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Neue Vergütungsberichte treffen auf Zustimmung

In der diesjährigen Hauptversammlungssaison haben Unternehmen erstmalig ihren Vergütungsbericht und in den vergangenen beiden Jahren ihr Vergütungssystem auf der Hauptversammlung zur Abstimmung gestellt. Diese ist bis auf wenige Ausnahmen positiv verlaufen. Die Zustimmungsrate zu den Vergütungssystemen lag bei DAX-Konzernen im Durchschnitt bei 89 Prozent.

Die wesentlichen Änderungen an den Vergütungssystemen waren unter anderem

  • der Einführung von ESG-Kriterien in der variablen Vergütung,
  • der Einführung beziehungsweise Ausweitung von Clawback- und Malus-Regelungen,
  • der Einführung von Aktienbesitzrichtlinien sowie
  • die Festlegung einer Maximalvergütung nach
  • § 87a AktG.

Mittlerweile haben beinahe alle DAX-40-Unternehmen die ESG-Kriterien entweder in ihrem Bonussystem (80 Prozent) und/oder in ihrer langfristigen variablen Vergütung (45 Prozent) verankert. Die ESG-Kriterien werden in den Bonussystemen hauptsächlich im Rahmen eines Bündels weiterer nicht finanzieller Ziele oder im Rahmen eines individuellen Leistungsmodifiers berücksichtigt. Eine andere Möglichkeit ist die Verankerung als eigenständiges Ziel, etwa im Bonussystem (bei knapp 20 Prozent oder im Long Term Incentive bei 35 Prozent der DAX-Unternehmen). Die Verwendung von Aktienbesitzrichtlinien gehört seit letztem Jahr zum guten Ton und wird von knapp 80 Prozent vorgesehen. Ein weiterer Trend ist die Abkehr von den bislang leistungs- oder beitragsorientierten Pensionsregelungen hin zur Gewährung von Versorgungsentgelten für Vorstände.

Da die Unternehmen 2022 nicht wiederum ein neues Vergütungssystem einführen und die Hauptversammlung darüber abstimmen lassen, wurden in diesem Jahr nur feinere Adjustierungen eingearbeitet, die im Rahmen der verabschiedeten Systeme möglich sind. Dies sind vor allem kleinere Anpassungen an den Zielgrößen, die der variablen Vergütung zugrunde liegen, sowie deren Kalibrierung. Vor allem die Berücksichtigung der ESG-Kriterien wird weiter vorangetrieben und gegebenenfalls differenzierter im Rahmen des verabschiedeten Systems ausgestaltet.

Vergütungshöhen und wirtschaftliche Erholung

Spannend ist die Frage, wie sich die Vergütung im DAX mit der Ausweitung des Index auf nun 40 Unternehmen geändert hat. Marginal geändert hat sich die Vergütungsstruktur: Im Vergleich zum alten DAX 30 stieg der Anteil der langfristig variablen Vergütung von 39 auf 42 Prozent der Zieldirektvergütung.

Deutliche Änderungen ergeben sich allerdings in den Zieldirektvergütungshöhen. So ist mit der Ausweitung des DAX der Median der Zieldirektvergütung des Vorstandsvorsitzes im Vergleich zu 2020 um etwa sechs Prozent auf 5,3 Mio. Euro für das Vergütungsjahr 2021 zurückgegangen. Ganz losgelöst von der Ausweitung des DAX schlägt sich die Erholung der Wirtschaft im Jahr 2021 in einem deutlichen Anstieg der Bonusauszahlungen nieder und führt zu einem Anstieg der ausbezahlten Direktvergütung für den Vorstandsvorsitz um rund 17 Prozent.

Die im § 87a AktG festgelegten Maximalvergütungshöhen sind weitestgehend stabil geblieben und betragen im Durchschnitt für den Vorstandsvorsitz in DAX-40-Unternehmen 11,5 Mio. Euro und für das ordentliche Vorstandsmitglied sieben Mio. Euro.

Mehr Informationen, aber nicht mehr Vergleichbarkeit

In der aktuell laufenden Hauptversammlungssaison werden die veröffentlichten Vergütungsberichte den Aktionären zur konsultativen Abstimmung vorgelegt. Die Vorbereitung war aus dreierlei Gründen für viele ­Verantwortliche arbeitsintensiv. Neben dem eigent­lichen ­Schreiben des Berichts galt es,

  • sich zunächst in den möglichen Interpretationsspielräumen der neuen regulatorischen Anforderungen zurechtzufinden,
  • anschließend den gewählten Weg mit den Gremien und Wirtschaftsprüfern zu diskutieren und
  • schlussendlich den Investoren vor der Hauptversammlung die Vergütung für das Jahr 2021 zu erläutern und sich vorab mit kritischen Fragestellungen auseinanderzusetzen.

Interpretationsspielraum gab es allen voran zu zwei Themen: Was ist unter der Vergütung „gewährt und geschuldet“ zu verstehen, und wie ist die Tabelle zur vergleichenden Darstellung der jährlichen Veränderung der Vergütung, der Ertragsentwicklung der Gesellschaft sowie der durchschnittlichen Vergütung von Arbeitnehmern am besten umzusetzen? Der Spagat zwischen einer investorengerechten Kommunikation und einer engen rechtlichen Auslegung war groß.

