Aktienbasierte Long-Term Incentives (LTIs) werden in Deutschland schon lange nicht mehr nur für die Top-Führungskräfte von Großkonzernen genutzt, sondern sind auch in mittelständischen Unternehmen angekommen. Davon profitiert zunehmend das mittlere Management.
Im internationalen Kontext ist Deutschland hinsichtlich der Entwicklung einer Vergütungskultur in Aktien relativ gut positioniert. Doch im Vergleich zu nordamerikanischen Unternehmen, die als Pioniere eine sehr ausgeprägte Aktienkultur entwickelt haben, besteht Nachholbedarf. Nach der zurückliegenden Finanzkrise haben Politik und Wirtschaft in Deutschland weitere Richtlinien auf den Weg gebracht, die den intensiveren Einsatz aktienbasierter Vergütung regeln und befördern. Beispiele dafür sind die Novellierungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) und die Institutsvergütungsverordnung (IVV). Ähnliche Vorgaben mit dem Ziel, Vergütung langfristig, nachhaltig und am Substanzwert des Unternehmens auszurichten, wurden in anderen Ländern ebenfalls verabschiedet. Entsprechend vielfältig zeigt sich die internationale Marktpraxis bei aktienbasierten Vergütungen.
Eine umfassende Bestandsaufnahme der internationalen Marktpraxis solcher aktienbasierten LTIs bietet die Studie „Global Equity Insights“. Sie wurde 2016 zum vierten Mal in Folge von der Global Equity Organization (GEO), der Unternehmensberatung hkp/// group sowie mit Unterstützung verschiedener Sponsoren und unter der wissenschaftliche Begleitung durch den Lehrstuhl für Management und Controlling der Georg-August-Universität in Göttingen durchgeführt. „Global Equity Insights“ ist die größte internationale Analyse ihrer Art. Insgesamt nahmen 148 Unternehmen aus 21 Ländern daran teil, vorrangig Global Player mit einem speziellen Fokus auf Nordamerika und Europa. 91 Prozent der Studienteilnehmer wiesen zum Jahresende 2015 eine Marktkapitalisierung von über 1 Milliarde US-Dollar, die Top 20 gar von mehr als 50 Milliarden US-Dollar aus.
Motive für den Rückgriff auf aktienbasierte Vergütung
LTIs stehen seit der Finanzkrise unter verstärkter öffentlicher Beobachtung. Das äußert sich in Regelungen durch Gesetzgeber sowie in Selbstverpflichtungen der Wirtschaft. Die Studienteilnehmer nennen allerdings nur in sehr geringem Umfang die Erfüllung regulatorischer Bedingungen als Ziel, das sie mit LTIs verfolgen. Vielmehr stehen die Mitarbeiterbindung und eine marktgerechte Vergütung mit Verweis auf die demographischen Veränderungen in den Industriestaaten sowie auf den durch die gute Weltwirtschaftslage verschärften Wettbewerb um gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte im Fokus.
Die Studie will nicht nur die aktuelle globale LTI-Marktpraxis darstellen, sondern auch ermitteln, welche Unterschiede in der Aktienkultur zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen bestehen, gemessen anhand operativer Finanzkennziffern. Ermittelt wird Erfolg dabei anhand des branchenadjustierten Return on Assets über drei Jahre. Entsprechend werden die Unternehmen im oberen Drittel der Rangreihe als erfolgreich, die im unteren Drittel als weniger erfolgreich bezeichnet.
Grundsätzlich nimmt der Anteil von LTIs am Vergütungsmix mit absteigender Mitarbeiterebene ab, und zwar weltweit von 42 Prozent für den Vorstand bzw. die Geschäftsführung auf 15 Prozent für das mittlere Management. Die relativ kleine Rolle, die aktienbasierte Vergütung aktuell im oberen und mittleren Management in europäischen Unternehmen spielt, bietet der Studie zufolge weitere Möglichkeiten, um die Interessen von Managern und Aktionären anzugleichen.
