Frau Löhmann, Sie rollen derzeit innerhalb der Axel Springer Gruppe ein neues Mitarbeiteraktienprogramm aus. Was gab den Anstoß für den neuen Plan?
Ruth Löhmann: Das neu aufgelegte Programm und seine Anlage sind letztlich eine logische Folge der digitalen Transformation des Geschäftsmodells, die Axel Springer vor etwa 15 Jahren eingeleitet hat. In diesen 15 Jahren hat sich intern bei uns vieles verändert. Mit dem neuen Aktienbeteiligungsprogramm schaffen wir ein Angebot auch für internationale Mitarbeiter, an der Wertentwicklung von Axel Springer aktiv teilzuhaben. Das stärkt nicht nur den Gedanken der Axel-Springer-Familie, sondern ist auch ein wichtiges Element der Vergütung. Wir beschäftigen heute Mitarbeiter mit anderen, stärker digitalen Qualifikationen, als wir es in der Vergangenheit noch als reiner Printverlag getan haben. Wir haben uns die Frage gestellt, ob unser Vergütungssystem mit seinem bisherigen Aktienprogramm, der variablen Vergütung und seiner Zielvergütung noch zeitgemäß ist und ob es den Bedürfnissen unserer jetzigen Mitarbeiter entspricht. Heute stärken wir von Corporate HR angesichts der zunehmenden Diversität den Corporate-Gedanken innerhalb der Gruppe mit ihren zahlreichen verschiedenartigen Gesellschaften.
Warum verabschieden Sie sich vom bisherigen Plan?
Ruth Löhmann: Das bisherige Aktienprogramm haben wir acht Jahre lang betrieben, doch inzwischen passt es nicht mehr zu unserer Struktur. Es waren nur Beschäftigte von Gesellschaften in Deutschland, die zu 100 Prozent zu Axel Springer gehören, für das Programm berechtigt, deren Vergütung eine Zielvereinbarung oder Erfolgsbeteiligung vorsah. Die internationalen Gesellschaften von Axel Springer konnten nicht teilnehmen. Berechtigte Mitarbeiter konnten ihren Bonus zu 50 Prozent oder zu 100 Prozent in Aktien umwandeln, wobei eine vierjährige Haltefrist galt. Heute zahlen wir die variable Vergütung und Erfolgsbeteiligung bar aus. Ein weiterer Nachteil lag in dem einmaligen Kauf an einem vorab festgelegten Tag.
Wie sieht das neue Aktienbeteiligungsprogramm aus?
Ruth Löhmann: Ein Grundsatz war von Anfang an, dass wir mit dem neuen Modell möglichst viele Mitarbeiter in der Axel-Springer-Familie erreichen wollen, auch außerhalb von Deutschland. Um den administrativen Aufwand in den einzelnen Ländern nicht zu groß werden zu lassen, verzichten wir auf spezifische Planversionen für die jeweiligen Länder, in denen wir vertreten sind, sondern rollen einen einheitlichen Plan aus. Derzeit testen wir den neuen Plan in allen hundertprozentigen Gesellschaften in Deutschland, Frankreich, Belgien und Großbritannien. Die Pilotphase läuft von Juli bis Dezember dieses Jahres. Im Juni konnten die Kollegen ihre Teilnahme am Aktienkauf anmelden, und ab Juli erfolgte die erste Aktienlieferung. Die Mitarbeiter können bis zu 20 Prozent ihres Grundgehalts in Aktien investieren. Dabei kann mit 50 Euro gestartet werden, ein Cap besteht allerdings bei 4.000 Euro pro Monat. Gemäß dem laufenden Pilotplan verpflichten sich die Mitarbeiter, einen Festbetrag sechs Monate lang in Unternehmensaktien zu investieren. Die Aktien werden am Ende des Monats erworben und durch eine Bank in das Mitarbeiterdepot gelegt. Am Ende des jeweiligen Teilnahmezeitraums erhalten die Mitarbeiteraktionäre einen Zuschuss in Höhe von 30 Prozent der Bruttoumwandlungssumme in Aktienform. Das wird beim neuen Plan erstmals im Dezember soweit sein. Auch verhilft das Unternehmen den Aktionären, den Steuerfreibetrag in Höhe von maximal 360 Euro pro Jahr zu nutzen. Nach der zunächst sechsmonatigen Investmentphase schließt sich eine zweijährige Haltefrist an. Wir planen, jährliche Tranchen aufzulegen, wobei wir bereits in der nächsten Tranche die Investmentphase auf ein Jahr erweitern werden.