Insbesondere die unglückliche Einführung einer neuen Bedeutung des Begriffs „gewährte“ Vergütung durch den Gesetzgeber im Zusammenspiel mit dem Wegfall der bislang vom Deutschen Corporate Governance Kodex empfohlenen Mustertabellen hat zu einer unterschiedlichen Art der Berichterstattung geführt. Eine Auswertung der DAX-Vergütungsberichte zeigt, dass etwa ein Drittel der Unternehmen der Auslegung des Begriffs „gewährte“ Vergütung im Sinne des Zuflussprinzips folgen. Das bedeutet: Im Bericht zum Vergütungsjahr 2021 werden die Bonuszahlungen als gewährt angegeben, die 2021 für den im Vergütungsjahr 2020 erdienten Bonus gezahlt wurden. Der erdienungsorientierten Auslegung folgen hingegen etwa zwei Drittel der Unternehmen und weisen somit im Vergütungsbericht 2021 den im Jahr 2021 erdienten Bonus als gewährte Vergütung aus. Glücklicherweise stellen die DAX-Unternehmen, die der zuflussorientierten Auslegung folgen, dies in zusätzlichen Tabellen dar, sodass aus Investorensicht alle relevanten Informationen vorhanden sind.

Der Fünfjahresvergleich

Einige der Unterschiede in der vergleichenden Darstellung sind offensichtlich. Während circa drei Viertel der DAX-Unternehmen den Fünfjahresvergleich erst über die kommenden Jahre vollständig aufbauen, haben die anderen bereits einen Vergleich über den gesamten Fünfjahreszeitraum offengelegt. Ein weiterer Unterschied besteht in der Darstellung der jährlichen Veränderung: Die Mehrheit gibt sowohl die absoluten Beträge als auch eine prozentuale Abweichung an, während rund ein Viertel der Unternehmen nur die prozentuale Abweichung darstellt. Die Unterschiede gehen jedoch weit über diese Darstellungsfragen hinaus. So werden diverse Ansätze gewählt, um die durchschnittliche Vergütung der Arbeitnehmer zu ermitteln oder deren Kreis zu definieren. Und auch die Ertragslage wird naturgemäß entlang unterschiedlicher Kenngrößen abgebildet.

Zu einem Mehr an Vergleichbarkeit hat die neue Berichterstattung bislang nicht geführt. Zu einem Mehr an Informationen zum Thema Zielerreichung, allerdings schon. Insbesondere zur Erreichung der nicht finanziellen Ziele ist die Berichterstattung einen großen Schritt nach vorne gegangen, sodass die geforderte Verknüpfung zwischen Pay und Performance nachvollzogen werden kann.

Erste Abstimmungsergebnisse überwiegend positiv

Den Investoren scheint es egal zu sein, welchen Weg die Unternehmen in der Offenlegung gewählt haben. Ob der Vergütungsbericht 15 oder gar 50 Seiten umfasst, beeinflusst das Abstimmungsergebnis nicht. Das durchschnittliche Abstimmungsergebnis zum Vergütungsbericht liegt zum Stand der Auswertung (17. Mai 2022) unter den DAX-Unternehmen bei 81 Prozent. Allerdings haben bereits zwei Vergütungsberichte nicht die Zustimmung der Aktionäre erhalten.

Die Berichterstattung selbst wurde lediglich im Fall einer fehlenden Ex-post-Offenlegung der individuellen Ziele oder der fehlenden Offenlegung zu Zielkalibrierungen im Long Term Incentive kritisiert. Die wesentliche Kritik ist systembegründet: Zahlungen von Sonderboni, hohe Antrittsprämien, zu wenig ambitionierte Zielsetzungen, deutliche Erhöhungen der Grundvergütung ohne Nennung relevanter Gründe, Bereinigungen der Zielerreichung um Einmaleffekte und mangelnde Pay-for-Performance-Ausrichtung. Ein anderer häufiger Kritikpunkt sind vermeintlich zu hohe Altersversorgungsbeiträge, die allerdings eher in der Natur der Ermittlung und Offenlegung von Dienstzeitaufwänden begründet liegen.

Fazit

Solange das Vergütungssystem zu nachvollziehbaren und angemessenen Auszahlungshöhen führt, ein Zusammenhang zwischen Vergütungshöhen und Unternehmensperformance besteht und wenig der diskretionäre Spielraum genutzt wird, scheinen die Details der Offenlegung vernachlässigbar. Dies verwundert kaum, denn Investoren und Stimmrechtsberater müssen sich schnell und entlang vorgegebener Kriterien ein Bild machen. Daher gilt vermutlich umso mehr: Einfach und nachvollziehbar müssen sowohl das System als auch der Bericht sein.

Stephanie Schmelter,
Director Executive Compensation & Board Advisory,
WTW, Frankfurt am Main
stephanie.schmelter(*)willistowerswatson(.)com
www.wtwco.de