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Potenzial für Mitarbeiterbindung nicht ausgeschöpft

Das Potenzial der betrieblichen Altersversorgung (bAV) für die Gewinnung und Bindung von neuen Mitarbeitenden ist so hoch wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr: 37 Prozent haben sich wegen der bAV für ihren derzeitigen Arbeitgeber entschieden. Für 50 Prozent ist sie ein wichtiger Grund, bei ihrem jetzigen Unternehmen zu bleiben.

Doch haben Unternehmen verstanden, was sich ihre Mitarbeitenden wünschen? Hierzu wurde im Rahmen der Studie „Future of Pensions“ von WTW die Unternehmenssicht der Sicht der Mitarbeitenden auf die bAV gegenübergestellt. 

Ein wesentliches Ergebnis: Trotz eines hart umkämpften Arbeitsmarkts versteht erst ein Drittel der Unternehmen die bAV als wichtiges Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb für Arbeits- und Fachkräfte. Rund 60 Prozent der befragten Unternehmen bieten hingegen einfach eine branchenübliche bAV-Versorgung an, zehn Prozent erfüllen lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen. Dabei zeigt sich deutlich, dass die bAV aus Sicht der Beschäftigten ein entscheidender Faktor für die Arbeitgeberattraktivität ist. Denn die Generationen, die heute in den Arbeitsmarkt eintreten, wissen, dass sie sich um ihre Altersvorsorge selbst kümmern müssen, während die früheren Generationen noch gut durch die gesetzliche Rente versorgt sind. Rund die Hälfte der Mitarbeitenden (47 Prozent) sparen hauptsächlich mithilfe der bAV für den Ruhestand. Dazu passend bieten fast drei Viertel (knapp 70 Prozent) der befragten Unternehmen gemischt finanzierte bAV-Systeme an, in welche Beiträge nicht nur vom Arbeitgeber, sondern auch von den Mitarbeitenden selbst (über Entgeltumwandlung) einfließen.

Die hohe Attraktivität der bAV für Beschäftigte liegt nicht nur an der steuerlichen Begünstigung. Sie vertrauen ihrem Arbeitgeber in der Regel, ein qualitativ hochwertiges Vorsorgeangebot zu unterbreiten und dabei uneigennützig zu handeln, während bei der privaten Altersvorsorge die Anbieter dieses Grundvertrauen nicht immer genießen. Umso mehr erstaunt es, dass Unternehmen – obwohl die große Mehrheit über Schwierigkeiten bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung klagt – nicht noch stärker auf die bAV setzen, um neue Talente für sich zu gewinnen und sie auch zu binden.

Kapitalmarktorientierte bAV: Wertentwicklungschance und Inflationsschutz

Etwa drei Viertel der Unternehmen gaben an, in ihrem modernsten Pensionsplan ein kapitalmarktorientiertes Zinsmodell anzuwenden. Vor dem Hintergrund, dass 60 Prozent der Arbeitgeber nicht mehr bereit sind, das Zinsrisiko zu übernehmen, erstaunt dies nicht. Durch die Verwendung kapitalmarktorientierter Zinsmodelle werden Zinsrisiken – aber auch Renditechancen – auf Mitarbeitende übertragen. Das passt auch zu den Vorstellungen der Mitarbeitenden: 82 Prozent der Unternehmen schätzen den Stellenwert einer Kapitalmarktbindung aus Sicht der Mitarbeitenden als mindestens so wichtig ein.

Angesichts der aktuellen Inflation ist das ein wesentlicher Aspekt: 74 Prozent sagen, dass ein Pensionsplan Schutz gegen Inflation bieten sollte (Quelle: WTW Global Benefits Attitudes Survey). Kurz: Der Schlüssel zum Erfolg für eine zukunftsfähige und werthaltige bAV liegt in der direkten Kopplung der bAV an die Kapitalmärkte und in intelligenter Plangestaltung, sodass die Lösung sowohl für Mitarbeitende als auch für Unternehmen attraktiv ist.

Beitragsgarantien: immer häufiger unter 100 Prozent

Bislang wurde bei kapitalmarktorientierten bAV-Systemen meist mindestens die Höhe der eingezahlten Beiträge garantiert. Allerdings gilt: Je umfangreicher die Garantien, desto konservativer sind die Assetportfolien zu konzeptionieren. Im Niedrigzinsumfeld führte dies zu sehr geringen erwarteten Renditen. Versicherer haben deshalb seit einiger Zeit begonnen, Garantien auf unter 100 Prozent der Beiträge abzusenken, um weiterhin attraktive Renditen erwirtschaften zu können. Auch in modernen fondsbasierten Pensionsplänen finden sich immer häufiger Garantieniveaus unterhalb von 100 Prozent.

