Durch die Covid-19-Krise sind für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden ungewisse Zeiten angebrochen, und es gibt keinen Leitfaden aus der Vergangenheit, an dem man sich orientieren könnte. Mit Blick auf die Zukunft sehen sich einige Wirtschaftszweige mit schwierigen Geschäftsaussichten und hoher Unsicherheit konfrontiert.
Die HR-Experten stehen in solchen Zeiten besonders im Mittelpunkt. Ihre Aufgabe ist es, die Mitarbeitenden in der Krise zu unterstützen und gleichzeitig die richtigen Maßnahmen zum Kostenmanagement zu ergreifen, um auf die neuen Entwicklungen zu reagieren. Mercer führte daher im Juni/Juli 2020 eine Umfrage zum nachhaltigen Personalkostenmanagement in Europa (n = 232, alle Branchen, alle Unternehmensgrößen) durch.
53 Prozent der Befragten glauben, dass ihr Geschäft als direkte Folge der Pandemie zurückgehen wird. Doch nur 27 Prozent von ihnen haben sich bisher Ziele für die Senkung der Arbeitskosten gesetzt. Mit den folgenden Gründen lässt sich dies erklären:
- Viele Organisationen sind sich zwar der aktuellen Lage bewusst, doch sie haben Schwierigkeiten, die richtigen Maßnahmen abzuschätzen. Das Problem besteht darin, dass noch große Ungewissheit herrscht. Dies macht es für die Unternehmen schwierig, vorherzusagen, wie die Situation in naher Zukunft aussehen wird. Wahrscheinlich wollen sie auch nicht zu drastische Maßnahmen ergreifen, ohne absehen zu können, ob es eine V- oder L-förmige Erholung geben wird.
- Viele der befragten Unternehmen erhalten Unterstützung durch die Regierung oder Rettungsschirme. Auf die Frage „Hat Ihre Organisation angesichts der Auswirkungen der Krise bereits Ziele für die Senkung der Personalkosten festgelegt?“ antworteten 18 Prozent der Befragten, dass derzeit noch keine Maßnahmen ergriffen wurden, dass sie dies aber in naher Zukunft erwarten.
Im aktuellen Spannungsfeld ergreifen die Unternehmen unterschiedliche Maßnahmen zum Management ihrer Personalkosten, wie die Grafik oben zeigt. Mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen sieht die Einführung befristeter und/oder beschleunigter Maßnahmen zur Kosteneindämmung vor, wie zum Beispiel einen Einstellungsstopp, die Entlassung zeitlich befristeter oder externer Mitarbeiter, die obligatorische Nutzung von Urlaubs-/Zeitkonten oder die Nutzung staatlich geförderter Programme wie Kurzarbeit. Darüber hinaus hat fast die Hälfte der Befragten, die eine deutliche Verschlechterung der Geschäftsbedingungen erwarten, bereits weitergehende Maßnahmen ergriffen oder plant diese, etwa die Verschiebung von Zahlungen, die Reduzierung von Gehältern (48 Prozent) oder eine Reduktion von Benefits (38 Prozent).
Überraschenderweise haben weniger Unternehmen andere zeitlich befristete Maßnahmen wie die Nutzung von Talent Sharing oder freiwilligen unbezahlten Urlaub mit finanziellen Anreizen umgesetzt. Dazu würden zum Beispiel Anreize für Mitarbeiter zählen, unbezahlten Urlaub zu nehmen, indem sie anbieten, während des Urlaubs einen geringeren Anteil ihres Gehalts – beispielsweise 20 Prozent – zu zahlen.
Ein kleinerer Anteil zwischen 15 und 30 Prozent der Organisationen gab an, dass Maßnahmen wie Einzel- oder Massenentlassungen oder Programme zur freiwilligen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchgeführt wurden. Etwa ein Viertel der Befragten teilte mit, dass ihre Organisation Vorruhestandsprogramme eingeführt hat oder dies plant.
Bei den Entgeltkosten zeigte sich ein ähnlicher Trend. Zwischen 20 und 40 Prozent der Unternehmen konzentrierten sich auf vorübergehende Kostensenkungsmaßnahmen wie Gehaltskürzungen oder die Verzögerung von Leistungssteigerungen, die Reduzierung von Managergehältern oder Short Term Incentives (STI). 17 Prozent aller Befragten werden für einen bestimmten Zeitraum Gehaltssenkungen bei Mitarbeitenden einführen. Bei negativen Auswirkungen auf das Geschäft steigt dieser Anteil auf 25 Prozent.