Erfolgreiche Unternehmen legen höhere LTI-Anteile in Vergütungspaketen für Manager fest
Erfolgreiche Unternehmen gewähren im Bereich der oberen Führungskräfte höhere Anteile an der Gesamtvergütung in Form von LTIs als weniger erfolgreiche Unternehmen. Je höher die Hierarchieebene ist, desto deutlicher werden die Unterschiede. Der Anteil von LTIs an der Gesamtvergütung von Vorständen bzw. Mitgliedern der Geschäftsführung in erfolgreichen Unternehmen liegt um rund 7 Prozentpunkte über dem in weniger erfolgreichen Unternehmen.
Nahezu alle Arbeitgeber, die an der Studie teilgenommen haben, gewähren ihrer Geschäftsführung aktienbasierte Vergütung, 98 Prozent auch dem oberen Management. Grundsätzlich nimmt die LTI-Gewährung auf niedrigeren Mitarbeiterebenen zwar ab, doch wesentliche Unterschiede zwischen den Weltwirtschaftsregionen sind weiterhin zu erkennen. So gewähren mehr als 80 Prozent der nordamerikanischen Unternehmen LTIs auch im mittleren Management, und mehr als die Hälfte schließt weitere Mitarbeiter außerhalb des Managements in den Kreis der Berechtigten ein.
Hingegen zählen in europäischen Unternehmen das mittlere Management und niedrigere Mitarbeiterebenen nur in seltenen Fällen zum Kreis der Berechtigten. Zudem ist in erfolgreichen Unternehmen ein größerer Teil der Gesamtbelegschaft zur Teilnahme am LTI berechtigt als in weniger erfolgreichen Unternehmen. Eine Ausweitung der Teilnahmeberechtigung auf weitere Mitarbeitergruppen bietet Unternehmen somit Potenzial für Leistungssteigerungen.
Unterschiedliche Plantypen in den USA und in Europa bevorzugt
Beim Blick auf die verwendeten LTI-Plantypen spiegelt sich das kulturell unterschiedliche Verständnis von Unternehmensziel und -führung wider. Nordamerikanische Unternehmen bevorzugen rein aktienkursbezogene Plantypen wie Restricted Stock (Units) (33 Prozent), Performance-Shares (25 Prozent) und Aktienoptionen (21 Prozent). Sie verfolgen damit eher den Shareholder-Value-Ansatz. Europäische Unternehmen präferieren hingegen eher Plantypen, die an zusätzliche Performance-Bedingungen geknüpft sind, die auch im Interesse weiterer Anspruchsgruppen sind: Performance-Shares (32 Prozent), Restricted Stock (22 Prozent) und Performance-Cash (11 Prozent).
Mit Blick auf die Studienergebnisse der Vorjahre ist eine Stabilisierung der Verwendung von Aktienoptions-plänen zu erkennen, wenngleich auf relativ niedrigem Niveau, verglichen mit der Situation von vor rund zehn Jahren. Insgesamt nehmen Aktienoptionen nur noch den dritten Platz der meistverwendeten Plantypen ein.
Üblicherweise werden kapitalmarktorientierte Kenngrößen wie Gesamtaktionärsrendite (Total Shareholder Return/TSR) oder interne Kenngrößen wie Gewinn pro Aktie (Earnings per Share/EPS) sowie Gewinn- und Ertragsgrößen als Performance-Bedingungen in den LTI-Plänen verwendet. Insbesondere erfolgreiche Unternehmen setzen bei der Wahl der Performance-Bedingungen auf eine Kombination aus internen und kapitalmarktorientierten Kenngrößen.
Etwa die Hälfte der europäischen Studienteilnehmer gibt an, dass sowohl die Zahl der LTI-Berechtigten als auch die Höhe der LTI-Gewährungen in den vergangenen fünf Jahren gestiegen sind. Damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: Gefragt nach ihren Erwartungen für die nächsten zwei bis drei Jahre, geben jeweils etwa 40 Prozent der europäischen Unternehmen an, dass die Anzahl der LTI-Berechtigten im Unternehmen und die Höhe der LTI-Gewährungen weiter steigen werden. Mit Blick auf den positiven Zusammenhang zwischen Aktienkultur und Unternehmensperformance, der durch die Studie bestätigt wird, ist dies eine vielversprechende Entwicklung.
Sebastian Hees
Senior Manager
hkp/// group