Risikoabsicherungen zählen zu den beliebtesten Benefits, die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern im Rahmen der Vergütung zukommen lassen. Das Schadensrisiko solcher betrieblichen Versicherungen trägt der Anbieter, der das Risiko wiederum auf einen Rückversicherer übertragen kann. Für global agierende Konzerne bietet es sich an, die Insured Benefits aller Ländergesellschaften in einem Pool zusammenfassen und die Risiken diversifizieren zu lassen. Das Beispiel des Softwarekonzerns SAP zeigt, wie sich Multinational Pooling organisieren lässt.
Über 74.000 Mitarbeiter beschäftigt SAP in rund 290 Tochtergesellschaften in über 180 Ländern. So dezentral die Gruppe weltweit aufgestellt zu sein scheint, so homogen ist sie in Sachen Vergütung strukturiert. So erhalten die Mitarbeiter in jedem Land, in dem der Softwareriese vertreten ist, ähnliche Core-Benefits. „Diese sind jeweils auf die lokalen Sozialversicherungssysteme abgestimmt“, berichtet Guido Hakenes, EMEA Benefits Program Manager bei SAP. Zu den Core-Benefits des Walldorfer Softwarekonzerns zählen:
• eine betriebliche Altersversorgung,
• eine betriebliche Gesundheitsversorgung sowie
• Risikoabsicherungen für den Todesfall, Berufsunfähigkeit und Unfall.
Zudem ergänzen viele lokale Konzerngesellschaften die Core-Benefits um zusätzliche Benefits, bei denen es sich zumeist nicht um Versicherungen handelt. Dazu gehören Leistungen in den Bereichen
• Mobilität,
• Familie/Work-Life-Management,
• Arbeitszeitkonten,
• freies Essen und Getränke,
• Zuschüsse zum Vermögensaufbau, zum Beispiel vermögenswirksame Leistungen in Deutschland.
Benefits stellen einen von insgesamt fünf Vergütungsbausteinen im SAP-Konzern dar. Die weiteren Elemente sind
• das Grundgehalt,
• Bonuszahlungen,
• Equity-Zahlungen bzw. Long-Term-Incentives und
• Recognition-Leistungen.
Die Risiken von poolingfähigen Versicherungslösungen lassen sich diversifizieren
SAP nutzt im Zusammenhang mit Benefits in Form von Versicherungsprodukten mit Risikoanteilen das Multinational Pooling. Dafür eignen sich sämtliche Risikoversicherungen, etwa Todesfallversicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherungen oder Unfallversicherungen. Auch Krankenversicherungen und Krankenzusatzversicherungen lassen sich über ein Pooling-Netzwerk managen.
„Multinational Pooling hilft international aufgestellten Unternehmen ab 500 Mitarbeitern, die in mindestens drei Ländern mit eigenen Gesellschaften vertreten sind“, erklärt Uli Kleber, Regional Manager bei Generali Employee Benefits Network (GEB). Demnach ermöglicht Pooling international aufgestellten Konzernen, ihre Insured Benefits lokal abzusichern und die Risiken, die in den Plänen der Konzerngesellschaften stecken, zu bündeln. „Das globale Accountteam des Pooling-Netzwerks koordiniert den Ablauf der lokalen Quotierungen. Hier bieten die lokalen Netzwerkpartner den jeweiligen Niederlassungen des internationalen Unternehmens auf lokaler Ebene betriebliche Risikoabsicherungen an“, erläutert Uli Kleber. „Anschließend werden diese lokalen Risiken über das Netzwerk rückversichert.“ Das Risiko geht dabei vom lokalen Versicherer auf das Pooling-Netzwerk über.
Dieser Transfer erlaubt es dem Netzwerk, das Risiko nicht nur rein lokal, sondern auch auf globaler Ebene zu betrachten und im Gegenzug vergünstigte Underwriting-Konditionen und Preise zu gewähren. Eine Alternative zur Rückversicherung ist für manche Pooling-Netzwerke ein Abrechnungstransfer. Dort verbleibt das Risiko für das Netzwerk immer auf lokaler Ebene, während eine virtuelle Abrechnung auf globaler Ebene erfolgt.
