Die Bundesregierung hat mit dem „Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften“ die Zeitdauer zur Bestimmung des HGB-Rechnungszinssatzes für Pensionsrückstellungen von sieben auf zehn Jahre verlängert.
Das Gesetz wurde im Eiltempo vom Bundestag am 18. Februar 2016 und vom Bundesrat am 26. Februar 2016 verabschiedet und am 16. März 2016 im Bundesgesetzblatt verkündet. Somit hat das Gesetz mit der Verkündigung Rechtskraft erlangt und führt durch die Verlängerung des Ermittlungszeitraums zu einer zusätzlichen, zeitverzögernden Wirkung des Niedrigzinsumfeldes auf die Bewertung der Pensionsrückstellungen.
Die weiteren Eckpunkte der gesetzlichen Neuregelung lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die erstmalige Anwendung der Neuregelung gilt grundsätzlich für Abschlüsse für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2015 enden; eine freiwillige vorzeitige Anwendung für Jahresabschlüsse zum 31. Dezember 2015 ist aber zulässig.
Nach den ersten Hochrechnungen führt die Verlängerung des Zeitraums auf zehn Jahre dazu, dass sich der HGB-Rechnungszins zum 31. Dezember 2015 von bisher 3,89 Prozent (sieben Jahre) auf 4,31 Prozent (zehn Jahre) erhöhen wird. Auch für den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2016 ergäbe sich bei gleichbleibendem Zinsniveau eine weitere zeitverzögernde Wirkung, da sich der Rechnungszins lediglich auf 4,10 Prozent (zehn Jahre) und nicht auf 3,37 Prozent (sieben Jahre) reduzieren würde.
Unternehmen können also die Neuregelung freiwillig bereits zur Bewertung der Pensionsrückstellungen für den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2015 anwenden. Für Abschlussstichtage nach dem 31. Dezember 2015 besteht aber die Verpflichtung zur Anwendung der Neuregelungen. Dies betrifft zunächst insbesondere Unternehmen mit abweichendem Bilanzstichtag, zum Beispiel 31. Januar 2016. Diese Unternehmen müssen zwingend die neuen Bewertungsvorschriften zur Bilanzierung von Altersversorgungsverpflichtungen anwenden.
Wurde der Bestätigungsvermerk über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2015 bereits erteilt und ein Unternehmen möchte nun trotzdem die Neuregelungen wahlweise in Anspruch nehmen, so ist eine Nachtragsprüfung durchzuführen. Wurde der Jahresabschluss zwischenzeitlich sogar festgestellt, so darf eine Änderung nur noch bei Vorliegen von gewichtigen rechtlichen, wirtschaftlichen oder steuerrechtlichen Gründen vorgenommen werden. Gewichtige wirtschaftliche Gründe sind zum Beispiel dann gegeben, wenn durch die Bewertungsänderung die Eigenkapitalsituation in der Weise gestärkt werden kann, dass Kredit-Covenants nun erfüllt werden.
Soweit ein positiver Unterschiedsbetrag entsteht, unterliegt dieser einer Ausschüttungssperre, d.h., in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags müssen Rücklagen im Unternehmen verbleiben.
Zum Schutz der Gläubiger darf der sich aus der Verwendung des dann zwingend zu beachtenden zehnjährigen Zinsermittlungszeitraums ergebende Bewertungsunterschied nicht ausgeschüttet werden. Der Unterschiedsbetrag (Bewertungsunterschied) ist jährlich zu ermitteln und im Anhang oder unter der Bilanz darzustellen. Gewinne dürfen nur dann ausgeschüttet werden, wenn die nach der Ausschüttung verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen zuzüglich eines Gewinnvortrags, abzüglich eines Verlustvortrags mindestens dem Unterschiedsbetrag entsprechen.
Nachdem die Regelungen über die Ausschüttungssperre im Allgemeinen Teil des HGB (§ 253 HGB) erfasst sind, stellt sich die Frage, ob die Ausschüttungssperre nicht nur für Kapitalgesellschaften, sondern auch für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften gilt. Hierzu vertritt der Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer die Auffassung, dass die Ausschüttungssperre nur für Kapitalgesellschaften, nicht aber für Einzelkaufleute sowie Personenhandelsgesellschaften anzuwenden ist.
