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New Work = New Pay?

Spricht man heutzutage von den Veränderungen in der Arbeitswelt, fällt häufig der Begriff „VUCA“, um die aktuelle Entwicklung zu beschreiben. VUCA steht dabei für Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit). Was auf den ersten Blick fast bedrohlich klingt, birgt für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden auch Chancen. Unter dem weiteren Schlagwort „New Work“ hat sich beispielsweise ein Ansatz herausgebildet, der versucht, genau diese Chancen aufzugreifen.

Der Begriff „New Work“ geht ursprünglich auf Frithjof Bergmann (2017) zurück. Er versteht darunter, dass Menschen bei ihrer Arbeit sowohl Entscheidungs- als auch Handlungsfreiheit haben und Selbständigkeit, Freiheit und gemeinschaftliche Teilhabe mit anderen im Fokus des neuen Berufs- und Organisationsbilds stehen sollten. Zur Umsetzung von New Work werden häufig fünf Wege genannt (o. V., 2018a). Auch wenn man dem Bergmannschen New-Work-Ideal nicht in allen Facetten folgen muss und in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Organisationen wahrscheinlich auch weiterhin primär funktional, divisional oder als Matrix aufgebaut sein werden, wird sich gleichzeitig die Arbeitswelt sukzessive verändern.

Es wird eine organisationale Ambidextrie herrschen, das heißt die gleichzeitige Existenz von traditionellen, auf Effizienz ausgerichteten Organisationseinheiten und agilen, auf Innovation fokussierten Bereichen. Viele traditionelle Unternehmen werden sich aufteilen, und aus Tankern werden der häufig zitierte „Flottenverband an Schnellboten“. Gleichzeitig wird sich auch die Anzahl der an New Work angelehnten Arbeitsweisen und agilen Organisationen bzw. Teilbereichen von Organisationen mit flexiblen Strukturen sukzessive erhöhen. Agile Unternehmen und Unternehmensbereiche werden dabei vor dem Hintergrund einer unsicheren und dynamischen Zukunft mit der Fähigkeit skizziert, sich schnell und effektiv an diese veränderten Umstände anzupassen (Alberts und Hayes, 2003). Agilität beschreibt somit ein allgemeines Mindset einer Organisation. Als typische Beispiele werden häufig Unter- oder Nebenformen agiler Organisationen, wie Schwarmorganisationen, holokratische Systeme oder Scrum-Teams genannt, denen allen ein hohes Maß an Flexibilität in ihrer Zusammensetzung sowie Eigenständigkeit und Eigenverantwortung in ihrer Zusammenarbeit gemeinsam ist.

Die erste Frage, die sich stellt, ist, ob sich hierdurch die Bedeutung der Mitarbeitenden für das Unternehmen ändert. Die Antwort ist intuitiv einfach mit „Nein“ zu beantworten. Der Wert einer Funktion ergibt sich nicht nur aus der konkreten temporären Aufgabe, die sich permanent ändert, sondern auch aus den Kompetenzen, Kenntnissen und dem Einfluss, welche die Funktionsinhaber:innen für verschiedene Positionen mitbringen müssen. So ist es für die Wertigkeit einer Funktion in der agilen Organisation nicht entscheidend, ob sie gerade ein Projekt mit hohem Euro-Volumen steuert oder nur einen Teilaspekt innerhalb des Projekts entwickelt.

Die zweite und daraus folgende Frage lautet, wie Mitarbeitende in solchen sich ständig ändernden Arbeitswelten vergütet werden. Erhalten sie in agilen Organisationen zukünftig eine Einheitsvergütung? Oder werden sie nach Seniorität bzw. in Abhängigkeit von ihrer ausgeübten Rolle bzw. ihrer Kompetenzen vergütet?

Kompetenzen, Kenntnisse und Einfluss

Vereinfacht dargestellt, setzen sich agile Organisationseinheiten aus wechselnden Teams zusammen, die über die zur Projekterfüllung notwendigen Kompetenzen und Kenntnisse verfügen.

Die zur Umsetzung der Projekte notwendigen Kompetenzen und Kenntnisse und der sich daraus ergebende Einfluss einer Funktion sollten marktgerecht bewertet und fix vergütet werden. Die Erfüllung der drei Faktoren kann regelmäßig, zum Beispiel jährlich, überprüft und bei der Festlegung der Grundvergütungsentscheidung berücksichtigt werden. Die Anforderungen an Kompetenzen, Kenntnisse und Einfluss sind in der Regel relativ zeitstabil bzw. erhöhen sich eher langsam, wodurch die Vergütungen in den meisten Fällen kontinuierlich steigend angehoben werden. Neben der individuellen Festlegung der Grundvergütung kann der gemeinschaftliche Erfolg zur Stärkung des Teamgedankens auf Basis einer Erfolgsbeteiligung abgebildet werden, die als jährlicher Bonus den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und Bereichs widerspiegelt.