Können Sie schon eine erste Bilanz des Pilotplans ziehen?
Ruth Löhmann: Wir sind bislang mit dem Ablauf und dem Feedback der Mitarbeiter sehr zufrieden. Insbesondere in unseren langjährigen Gesellschaften, die auch die Aktienkultur von Axel Springer bestens kennen, sind die Teilnahmequoten erfreulich hoch. In Großbritannien hatten wir beispielsweise eine hohe Beteiligung. Anders sieht es in Frankreich aus. Dort reagierten die Mitarbeiter auf unser Angebot noch zurückhaltend. Das hatte sicher auch mit der politischen Situation in Frankreich zu tun, denn im Sommer dachten die Menschen zuerst an die Präsidentschaftswahl, weniger an Aktienkäufe. Um den Prozess der Teilnahme für unsere internationalen Mitarbeiter attraktiver zu gestalten, planen wir die Einführung einer Trust-Solution.
Die Entwicklung der Aktienkultur ist wohl generell ein Hauptziel von Axel Springer mit dem neuen Plan.
Ruth Löhmann: Ja, die Aktienkultur ist ein Merkmal unserer Identität und zugleich ein Instrument der Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern im globalen War for Talents. Auch ist uns der Familiengedanke beim neuen Aktienbeteiligungsprogramm sehr wichtig, denn er fasst Mitarbeiter und Führungskräfte zusammen. Das Programm ist auch nicht nur ein symbolischer Incentive, sondern ein realer Vergütungsbaustein und damit ein großer Schritt nach vorne in der Aktienkultur. Das hat auch die Verhandlungen mit unseren Betriebsräten erleichtert, die dem Gedanken, dass jeder Mitarbeiter am Unternehmen teilhaben kann, zustimmten.
Aber macht Axel Springer mit dem Aktienbeteiligungsprogramm der eigenen betrieblichen Altersversorgung nicht Konkurrenz?
Ruth Löhmann: Das Aktienprogramm und die betriebliche Altersversorgung sind zwei unterschiedliche Vergütungselemente, die wir beide weiterentwickeln. Das neue Aktienprogramm bietet über ein Investment den Beschäftigten die Möglichkeit, an der Wertentwicklung der Axel Springer SE und ihrer Beteiligungen zu partizipieren. Die Teilnahme ist vollkommen freiwillig, so dass sich dieser Incentive nicht mit einer variablen Vergütung vergleichen lässt. Natürlich bieten wir auch bei der betrieblichen Altersversorgung eine Entgeltumwandlung an, denn die Altersvorsorge unserer Mitarbeiter ist uns gerade in der heutigen Zeit besonders wichtig. In diesem Jahr haben wir zwei neue Modelle der betrieblichen Altersversorgung aufgelegt, eines auf der Basis von Beiträgen in Höhe von bis zu 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze. Ein zweites Modell über eine kongruent rückgedeckte Versicherung richtet sich an Beschäftigte vor allem im mittleren Alter, die mehr für ihre Altersvorsorge tun wollen. Bei beiden Modellen erhalten die Mitarbeiter sehr attraktive Zuschüsse in Höhe von 10 bis 30 Prozent.
Welche Services bieten Sie den Mitarbeitern bei der Administration des neuen Aktienkaufplans?
Ruth Löhmann: Die Teilnehmer können ein Webportal für die Teilnahmeerklärung und die Kontoführung nutzen. Es steht in vier Sprachen zur Verfügung und lässt sich auch über mobile Geräte nutzen. Sämtliche Informationen stehen dem Mitarbeiter im Webportal zur Verfügung, von Teilnahmebedingungen, Konzernbetriebsvereinbarung und einem Video zur Planerläuterung bis hin zur aktuellen Übersicht der Aktien.
Das Interview führte Dr. Guido Birkner.