Die Neuregelungen zur Abzinsung gelten nur für Altersversorgungsverpflichtungen und nicht für andere langfristig fällige Verpflichtungen.
Nach dem Gesetzeswortlaut gilt die Neuregelung zur Festlegung des Abzinsungszeitraums nur für Altersversorgungsverpflichtungen. Für andere langfristige Verpflichtungen gilt weiterhin der siebenjährige Durchschnittszinssatz.
Jährliche Ermittlung und Angabe des Unterschiedsbetrags im Anhang oder unter der Bilanz.
Der Unterschiedsbetrag aus der Verwendung des 10-Jahres-Rechnungszinssatzes und des 7-Jahres-Rechnungszinssatzes zur Bewertung der Altersversorgungsverpflichtungen ist jährlich zu ermitteln und im Anhang oder unter der Bilanz anzugeben. Dies hat zur Folge, dass dauerhaft zwei Pensionsgutachten für handelsrechtliche Zwecke erstellt werden müssen. Diese Angabepflicht betrifft neben den Kapitalgesellschaften auch Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften, selbst wenn diese die Ausschüttungssperre nach § 253 Abs. 6 HGB nicht beachten müssen. Soweit überhaupt kein Anhang aufgestellt wird, müssen die Angaben unter der Bilanz erfasst werden.
Erfassung von Entlastungseffekten aus der erstmaligen Anwendung der Neuregelung.
Soweit die Neuregelung nicht rückwirkend zum 31. Dezember 2015, sondern erstmalig zum 31. Dezember 2016 angewandt wird, ist mit einem Entlastungseffekt aufgrund des gestiegenen Abzinsungssatzes zu rechnen. Dieser Effekt kann wahlweise im Finanzergebnis oder im operativen Ergebnis erfasst werden.
Auf die steuerrechtliche Bewertung von Pensionsrückstellungen hat die Gesetzesänderung keine Auswirkungen. Ertragsteuerlich schreibt der Gesetzgeber weiterhin vor, dass bei der Ermittlung der steuerlich zulässigen Pensionsrückstellung ein Rechnungszins von 6 Prozent anzuwenden ist. Im Vergleich zur handelsrechtlichen Bewertung führte die steuerrechtliche Bewertung zu einer deutlichen Unterdeckung. Durch die Anpassung des Rechnungszinses für die handelsrechtliche Rückstellung wird dieser Unterschied zur steuerlichen Rückstellung etwas gemindert. Der steuerrechtliche Rechnungszins von 6 Prozent war und ist aber weiterhin keine realistische Rechengröße, sondern vielmehr ein rein fiskalisches Instrument, das den Betriebsausgabenabzug für Pensionsrückstellungen deutlich einschränkt.
Des Weiteren ist festzuhalten, dass neben den nunmehr für handelsrechtliche Zwecke notwendigen zwei Bewertungsgutachten auch weiterhin für steuerliche Zwecke ein Gutachten erstellt werden muss. Den Bürokratieaufwand für die Bewertung der Bilanzposition Pensionsrückstellung kann man daher nur als unverhältnismäßig titulieren. Eine Anpassung an die handelsrechtliche Bewertung wäre vor diesem Hintergrund nicht nur zweckmäßig, sondern auch aus Gründen des objektiven Nettoprinzips erforderlich.
Eine entsprechende Gesetzesänderung würde sich technisch sehr einfach durch die Streichung des § 6a EStG bewerkstelligen lassen. Durch den Wegfall dieser steuerlichen Spezialvorschrift würde sich die Bewertung von Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz unter Berücksichtigung des Maßgeblichkeitsprinzips nach den handelsrechtlichen Vorschriften richten.
Johannes Hauser
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Mitglied der Geschäftsführung, BANSBACH GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft
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Dr. Bob Neubert
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Gesellschafter
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