit Payfactors fusioniert sind. XpertHR aus Großbritannien kaufte ein halbes Jahr später den lokalen Anbieter für Gender-Pay-Gap-Analysen Gapsquare. Workplace-Equity- Plattformen wie Syndio (USA), Affirmity.com (USA), PayAnalytics (IS) oder PIHR (SE) sind thematisch und regional stark fokussiert und dürften absehbar auch das Ziel von Übernahmen werden.

Und auch wir bei gradar.com diversifizieren unsere Suite und integrieren neben der analytischen Stellenbewertung zusätzliche Module für die Equal-Pay-Analyse und das Gehalts-Benchmarking und machen damit Excel-Tools und Berater überflüssig. Daten, Benchmarks und Analyse-Algorithmen sind nicht etwa das Werkzeug eines objektiven Beraters. Sie sind der objektive Berater.

HR-Transformation als Tagesgeschäft

Es ist kein Zufall, dass viele der derzeit verfügbaren Compensation-Tools von ehemaligen Beratern gegründet wurden. Vielmehr unterstreicht es den Wandel der Branche: Unternehmen werden zu ihren eigenen Beratern, die Transformationsaufgabe wird zum Teil des Tagesgeschäfts. Natürlich lässt sich dieser Wandel nicht ohne die Digitalisierung erklären. Doch dabei geht es nicht nur um die Potenziale, die Algorithmen, Künstliche Intelligenz oder maschinelles Lernen für die Entwicklung moderner HR-Tools eröffnen. Tatsache ist, dass klassische Berater und Plattformgründer auf dieselben datenzentrierten Mechanismen und Algorithmen zurückgreifen.

Anbieter wie Gradar operieren jedoch erstens unter dem Wissen, dass digitale Kompetenz längst in allen unternehmensrelevanten Altersklassen die Regel ist. Wer eine App auf seinem Smartphone öffnen kann, ist auch in der Lage, digitale Analysetools anzuwenden. Zweitens widersprechen sie der beratungsimmanenten Annahme, dass jedes Unternehmen ein Einzelfall ist, in dem individuelle Ist-Soll-Vergleiche zu individuellen Maßnahmen führen.

Aus Sicht einer analytisch konstruierten Stellenund Vergütungsstruktur ist jedes Unternehmen identisch: Eine bestimmte Position benötigt bestimmte Fertigkeiten und Kompetenzen, aus denen sich bestimmte
Laufbahnen und entsprechende Gehaltsstaffeln ergeben. In diesem anforderungsbasierten Ansatz ohne jegliche Personalisierung stehen Equal Pay und geschlechterbasierte Lohndiskriminierung zwangsläufig
ebenso im Fokus.

Drittens nivellieren Compensation-Tools einen überflüssigen Arbeitsschritt klassischer Beratungsarbeit
– die Sammlung, Vermittlung und Aufbereitung elementarer Informationen zum Beratungsgegenstand. Anstatt mit Kick-off-Meetings und Präsenztagen Beraterstunden anzuhäufen, können HR-Verantwortliche die Rohdaten direkt und ohne Übersetzungsleistung in die Analyse geben.

Die Herausforderung besteht vorrangig darin, zwischen Rohdaten, Algorithmen und Anwendern ein System zu erschaffen, das sich nahtlos ins Unternehmen integriert und von jedem zu bedienen ist, der eine App öffnen kann. Dafür braucht es zwar Entwicklungskapital und Zeit. Doch die Kosten für den Endanwender betragen zwangsläufig nur einen Bruchteil dessen, was Beratungsgesellschaften in Rechnung stellen.

Wachstumsmarkt mit dem Mechanismus zur Selbstzerstörung?

Wer seinen Kunden das Fischen beibringt, läuft Gefahr, sich selbst abzuschaffen. Gleichzeitig stößt der Markt
für Compensation-&-Benefit-Tools in der Breite an seine Grenzen. Genauso wenig, wie Unternehmen Heerscharen an Beratern benötigen, brauchen sie unzählige HR-Tools mit jeweils endlichem Nutzen. Die Crux einer guten Analyselösung besteht aber zwingend darin, dass sie die Situation derart gründlich analysiert, dass die daraus abgeleiteten Maßnahmen eine Transformation mit höchstmöglicher Erfolgswahrscheinlichkeit anstoßen. Im besten Fall macht sie sich tatsächlich überflüssig.

Dieser Kill Switch könnte Plattformanbieter dazu verführen, auf typische Branchenmechanismen des Consultings zurückzufallen und fortlaufende Bedarfe zu generieren, wo es keine gibt. Das öffnet halbgaren Lösungen jenseits der eigentlichen Macht des befähigungsbasierten Ansatzes Tür und Tor. Existierende und zukünftige Plattformen müssen sich daher an ihrer Transformationsoffenheit messen lassen und den Bedarfen der Unternehmen folgen, statt sie zu diktieren.

Philipp Schuch
CEO & Founder
QPM Quality Personell Management
philipp.schuch(*)gradar(.)com
www.grader.com