Angenommen, einer der großen börsennotierten Konzerne in Deutschland bürstet sich selbst und seine Strategie komplett auf Nachhaltigkeit: Wie soll sich der Fachbereich für Vergütung dann zur strategischen Neuausrichtung stellen? Klare Antwort: Er geht mit und bildet Nachhaltigkeit in Form eines neuen Long-Term-Incentive-Plans für seine 600 Seniormanager ab. So geschehen beim Handelskonzern METRO Group mit Sitz in Düsseldorf.
Mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Vergütung befasst sich Dr. Christine Abel, Group Director Performance & Rewards bei der METRO Group, schon seit langem. Bereits in ihrer früheren Tätigkeit als Beraterin hat sie sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich eine Vergütungsarchitektur nach Nachhaltigkeitskriterien ausrichten lässt.
Die Transformation der METRO in den beiden zurückliegenden Jahren eröffnete die Möglichkeit, ihre Ideen in die Praxis umzusetzen. Der Vorstand des Handelskonzerns stellte die Gesamtstrategie auf den Prüfstand und bezog bei der Neuausrichtung globale Trends und Veränderungen in der Handelsbranche in die Planung ein. „Oberstes Ziel aller Aktivitäten muss sein, unseren Kunden einen echten Mehrwert zu bieten“, gab Olaf Koch, Vorstandsvorsitzender METRO AG, seinen Mitarbeitern als Richtlinie vor.
Die Ausrichtung am Kundenmehrwert erfordert vom Unternehmen und seinen Mitarbeitern, sich ständig weiterzuentwickeln. Das betrifft auch die Vergütung. So führte der Konzern 2013 zunächst eine neue Executive Rewards Policy ein. 2014 folgte ein Long-Term-Incentive-Plan für das Senior-Management inklusive Vorstand. „Die Zeit war reif für einen neuen LTI-Plan, denn die alten aktienbasierten Pläne waren kompliziert und bildeten die Strategie nicht komplett ab “, beschreibt Christine Abel.
Dow Jones Sustainability Indices als Vorbild
Nachhaltig sollte die neue langfristige Vergütungskomponente sein, um der Initiative SUSTAINABILITY@METRO zu entsprechen. Deshalb schaute sich Christine Abel zusammen mit ihren Kollegen Christiane Winter und Felix Roth die Bewertungskriterien der Dow Jones Sustainability Indices (DJSI) an, die einen Bezug zu Human Resources haben. Für METRO lag es nahe, sich an den DJSI zu orientieren, da der Konzern auch darin gelistet sein will.
Seit 1999 wählt die Aktienindexfamilie zusammen mit der Zürcher Agentur Sustainable Asset Management (SAM) unter den 2.500 größten im Dow Jones Global Total Stock Market Index vertretenen Unternehmen diejenigen aus, die innerhalb ihrer Branche die besten ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Leistungen erbringen. Entsprechend dem Best-in-Class-Ansatz gruppieren die Betreiber der Indexfamilien die stärksten 10 Prozent zum DJSI World. Nach einer ähnlichen Methode werden die europäischen Indexgruppen DJSI Europe ermittelt.
Die Bewertungskriterien der DJSI untersuchen Nachhaltigkeit unter verschiedenen Gesichtspunkten. So zählen Managementsysteme, Unternehmensführung und Arbeitsbedingungen ebenso dazu wie die Höhe der CO2-Emissionen und der Energieverbrauch. DJSI und SAM beziehen vor allem die Informationen in ihre Bewertungen ein, die Auskunft über den Nutzen von Nachhaltigkeit geben, also über die Kosten oder über eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit.
Earn before you spend
An dieser Methodik haben sich Christine Abel und ihre Kollegen orientiert, als sie den neuen LTI-Plan entwickelt haben. „Nachhaltigkeit und ihre Wirkung lassen sich per se nur über eine mehrjährige Perspektive erzielen und bewerten“, betont Christine Abel. Während die einjährige variable Vergütung die operative Performance belohnt, richtet sich die Auszahlung aus dem LTI-Plan nach dem Grad, bis zu dem strategische Meilensteine realisiert wurden. „Dieser Teil der Vergütung ist stark performancebasiert, denn wie viel über ihn ausgeschüttet wird, hängt immer davon ab, wie gut es der Company gerade geht.“ Earn before you spend – eine Regel, die METRO mit nachhaltiger Seniormanagementvergütung verbindet.
Mittels dreier KPIs werden die Interessen möglichst aller Stakeholder berücksichtigt, diese beeinflussen jeweils zu einem Drittel die Höhe der Auszahlung aus dem LTI:
- Total Shareholder Return (TSR, Aktienrendite)
- Nachhaltigkeit
- Earnings per Share (EPS zur Beurteilung der Ertragskraft des Unternehmens)
Natürlich spielt auch die individuelle Performance jedes Seniormanagers für die Auszahlung nach dem LTI-Plan eine Rolle. Doch auch hier hat die Nachhaltigkeit im Vergleich zu den alten LTI-Plänen der METRO eine relevante Rolle gewonnen. „Jeder unserer 600 Seniormanager kann das Thema Sustainability stark fördern, indem er es in die Zielvereinbarungssysteme seines Bereichs einbaut“, unterstreicht Christine Abel. „Wichtig ist uns zudem, dass sich Nachhaltigkeit in der Zielvereinbarung und der Zielerreichung auch extern messen und nachvollziehen lässt.“
Da der deutschsprachige Markt derzeit noch keine Vorbilder oder Benchmarks bezüglich der Nachhaltigkeit in der langfristigen variablen Vergütung bietet, haben Christine Abel und ihr Team Ende 2013 die Urversion des LTI-Plans quasi gemäß Lehrbuch am Reißbrett aufgebaut. „Wir haben den Plan selbständig mit Boardmitteln entwickelt und lediglich Versicherungsmathematiker für den bilanztechnischen Hintergrund hinzugezogen.“ 2014 hat der LTI ein Facelift erfahren. Eine besondere Herausforderung stellte die rechtliche Konformität dar. Schließlich mussten die selbstgewählten Kriterien mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang gebracht werden, vor allem mit dem Aktienrecht für die Vorstandsvergütung.
Bei den Organen stieß der neue Plan durchweg auf Zustimmung. Hier haben Vorstand und Aufsichtsrat begrüßt, dass dieser Teil der Vergütung vom Aktienkurs abgekoppelt wurde. Christine Abel resümiert: „Alle haben das Gefühl, den Ausgang der Zielerfüllung jetzt deutlich stärker beeinflussen zu können als früher.“ Eben nachhaltig statt volatil.
Dr. Guido Birkner,
verantwortlicher Redakteur Human Resources
FRANKFURT BUSINESS MEDIA – Der F.A.Z.-Fachverlag