Durch Pooling greifen die lokale und die globale Ebene ineinander. „Die Konzerngesellschaften gewähren ihren lokalen Mitarbeitern lokale Benefits, die sie bei einem lokal zugelassenen Versicherer abgeschlossen haben“, differenziert Uli Kleber. Dabei muss sich jede Konzerngesellschaft mit der lokalen Steuergesetzgebung, der lokalen Sozialgesetzgebung und den üblichen Regelungen und Vorlieben des lokalen Arbeitsmarktes auseinandersetzen. Erst im Rahmen der Rückversicherung durch das Pooling-Netzwerk kommt die globale Ebene ins Spiel.
Grundsätzlich sind zwei Arten von Netzwerken am Markt vertreten: solche, die hauptsächlich mit eigenen Versicherern zusammenarbeiten, und solche, die zum größten Teil mit externen Partnern kooperieren. Auf globaler Ebene sind derzeit acht Pooling-Netzwerke aktiv.
Für Unternehmen, die ihre Insured Benefits in ein Multinational Pooling einbringen lassen, eröffnet die Diversifikation auf globaler Ebene vor allem drei Vorteile:
• Alle lokalen Gesellschaften des Kunden, egal ob groß oder klein, erfahren durch die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk einen Kundenservice.
• Durch das jährliche Reporting werden die Schadenentwicklung und die Resultate des Poolings für die Geschäftskunden transparent und kontrollierbar.
• Unternehmen profitieren bei der globalen Risikodiversifikation in Form einer zurückgezahlten internationalen Dividende, wenn sich ihre Verträge in der Summe nach Abzug von Schäden und Kosten positiv entwickeln.
Melonen und Kirschtomaten nicht in dieselbe Tüte packen
SAP setzt als global aufgestellter Konzern auf ein eigenes Pooling-Programm für seine Konzerngesellschaften, dem aber die beiden größten Länder USA und Deutschland nicht angehören. „Diese beiden Länder haben aufgrund ihrer hohen Mitarbeiterzahlen jeweils eigene Konditionen für ihre Insured Benefits ausgehandelt“, berichtet Guido Hakenes. „Über ein Pooling würden wir für die Gesellschaften in den USA und in Deutschland kaum zusätzliche finanzielle Effekte erzielen.“ Vielmehr würden so große Landesgesellschaften ein Ungleichgewicht innerhalb des Pools zu Lasten der kleineren Regionen verursachen. Entwickelt sich beispielsweise die Schadenquote für Deutschland schlecht, droht der gesamte Pool in eine Schieflage zu geraten. „Es ist riskant, Melonen und Kirschtomaten in eine Tüte zu packen“, spitzt Uli Kleber zu.
Auch ohne die USA und Deutschland haben die übrigen SAP-Gesellschaften eine ausreichende Größe, um die gewünschte Diversifikation für das Pooling darzustellen. Zwar entscheiden die lokalen Konzerngesellschaften jeweils selbständig über neue Vertragsabschlüsse bei Insured Benefits, doch seit 2010 hat SAP die Funktion eines globalen Brokers neu eingeführt. Guido Hakenes beschreibt dessen Rolle: „Er unterstützt die lokalen Gesellschaften bei lokalen Ausschreibungen und bei der Platzierung der gewählten Versicherungen in den Pooling-Netzwerken.“
Üblicherweise schreiben die SAP-Gesellschaften Versicherungen für Standardrisiken wie Todesfall oder Berufsunfähigkeit im zweijährlichen Turnus neu aus, Ausschreibungen für die bAV oder für Krankenversicherungen finden in deutlich größeren Zeitabständen statt. Uli Kleber beobachtet bei anderen Geschäftskunden sogar eine noch kürzere Zwölfmonatstaktung für den Abschluss neuer Verträge, verweist aber auf divergierende lokale Regelungen: „In manchen Ländern sind Dreijahresverträge üblich.“
Unabhängig davon, ob Verträge eine Laufzeit von einem Jahr oder drei Jahren haben, befinden sich die Pooling-Netzwerke in einem permanenten Wettbewerb. „Gemäß unserer Einkaufsrichtlinie sind wir dazu angehalten, regelmäßig die Preise und Services am Markt zu testen und pro Ausschreibung mindestens fünf Angebote lokaler Versicherungen einzuholen“, erklärt Guido Hakenes. Dabei sind die lokalen Partner der bei SAP genutzten Pooling-Netzwerke zu berücksichtigen. Diese fortlaufende Wettbewerbssituation stellt also auch die aktuellen Netzwerkpartner vor die Herausforderung, sich immer wieder mit ihren Angeboten gegen Mitbieter durchsetzen zu müssen. Derzeit kooperiert SAP weltweit mit drei Pooling-Netzwerken.
