In vielen Unternehmen ist das Angebot an Nebenleistungen und Benefits historisch gewachsen und spiegelt nicht ausreichend die Präferenzen der aktuellen Belegschaft und noch weniger die der Zielgruppen am Arbeitsmarkt wider. Häufig ist in dem intransparenten Wuchs entsprechender Angebote eine aktive Steuerung der Nebenleistungen nicht gegeben. Fehlende Transparenz über Kosten und Nutzen und unzureichende Vermarktung führen ebenfalls dazu, dass Nebenleistungen ihre Wirkung nicht vollumfänglich entfalten können, wenn nicht gar verfehlen.
Nun hat der technische Fortschritt erhebliche Auswirkungen auf das individuelle Arbeitsumfeld. New Work verändert die Präferenzen der Mitarbeiter. Mehr denn je liegen Leistungen im Bereich Gesundheit und Well-Being im Trend, während klassische Angebote wie Prämien zu Jubiläen in der Gunst der Mitarbeiter abnehmen. Die Digitalisierung sollte daher Anlass für Arbeitgeber sein, Nebenleistungen auf den Prüfstand zu stellen und deren ökonomische wie strategische Wirkung zu optimieren.
Konsequenzen von Digitalisierung und veränderten Mitarbeiterpräferenzen
Viele Organisationen haben sich Agilität auf die Fahne geschrieben. In der digitalen Welt wollen sie schneller und beweglicher werden. Das erfordert eine moderne Arbeitsumgebung und flexible Arbeitsmodelle auf der einen Seite. Auf der anderen Seite stehen der Wunsch nach Entschleunigung und die Vermeidung stressbedingter Fehlzeiten. Beides reflektiert sich in den Trendthemen von Arbeitgeberleistungen, die durch zahlreiche Marktvergleiche bestätigt werden: Flexibilität, Health, Work-Life-Balance und Well-Being liegen klar im Trend, unabhängig von der Branche. Dazu gehören zum Beispiel Sabbaticals, Gesundheitsseminare, die Vermittlung von Kitaplätzen oder Räumlichkeiten zur Entspannung.
Im Kontext der Digitalisierung lohnt ein Blick auf die New Economy. Erfolgreiche Start-ups bieten nicht nur frisches Obst im Hinblick auf die gesundheitliche Komponente, sondern stärken beispielsweise über gemeinsame Frühstücksevents oder Lunch & Learn-Formate den Teamgedanken und den interdisziplinären Austausch. Hier haben klassische Unternehmen häufig Nachholbedarf, könnten aber mit überschaubaren Mitteln viel erreichen, um bereichsübergreifende Zusammenarbeit, Kulturentwicklung und nicht zuletzt die Employee-Experience zu fördern.
Der Blick über den Tellerrand empfiehlt sich in jedem Fall. Denn Unternehmen fischen zunehmend in demselben Mitarbeiterteich, auch wenn sie in unterschiedlichen Branchen tätig sind. Ein gutes Beispiel dafür sind Positionen, in denen IT-Skills gefordert sind. Attraktive Nebenleistungen können in vielen Fällen ein geringeres Fixeinkommen mehr als wettmachen. Attraktiv in den Augen der Mitarbeiter sind beispielsweise moderne Arbeitsmittel, die auch privat genutzt werden dürfen. Die kostenlose Nutzung von Tablets und Smartphones wird häufig sehr geschätzt. Zudem fördert dieses Angebot die Nutzung von unternehmensinternen sozialen Netzwerken und zahlt auf Social Collaboration und damit auf eine wesentliche Komponente von Digitalisierungsstrategien ein.
Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen Unternehmen auch mit Mobilitätsleistungen wie Bahncards, ÖPNV-Tickets oder Fahrradleasing. Beliebt sind sie gerade bei jüngeren Mitarbeitern, und gleichzeitig sind sie positiv für die Ökobilanz des Unternehmens. Dagegen stoßen Leistungen im Rahmen von Jubiläen kaum noch auf positive Resonanz. Die Prämie für 25 Jahre Betriebszugehörigkeit lockt keinen Kandidaten mehr, auch unterläuft sie mittlerweile in vielen Unternehmen die strategischen Zielsetzungen in puncto Flexibilität und Zusammensetzung der Belegschaft.
Mit digitalen Formaten Mitarbeiterpräferenzen erfassen
Die Beispiele belegen: Eine ganzheitliche Überprüfung des Nebenleistungsportfolios unter Kosten- und Nutzengesichtspunkten macht in jedem Fall Sinn. Häufig wird aber gerade die Nutzendimension aus Mitarbeiter- und Strategieperspektive vollkommen vernachlässigt. Getreu dem Motto „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“ gilt es herauszufinden, welche Nebenleistungen Mitarbeiter wirklich wertschätzen und für welche Zielgruppen damit Arbeitgeberattraktivität und Bindung gesteigert werden können.
