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2015 wurde der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland eingeführt. Die Lohnuntergrenze startete bei 8,50 Euro pro Stunde und wurde zum Januar 2017 auf 8,84 Euro erhöht. Nun verständigte sich die Mindestlohnkommission darauf, dass die Lohnuntergrenze zum 1. Januar 2019 um 35 Cent auf 9,19 Euro steigen und ein Jahr später um weitere 16 Cent auf 9,35 Euro erhöht wird. Im ersten Beschluss zur Mindestlohnerhöhung im Jahr 2016 war eine solche zweite Stufe nicht vorgesehen.
Die Anpassung des Mindestlohns orientiert sich an der Entwicklung der durchschnittlichen Tariflöhne. Für die Festsetzung der Lohnuntergrenze in 2019 und 2010 wären eigentlich die Tarifabschlüsse der Jahre 2016 und 2017 maßgeblich, aus denen das Statistische Bundesamt einen Tariflohnindex bildet. Dieser stieg von Dezember 2015 bis Dezember 2017 um 4,8 Prozent. Danach würde sich sowohl für 2019 als auch für 2020 ein Mindestlohn von 9,19 Euro ergeben. Die Kommission entschied sich jedoch überraschend für eine Erhöhung in zwei Stufen. Für die zweite Stufe berücksichtigte sie auch Tarifabschlüsse des ersten Halbjahrs 2018: Aus den Lohnsteigerungen in der Metall- und Elektroindustrie, im Bau und im öffentlichen Dienst ergab sich eine weitere Anhebung um 16 Cent und damit ein Mindestlohn von 9,35 Euro für 2020.
Annahme des Vorschlags durch die Bundesregierung wahrscheinlich
Der Beschluss der Mindestlohnkommission, die sich aus je drei Vertretern von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sowie aus einem Vorsitzenden und zwei nicht stimmberechtigten Wissenschaftlern zusammensetzt, ist eine Empfehlung an die Bundesregierung, die die künftige Höhe des Mindestlohns noch per Verordnung umsetzen muss. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass die Regierung den Vorschlag übernimmt.
Grundsätzliche Bedenken gegen Mindestlohn inzwischen ausgeräumt
Der Mindestlohn war vor der Einführung von Seiten der Wirtschaft zum Teil stark kritisiert worden. Anlässlich der Bekanntgabe der neuen Erhöhungen resümierte Jan Zilius, Vorsitzender der Mindestlohnkommission, bisher seien vom Mindestlohn keine negativen Wirkungen auf Arbeits- und Lohnstückkosten, auf Produktivität und Unternehmensgewinne feststellbar; auch am Arbeitsmarkt seien negative Effekte ausgeblieben.
Gutes Ergebnis oder zu wenig?
Den aktuellen Beschluss lobten sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften. DGB-Vorstand und Kommissionsmitglied Stefan Körzell sprach von einem „Ergebnis, das sich sehen lassen kann“. BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter, der die Arbeitgeberseite in der Kommission vertritt, sagte, der Beschluss sei gelebte Sozialpartnerschaft.
Im Vorfeld des Beschlusses hatte das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor einer stärkeren Anhebung als auf 9,19 Euro gewarnt und auch FDP-Arbeitsmarktpolitiker Carl-Julius Cronenberg bezeichnete die zweite Erhöhung auf 9,35 Euro als schweren Fehler, durch den Eintrittsbarrieren in den Arbeitsmarkt errichtet würden. Aus Sicht des Paritätischen Wohlfahrtsverband dagegen ist der Kommissionsvorschlag „völlig unzureichend“; der Verband forderte eine Erhöhung auf 12,63 Euro. Für SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil ist die von der Mindestlohnkommission vorgeschlagene Erhöhung „eine richtige Steigerung“. Vergleicht man den deutschen Mindestlohn mit benachbarten EU-Ländern, sind auch die für 2020 geplanten 9,35 Euro niedrig. In Frankreich zum Beispiel liegt der Mindestlohn heute bereits bei 9,88 Euro, in den Niederlanden bei 9,68 Euro und in Belgien bei 9,47 Euro.
Kontrollen zur Einhaltung des Mindeslohns sollen verstärkt werden
Jan Zilius räumte ein, dass der Mindestlohn nach drei Jahren Geltung zwar in Deutschland angekommen sei, aber nicht überall eingehalten werde. Darin sind sich auch Gewerkschaften und Arbeitgeber einig, auch wenn sie von einer unterschiedlichen Anzahl der Verstöße ausgehen. Künftig sollen deshalb die Kontrollen zur Einhaltung des Gesetzes vor allem in bestimmten Branchen und Regionen verstärkt werden.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.