Der Technologiekonzern Bosch ist im Jahr 2002 mit dem ersten Pensionsfonds eines Industrieunternehmens in Deutschland gestartet. Die beiden Vorstände des Bosch Pensionsfonds, Dirk Jargstorff und Christian Zeidler, schauen auf die vergangenen zwei Jahrzehnte zurück und blicken auf die weitere Entwicklung.
COMP & BEN: Herr Jargstorff, Herr Zeidler, Bosch feierte 2022 das 20. Jubiläum des eigenen Pensionsfonds. Was ist aus Ihrer Sicht in den beiden zurückliegenden Jahrzehnten besonders gut gelungen?
Dirk Jargstorff: Im Jahr 2002 hat Bosch nicht nur einen ersten Pensionsfonds in Deutschland gegründet, sondern das Vehikel ist immer zusammen mit der Beitragszusage mit Mindestleistung, der BZML, zu nennen. Das sahen unsere Vorgänger als gute Möglichkeit an, die betriebliche Altersversorgung im Konzern nachhaltig aufzustellen. 2006 kamen dann die Arbeitgeberbeiträge dazu. Davor hatten wir wie viele andere Unternehmen eine Garantieleistung in Höhe von sechs Prozent. Das Ziel war damals, dass die bislang garantierten sechs Prozent künftig aus dem Kapitalmarkt kommen sollten. Das haben wir auch erreicht, doch die Herausforderung war groß. Dieser Systemwechsel führte zu bilanziellen Entlastungen. Zugleich durchlebte der Bosch Pensionsfonds alle Krisen, die man seit dem Jahrtausendwechsel nur haben konnte: die Krise des Neuen Marktes, die Finanzkrise, die Eurokrise, die Corona-Pandemie. Doch unser Pensionsfonds hat sich in all diesen Jahren mit seiner Kapitalanlage bewährt. Wir mussten zu keinem Zeitpunkt kritisch auf die Risikotragfähigkeit blicken. Wir waren nicht nur mit der Gründung des ersten Pensionsfonds Innovationstreiber, sondern blieben es fortwährend auch auf anderen Feldern. 2016 haben wir mit der Fondsrente unser bisheriges Meisterstück abgeliefert. Damit können wir das angelegte Kapital noch deutlich attraktiver verrenten, als uns das zuvor möglich gewesen war.
COMP & BEN: Welche durchschnittliche Rendite hat die Kapitalanlage des Bosch Pensionsfonds in den zurückliegenden 20 Jahren erzielt?
Christian Zeidler: Exemplarisch kann ich eine Verzinsung von fünf bis sechs Prozent nennen, die wir über mehrere Jahre gesehen haben. Natürlich haben wir in diesem Zeitraum immer wieder auch Ausschläge nach oben und nach unten erlebt. So haben wir in manchem Jahr auch eine Verzinsung im zweistelligen Prozentbereich verzeichnet. Unter dem Strich ist der Bosch Pensionsfonds für die Beschäftigten eine sehr attraktive Kapitalanlage.
COMP & BEN: Wie viel Überzeugungsarbeit mussten Sie 2006 in der Belegschaft, im Betriebsrat und bei den Tarifpartnern leisten, als Bosch die Umstellung von sechs Prozent Garantiezins auf die Rendite des Kapitalmarktes durchgeführt hat?
Dirk Jargstorff: Um in der bAV Innovationen voranzubringen, ist eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten ein wichtiger Erfolgsfaktor. Dazu zählt vor allem ein permanenter und enger Austausch mit den Vertretern der Beschäftigten. Natürlich hat dabei geholfen, dass unser Verhältnis schon immer auf einer guten Vertrauensbasis stand. Vor der Weitsicht, die 2006 auch auf der Arbeitnehmerseite bestand, kann man heute nur den Hut ziehen. Sicherlich erforderte eine Einigung damals auch eine Reihe von Kompromisslösungen für die Übergangszeit. So liefen damals Garantien mit den entsprechenden Befristungen weiter, um einen Übergang von der alten in die neue bAV-Welt zu gewährleisten.