Die Möglichkeit, ein Garantieniveau unterhalb der Beitragssummen zu verankern, erweitert das Gestaltungsspektrum betrieblicher Altersversorgung signifikant. Dies eröffnet die Chance, neue Wachstumspfade für die bAV einzuschlagen, sei es auf Basis von neueren Lebensversicherungstarifen, in fondsbasierten Zusagen oder in der reinen Beitragszusage. Entscheidend hierbei ist, dass dem Wunsch der Arbeitnehmer nach einer sicheren Altersvorsorge nicht ausschließlich durch Garantien Rechnung getragen wird. Moderne Pensionspläne nutzen gezielt die Vorteile der bAV als kollektive Vorsorgeform. Durch intelligente Puffer- und Renditeverteilungskonzepte wird die Absicherung auf Einzelpersonenebene auch abseits „harter“ Garantien gewährleistet.

Wie sehen Mitarbeitende diesen Trend? Während im Jahr 2017 noch 78 Prozent von ihnen angegeben haben, dass ihnen Sicherheit wichtiger als Rendite sei, sind es jetzt 69 Prozent (Global Benefits Attitudes Survey, WTW). Die Unterschiede zwischen Anspruchsberechtigten und Unternehmen bezüglich des Rendite-Risiko-Verhältnisses werden also im Zeitverlauf kleiner, wie sich aus den Antworten entnehmen lässt. Arbeitgeber sollten trotzdem sehr sensibel mit diesem Thema umgehen und jegliche Änderungen durch Kommunikationsmaßnahmen eng begleiten. Insbesondere Puffer- und Renditeverteilungskonzepte dürften sich als erklärungsbedürftig erweisen.

Ein weiterer wichtiger Stellhebel für die attraktive Gestaltung der bAV ist Flexibilität bezüglich der Auszahlungsoptionen. Zwei Drittel (66 Prozent) der Unternehmen gaben an, einen weitgehenden Auszahlungsmix, bestehend aus Rente und Kapital oder Raten in ihrem modernsten Pensionsplan anzubieten. Damit sind Unternehmen auf dem richtigen Weg: Rund die Hälfte der  Arbeitnehmer wünscht sich mehr Flexibilität bei den Auszahlungsmöglichkeiten. Hier sind insbesondere intelligente Verrentungsmodelle gefragt, die bei einigen Unternehmen auch schon in die Tat umgesetzt worden sind.

Handlungsbedarf bei der bAV-Kommunikation

Was nützt das beste bAV-Angebot, wenn die Mitarbeitenden es nicht wahrnehmen oder aufgrund der oftmals hohen Komplexität nicht verstehen? Die Mehrheit der Unternehmen (71 Prozent) setzt bei der Kommunikation ihres bAV-Angebots auf klassische Kanäle wie Mails oder Print. Mit Blick auf die Zukunft gaben 34 Prozent der Unternehmen an, künftig auch auf Apps setzen zu wollen.

Demgegenüber steht die Sicht der Beschäftigten: Nur 25 Prozent der Befragten fühlen sich durch das Angebot ihres Unternehmens bei der Vorbereitung ihrer Rentenphase unterstützt – auch hier herrscht Handlungsbedarf. Hingegen fühlen sich unter den Mitarbeitenden, die regelmäßig Apps zur Verfolgung ihrer Altersversorgung nutzen, 84 Prozent gut unterstützt.

Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie auf eine onlinebasierte Kommunikation setzen, zum Beispiel via Apps. So ist das Potenzial der bAV sichtbarer und erlebbarer für die Mitarbeitenden, und sie werden über ihre Vorsorgeguthaben nicht nur einmal im Jahr per Kontoauszug informiert. Hinzu kommt der zunehmende Bedarf nach Financial Education, um insbesondere die hinter modernen, kapitalmarktbasierten Pensionsplänen stehenden Kapitalanlagekonzepte zu verstehen.

Dr. Johannes Heiniz
Senior Director Retirement
WTW
johannes.heiniz(*)wtwco(.)com
www.wtwco.com

Anne Becker
Senior Principal
Associate Director Retirement
anne.k.becker@wtwco.com
www.wtwco.com