In der Umfrage wurden europaweit auch die Maßnahmen zum Benefits-Management untersucht. Die befragten Organisationen haben hauptsächlich Änderungen zur Unterstützung der Gesundheit und des finanziellen Wohlergehens der Mitarbeiter umgesetzt. Maßnahmen zur Kostenreduzierung bei den Benefits konzentrierten sich tendenziell auf Änderungen, die leichter umzusetzen sind. Zwischen 12 und 40 Prozent der Befragten antworteten, dass ihre Organisation die Richtlinien für Firmenwagen (40 Prozent) oder andere Zulagenangebote (31 Prozent) überarbeitet hat oder plant, die Krankenversicherung (14 Prozent) oder Risikoversicherungsprogramme (11 Prozent) zu überdenken.
Zur Veranschaulichung dieser Maßnahmen werfen wir im Folgenden einen Blick auf ein Kundenprojekt von Mercer mit einem europäischen Industrieunternehmen, das wiederum Teil eines globalen Unternehmens ist. Die Problemstellung ist typisch für die derzeitige Situation in vielen Unternehmen. Die Organisation kämpft mit Herausforderungen bei der Profitabilität und Liquidität sowie mit unsicheren Umsatzprognosen.
Analyse: Gemeinsam mit dem Kunden wurden mehrere Szenarien analysiert, beispielsweise zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang Personalkosten eingespart werden können und welche Veränderungen damit verbunden sind, zum Beispiel eine Veränderung im Geschäftsmodell.
Untersuchung potenzieller Maßnahmen: Es wurden die Maßnahmen durchgeführt, die den Finanzprognosen, die in der ersten Phase erstellten wurden, am besten entsprechen. Dazu gehörte eine quantitative Bewertung. In diesem Fall wurden Maßnahmen empfohlen, die zu einer EBIT-Verbesserung von mehr als 20 Prozentpunkten führten. Es wurde zudem analysiert, welche Auswirkungen durch die Umsetzung dieser Maßnahmen entstehen. Des Weiteren wurde der erforderliche Prozess und die damit verbundenen Risiken überprüft, zum Beispiel in Bezug auf Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretern, Prozessrisiken oder das Risiko von Verzögerungen im Zeitplan. Mercer hat den Kunden auch zu Maßnahmen beraten, die ergriffen werden mussten, um sicherzustellen, dass Mitarbeiter mit entsprechendem Potenzial an das Unternehmen gebunden werden.
Umsetzung & Evaluierung: Die Umsetzung der Maßnahmen wird derzeit noch evaluiert.
Wie profitieren Organisationen von der Transformation?
In einem volatilen Umfeld besteht die größte Herausforderung für HR-Verantwortliche darin, einen Beitrag zu den Geschäftszielen des Unternehmens zu leisten und gleichzeitig durch die People-Agenda neue Impulse zu geben. Auf die Frage nach Themen, die infolge der Krise stärker in den Vordergrund rücken, legten über 75 Prozent der Befragten einen verstärkten Fokus darauf, die Organisation anpassungsfähiger zu machen, und zwar durch flexibles Arbeiten (95 Prozent), digitale Zusammenarbeit (87 Prozent) und agiles Arbeiten (75 Prozent).
Fazit
Während sich die Organisationen auf ihre Neuerfindung nach der Epidemie konzentrieren, stellen sie die Widerstandsfähigkeit in den Mittelpunkt. Die aktuelle Umfrage zeigt, dass die meisten Organisationen derzeit moderate Maßnahmen ergreifen, um die Krise zu überstehen. Viele Unternehmen werden auch nach alternativen Ansätzen zur Kostensenkung suchen und den Schwung für Veränderungen nutzen,
- um ihre Struktur zu modernisieren und den Personalbestand anzupassen, zum Beispiel durch eine schlankere Struktur mit breiterem Zugang zu einem Talentpool,
- um ein differenziertes Angebot zu machen, das sowohl Mitarbeiter mit dem Bedürfnis nach Sicherheit – einschließlich Einkommensvorhersagbarkeit – als auch solche anspricht, die Flexibilität und Autonomie suchen.
Thomas Bouchez
M&A and Org Transformation Leader Europe
Mercer
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Frieda Zimmermann
Managing Consultant im Bereich M&A and Org Transformation
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