COMP & BEN: Wie gut funktioniert die Kooperation zwischen der Liabilities- und Anlagenseite bei Bosch?
Dirk Jargstorff: Zum einen ist hier die enge Zusammenarbeit von CEO und CFO im Bosch Pensionsfonds wichtig, also der Schulterschluss zwischen Christian Zeidler und mir. Gemeinsam führen wir alle zwei Jahre eine neue Asset Liability Management (ALM)-Studie durch, je nach Entwicklung an den Kapitalmärkten auch in einer kürzeren Taktung. Dabei gehen wir immer erst an die A-Seite heran, nachdem wir uns genau die L-Seite angeschaut haben. Wichtige Kriterien sind dabei die Fragen, ob wir ausreichende Puffer in der Risikotragfähigkeit haben und ob wir gut in den Szenarien für die Entwicklung der Zukunft aufgestellt sind. Das funktioniert nur gemeinsam. Deshalb haben wir hier ein aufeinander ausgerichtetes, getaktetes Vorgehen.
COMP & BEN: Im Jahr 2015 hat Bosch mit der sogenannten „Lex Bosch“ beim Gesetzgeber durchsetzen können, auch in der BZML nicht nur versicherungsförmige Leistungen gewähren zu dürfen. Wie wichtig war dieser Entscheid für den weiteren Erfolg des Bosch Pensionsfonds?
Dirk Jargstorff: Das war für uns sehr wichtig, weil die bis dato geltende Konstruktion des Pensionsfonds nur eine versicherungsförmige Verrentung zuließ. Bis zu diesem Datum durften wir für Startrenten nur den jeweils geltenden gesetzlichen Höchstrechnungszins anwenden, und der ist im Laufe der Jahre deutlich abgeschmolzen. In der Folge sind die Startrenten bei Bosch immer weiter gesunken. Aus dieser Entwicklung immer weiter sinkender Startrenten wollten wir ausbrechen. Wir haben lange mit dem Gesetzgeber gerungen, um eine passende Lösung zu finden. Die Fondsrente eröffnet uns die Möglichkeit, ausgehend von einer Kapitalanlagestrategie und erwarteten Renditen, die entsprechenden Zinsen für die Bewertung und die Verrentung abzuleiten. Entscheidend war dabei für uns, die passende Kapitalanlagestrategie mit den benötigten Puffern selbst festlegen zu dürfen. So konnten und können wir Startrenten konstruieren, deren Ausfinanzierung wir uns zutrauen, und die wollen wir auch weiterentwickeln. Dieses Modell des Bosch Pensionsfonds hat später immer mehr Aufmerksamkeit erhalten und wurde die Blaupause für das Sozialpartnermodell im Rahmen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes. Die Zielrente funktioniert im Prinzip nach den gleichen Kriterien wie unsere Fondsrente. Dass dieser ganze Vorgang den Namen „Lex Bosch“ trägt, ist der Tatsache geschuldet, dass wir uns damals für eine Neuregelung stark gemacht hatten.
COMP & BEN: Können Sie abschätzen, welche Wirkung diese Regelung für Pensionsfonds und die BZML über Bosch hinaus hatte?
Dirk Jargstorff: Für uns bei Bosch ist die BZML vollkommen systemimmanent. Sie ist für uns die sachgerechte Zusageart, um Chancen und Risiken zwischen Arbeitgeber und den Begünstigten optimal auszubalancieren. Es gibt eine Mindestleistung für den Begünstigten, eröffnet aber auch die Chance auf eine höhere Rendite über die Kapitalanlage im Pensionsfonds. Auch die gesetzliche Regelung, dass der Arbeitgeber subsidiär haften müsste, wenn die Mindestleistung in der Kapitalanlage nicht erreicht würde, ist in unseren Augen passend. Die BZML in der Versicherungswelt funktioniert anders und hat heute ihre ganz eigenen Herausforderungen. Für Bosch liegt der Schlüssel des Erfolgs eindeutig in der Kombination von BZML und Pensionsfonds mit einer attraktiven Verrentung im Rahmen der Fondsrente. Wir bieten die bAV über den Pensionsfonds in einem Lifecycle-Modell an.