„Für die Entscheidung zugunsten eines Pooling-Netzwerks sind für uns die Kriterien Preis, Qualität und Service ausschlaggebend“, gewährt Guido Hakenes Einblick in das Auswahlverfahren. „Wenn wir einen Anbieter wechseln, müssen wir zudem die Kosten für das Change-Management einkalkulieren.“ Schließlich sind in diesem Fall die Mitarbeiter über geänderte Konditionen und Modalitäten zu informieren.
Schadenbilanz und Kostenstruktur werden transparent
Neben Preisvorteilen beim Versicherungskauf und Skaleneffekten, die sich in der Auszahlung internationaler Dividenden niederschlagen, profitieren Geschäftskunden vom Multinational Pooling durch das jährliche Reporting des Netzwerks und die hohe Transparenz der Kostenstruktur sowie der Schadenbilanz. „Bei SAP wertet der globale Broker das Reporting regelmäßig aus und untersucht die Ursachen für die Schadenentwicklung in einzelnen Ländern“, verdeutlicht Guido Hakenes. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob sich beispielsweise die Schadenbilanz wegen einmaliger Ereignisse verschlechtert hat oder ob sich das Schadenrisiko auf bestimmten Feldern oder lokal dauerhaft erhöht hat.
Auch schaut der globale Broker, wie sich die gesamte Dividende auf die drei aktuellen Netzwerkpartner verteilt, und spiegelt die Dividende so virtuell auf die einzelnen Konzerngesellschaften zurück. Dadurch wird transparent, welche Gesellschaft wie viel zur Finanzierung der globalen Steuerung beizutragen hat. Während der globale Broker auf lokaler Ebene beratend und unterstützend tätig ist, ist er auf internationaler Ebene für die globale Ausschreibung des globalen Poolings zuständig.
Eine weitere Schnittstelle unterhält der Broker zum globalen HR-Team der SAP, insbesondere zur Abteilung für Total Rewards, denn hier ist die globale Administration der Insured Benefits und des globalen Poolings angesiedelt. Für diesen Bereich bestand in der Vergangenheit der Hauptaufwand darin, das Management der Insured Benefits inklusive des Global Brokers aufzubauen und zu implementieren. „Am Anfang haben wir drei Jahre benötigt, um einen Global Broker auszuwählen und samt der Tools in der gesamten Gruppe einzuführen und um die interne Kommunikation zu organisieren“, fasst Guido Hakenes zusammen.
Ansteigende Nachfrage nach Multinational Pooling im Mittelstand erwartet
Derzeit sind die meisten DAX-Unternehmen beim Multi-national Pooling unterwegs, ebenso die Mehrheit der SMI-Konzerne in der Schweiz. Inzwischen führt auch der große Mittelstand Pooling-Programme ein. „In diesem Segment erwarten wir in den kommenden Jahren noch mehr Wachstum“, so Uli Kleber.
Dr. Guido Birkner,
verantwortlicher Redakteur Human Resources
FRANKFURT BUSINESS MEDIA – Der F.A.Z.-Fachverlag