Klassische Befragungsmethoden bergen den Nachteil, dass sie als Wunschkonzert missverstanden werden und mitarbeiterseitig Erwartungen wecken, die letztlich nicht erfüllt werden können. Dagegen bieten digitale Formate den Vorteil, dass sie den Befragten nachvollziehbar vor Augen führen, wie die höhere Bewertung einer spezifischen Nebenleistung gleichzeitig andere Leistungen im Ranking nach unten rutschen lässt. Am Beispiel eines Präferenzdiamanten (Abbildung 2) lässt sich dies gut illustrieren. Das System erlaubt den Teilnehmern, ihre Präferenzen per Drag & Drop abzubilden. Über spielerische Iterationen priorisiert der Teilnehmer die unterschiedlichen Nebenleistungskategorien. Am Ende finden sich immer genauso viele Kategorien auf den vorderen Rangplätzen wie auf den hinteren.
Digitale Formate bieten gleichzeitig den Vorteil der besseren Auswertbarkeit und unterstützen Persona-Ansätze. So können Mitarbeiterpräferenzen beispielsweise nach demographischen Aspekten analysiert werden, um zielgruppengerechte Nebenleistungen anzubieten. Diese maßgeschneiderten Standardportfolios sind häufig attraktiver für die jeweilige Zielgruppe und einfacher zu administrieren als Cafeteriasysteme mit komplett freier Wahlmöglichkeit.
Optimierung und Steuerung von Nebenleistungsportfolios
Im Zuge der Optimierung und der Steuerung des Portfolios an Nebenleistungen haben Unternehmen mit folgenden Schritten sehr gute Erfahrungen gemacht:
- Benchmarking: Ein Marktvergleich liefert Erkenntnisse über die Qualität des eigenen Nebenleistungsportfolios und setzt erste Impulse für Innovation und Weiterentwicklung.
- Kostenanalyse: Eine qualifizierte Abschätzung von Kosten und Ressourcen inklusive Prozesskosten sowie der Inanspruchnahme der im eigenen Hause angebotenen Nebenleistungen gibt weitere Hinweise auf Optimierungspotenzial.
- Nutzenanalyse: Eine Analyse angebotener und potenzieller Nebenleistungen im Hinblick auf Mitarbeiterpräferenzen und strategische Passung liefert die erfolgskritische Nutzenperspektive für die Optimierung.
- Portfoliooptimierung: Anhand einer anschaulichen Kosten-Nutzen-Matrix kann eine strukturierte Portfoliodiskussion – nicht digital, sondern analog – stattfinden. In diesem Zusammenhang kann das Nebenleistungsportfolio wirksam und zielgenau optimiert werden.
Optimierungsmaßnahmen umfassen die Neuaufnahme innovativer Nebenleistungen und das Aussortieren von teuren Ladenhütern – mit intelligentem Budgeteinsatz, ohne weitere und vor allem überflüssige Kosten zu verursachen. Auch die Optimierung bestehender Leistungen – zum Beispiel über eine gezieltere Vermarktung oder über verbesserte Employee-Experience durch Digitalisierung – wird durch die Portfoliodiskussion ausgelöst.
Fazit
Nebenleistungen haben eine erhebliche Auswirkung auf die Attraktivität eines Arbeitgebers. Ehrlich analysiert und strategisch optimiert, bieten sie Spielraum für eine effiziente, aber auch effektive Positionierung im Arbeitsmarkt. Gerade für traditionelle mittelständische Unternehmen, aber auch für viele Konzerne kann ein Portfolio mit attraktiven Nebenleistungen und Benefits zum differenzierenden Merkmal werden, ohne dass sich dadurch der finanzielle wie administrative Aufwand erhöht. Es braucht allerdings den Mut, vermeintlich oder tatsächlich liebgewonnene Traditionen auf den Prüfstand zu stellen.
Gleichzeitig sollten Nebenleistungen nicht nur extern, sondern auch intern professionell kommuniziert werden. Häufig sind Angebote vielen Mitarbeitern nicht bekannt, oder ein Gewöhnungseffekt tritt ein, so dass Leistungen gar nicht mehr als solche wahrgenommen werden. Gerade hier lässt sich viel von der New Economy lernen. Und am Ende strahlen alle: die Mitarbeiter, die Arbeitgebermarke – und sogar der CFO!
Dr. Stephan Schmid,
Partner,
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