COMP & BEN: Wie kommt der Bosch Pensionsfonds durch die aktuelle Krisenzeit?
Christian Zeidler: Natürlich ist das Krisenszenario, das wir jetzt erleben, so noch nicht da gewesen. Doch wir haben in der Vergangenheit schon viele Krisen gesehen, zuletzt den Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2020. Nach dem Abschwung in den beiden ersten Quartalen 2020 haben wir an den Märkten im vierten Quartal eine schnelle Erholung gesehen. Jede Krise ist individuell, doch wir begegnen jeder von ihnen mit unserer Systematik und unseren Risikosteuerungsinstrumenten, die wir über einen langen Zeitraum entwickelt haben. Aktuell sehen wir mehrere Einzelkrisen, die in einem Zeitfenster zusammenfallen. Das ist die Problematik der unterbrochenen Lieferketten, das ist die Inflation mit den Reaktionen der Zentralbanken. Dazu der russische Krieg in der Ukraine. Die Performance in der Kapitalanlage fällt in 2022 sicher nicht allzu positiv aus, doch ich bin zuversichtlich, dass wir ab 2023 wieder einen Aufschwung sehen werden. Unsere Steuerungs- und Risikoüberwachungsinstrumente haben sich bewährt. Wir sind schon allein durch die Regulatorik zu einem Risikomanagement verpflichtet.
COMP & BEN: An welchen Stellen möchten Sie den Bosch Pensionsfonds weiterentwickeln?
Dirk Jargstorff: Wir legen für uns immer wieder neue Herausforderungen und Ziele fest. Wir müssen uns mit einem substanziellen Wachstum des Vermögens von sechs auf zehn Milliarden Euro bis zum Ende des Jahrzehnts auseinandersetzen. Das ist in der Struktur der Zusage begründet. Entsprechend werden wir deutlich mehr Beitragseinnahmen verzeichnen als Rentenleistungen auszahlen. Das zieht eine entsprechende Beschäftigung auf der Kapitalanlageseite nach sich. Zugleich müssen wir das volle regulatorische Programm erfüllen, das bereits in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen ist. Für diese Wachstumsherausforderung müssen wir unsere Personalstrukturen stärken. Auch die Administration und die Serviceleistungen wollen wir weiter verbessern. Nachhaltigkeit wird in Zukunft für uns eine größere Rolle spielen als aktuell. So wollen wir Nachhaltigkeitsaspekte in die Kapitalanlage integrieren. Das entsprechende Ambitionsniveau dafür müssen wir noch abstecken und definieren.
Christian Zeidler: Das Management eines Pensionsfonds in der Kapitalanlage ist ein sehr dynamisches und spannendes Umfeld. Wir bleiben immer am Puls der Zeit und werden unsere Diversifikationsstrategie regelmäßig überprüfen und mit dem Makroumfeld abgleichen. Wir sehen aktuell laufend steigende Zinsen, auch durch die Notenbanken. Die derzeitige Abschmelzung der Vermögen müssen wir jetzt hinnehmen, doch auf lange Sicht kehren wir wieder in einen ausgeglichenen Zustand zurück. Auch die Umsetzung der Regulatorik, deren Umfang derzeit wächst, müssen wir in einem ausgewogenen Maß bearbeiten. Das Thema Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage ist ebenfalls spannend und zudem intellektuell herausfordernd. Als Unternehmen ist Bosch bereits längst nachhaltig aufgestellt. Über allem steht aber die Solidität der Kapitalanlage durch den Aufbau des Portfolios und der Allokationen.