Gemeinschaftliche Teilhabe und Unternehmertum

Dem New-Work-Gedanken zur gemeinschaftlichen Teilhabe folgend, sollte bei der variablen Vergütung in Erwägung gezogen werden, sie zum Teil über Eigenkapitalinstrumente zu bedienen, wie zum Beispiel über zeitbedingte Aktienüberlassungen (Restricted Stocks). Hierbei kann der Blick „über den großen Teich“ hilfreiche Impulse liefern. Viele nordamerikanische Unternehmen in disruptiven Industrien setzen bereits auf alternative Vergütungssysteme, die neben einer marktgerechten Grundvergütung primär auf langfristige Verhaltensanreize setzen, die Mitarbeitende am Unternehmen beteiligen und sie somit zu Unternehmer:innen machen. Ein Beispiel dafür ist Amazon. Um seine Mitarbeitenden am Unternehmen zu beteiligen, zu binden und langfristig auf die strategischen Herausforderungen einzustellen, gewährt Amazon jedem Mitarbeitenden weltweit – unabhängig vom Hierarchielevel – neben einer Grundvergütung auch Restricted Stocks, die ratierlich im Halbjahreszyklus unverfallbar übertragen werden (o. V. 2018b).

Eine detaillierte Zielvorgabe ist bei diesen Eigenkapitalinstrumenten nicht notwendig, und trotzdem werden die Ziele der Mitarbeitenden indirekt auf die strategischen Zielsetzungen des Unternehmens ausgerichtet. Dies nimmt den Druck von der immer schwieriger zu erfüllenden Anforderung, individuelle Ziele in Bonussystemen passgenau und möglichst langfristig und vorausschauend zu planen. Dabei kann – ohne Verlust einer auf die Unternehmensinteressen fokussierten Belegschaft – ein Wechsel vom klassischen Management by Objectives zu Objectives and Key Results (OKR) erfolgen, durch den nicht mehr in aufwendigen Prozessen jährliche Ziele definiert, gemessen und am Jahresende mit den Mitarbeitenden besprochen und mit dem Bonus verknüpft werden. Stattdessen werden bei den unter anderem durch Google genutzten und bekannt gemachten OKR eher allgemeinere Ziele (Objectives) in kürzeren Fristen (zum Beispiel vierteljährlich mit wöchentlichen Zwischenfeedbacks) transparent im Unternehmen definiert und dokumentiert und ihre Erreichung (Results) gemessen und zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden besprochen. Daraus folgende Konsequenzen können monetärer (zum Beispiel Vergütungsanpassungen) oder nicht-monetärer Art (zum Beispiel Personalentwicklungsmaßnahmen) sein. 

Fazit und Ausblick

Auch wenn traditionelle Organisationsformen mittel- bis langfristig weiterhin Bestand haben werden, verbreiten sich in Zukunft neue flexible Arbeits- und Organisationsformen schnell und umfangreich. Die Wirtschaft wird dadurch schneller und komplexer, wobei die Antwort nicht in komplexeren HR-Systemen bestehen sollte. Bezogen auf die Vergütung, geht es zwar auch weiterhin darum, den individuellen Beitrag sowie die Kompetenzen und Kenntnisse jedes Mitarbeitenden zu honorieren, aber insbesondere auch die Gemeinschaft in den Vordergrund zu stellen. Somit sollte neben einer individuell gerechten und kompetenz-, kenntnis- und einflussbasierten Grundvergütung in Kombination mit einer individuellen Weiterentwicklung der Mitarbeitenden die variable Vergütung primär auf den gemeinschaftlichen Erfolg im Unternehmen, Unternehmensbereich und/oder Team abstellen. Den Gedanken vieler US-Tech-Firmen und Start-ups aufgreifend, etwas gemeinsam aufzubauen und die Mitarbeitenden zu Mitunternehmer:innen zu machen, bieten sich insbesondere eigenkapitalbasierte Vergütungsinstrumente an (zum Beispiel in Form von Aktien oder stillen Beteiligungen).

Marko Buchheim
Vergütungsexperte
Mercer
marko.buchheim(*)mercer(.)com
www.mercer.de

Dr. Björn Hinderlich
Mitglied des Rewards Leadership Teams Central & Eastern Europe, Career und Workforce Solutions
bjoern.hinderlich(*)mercer(.)com
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