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Personalkosten mit Weitblick steuern

Personalkostenmanagement wird in der Regel als kurzfristige Maßnahme im Zeichen von schwierigen Geschäftsentwicklungen oder Krisen gesehen. Petra Knab-Hägele und Dr. Jan Dörrwächter, Vergütungsexperten der hkp///group, plädieren jedoch dafür, das Management von Personalkosten als mittel- und langfristige Aufgabe zu verstehen.

Frau Knab-Hägele, Sie haben zahlreiche Unternehmen in der Transformation und auch in betriebswirtschaftlichen Krisenfällen – nicht zuletzt im Kontext der Covid-19-Pandemie – begleitet. Welches sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse mit Blick auf die Personalkosten?

Petra Knab-Hägele: Es hat sich gezeigt, dass in allen Projekten, die die Substanz des Unternehmens erschüttern oder maßgeblich verändern, ein grundlegendes Leitmotiv wichtig ist: faktenbasiert entscheiden, menschlich handeln und gemeinsam Zukunft gestalten. Deshalb gehören für uns kurzfristige Maßnahmen und Strategien zur Sicherung von Liquidität und wirtschaftlicher Überlebensfähigkeit ebenso zum Thema Kostenreduktion wie der Blick nach vorne: die Entwicklung nachhaltig tragfähiger Konzepte.

Gibt es einen Unterschied, ob Arbeitgeber Kosten in einer Transformation oder in einer Krise reduzieren müssen oder wollen?

Dr. Jan Dörrwächter: Ja und nein. Eine Krise kann durchaus Ausgangspunkt einer umfassenden Transformation sein – oder andersherum: Eine falsch gemanagte Transformation in die Krise führen. In der Krise liegt das Augenmerk zweifellos auf schnellen, kurzfristigen Sparmaßnahmen zur Absicherung der Liquidität. Ziel ist es, nicht in eine wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Auf der anderen Seite muss ein Unternehmen aufpassen, dass es nicht am falschen Ende spart und damit seine mittel- bis langfristige Zukunft verspielt, etwa indem zentrales Know-how verloren geht.

Petra Knab-Hägele: In Transformationsprojekten sind Quick Wins auch sinnvoll. Aber hier konzentrieren sich Unternehmen insbesondere auf mittel- und langfristige Konzepte zur Stärkung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit. Daher steht weniger die Reduzierung von Personalkosten im Blickpunkt, als vielmehr deren Optimierung im Sinne einer strategiekonformen Organisationsstruktur.

Welche Möglichkeiten zur Reduzierung beziehungsweise zum Management von Personalkosten sehen Sie konkret?

Petra Knab-Hägele: Lassen Sie mich zur Vereinfachung die Maßnahmen zum Management von Personalkosten grob in vier Bereiche clustern: Wir kennen zum einen arbeitszeitbezogene Maßnahmen, zum anderen die Reduzierung von Vergütung, von Nebenleis-stungen und betrieblicher Altersversorgung. Außerdem Maßnahmen, die sich auf die Personalstruktur beziehen, sowie sonstige Maßnahmen mit Personalkostenbezug. In allen Bereichen gibt es substanziell wirkende Stellhebel zum Kostenmanagement.

Nicht selten wird die Optimierung von Personalkosten mit Personalabbau gleichgesetzt.

Jan Dörrwächter: Das ist ein verbreiteter Irrglaube. Wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft mit einem arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsrecht – vor allem auch beim Kündigungsschutz – mit weitgehenden Mitbestimmungerechten der Betriebsräte. Personalabbau im Sinne eines Hire and Fire ist daher gar nicht möglich, erst recht in einem größeren Maßstab. Kurzfristiger Personalabbau bedeutet für Unternehmen immer erst einmal Mehrkosten vor allem für Sozialpläne. In bestimmten Situationen kommt man nicht daran vorbei, aber es ist immer sinnvoller, langfristig zu agieren.

Wie sehen Maßnahmen aus, die auf die Personalstruktur abzielen?

Petra Knab-Hägele: Die betreffen in erster Linie eben nicht nur Personalabbau, sondern  beispielsweise die Überprüfung bestehender Organisationsstrukturen und Strukturkosten, von Outsourcing-Optionen oder dem Ausbau von Shared Services und Standortverlagerungen. Dazu zählen aber auch Einstellungsstopps und die Nichtverlängerung befristeter Beschäftigungsverhältnisse.

Speziell in den ersten Monaten der Covid-19-Pandemie haben viele Unternehmen Kosteneinsparungen über Kurzarbeit realisiert.

Dr. Jan Dörrwächter: Das ist ein gutes Instrument für einen in jeder Hinsicht schonenden Umgang mit Personalressourcen sowie für eine rasche wirtschaftliche Erholung. Über die Einbindung der Mitbestimmungs- beziehungsweise Tarifseite ist eine in der Regel effiziente Umsetzung im Rahmen von Kollektivlösungen möglich. Einfacher ist es jedoch, Überstunden und Resturlaube abbauen zu lassen; vorausgesetzt, es gibt Überhänge und entsprechende betriebliche Regelungen. Zudem kann an Mitarbeiter appelliert werden, ihre Arbeitszeit zumindest vorübergehend freiwillig zu reduzieren. Aber auch der freiwillige, unbezahlte Urlaub und Sabbaticals können als Alternative in Betracht gezogen werden.

Diese Punkte scheinen aber nicht die Kostenblöcke darzustellen, in denen hohes Einsparpotenzial gegeben ist.

Petra Knab-Hägele: Einen Kostenblock mit hohem Potenzial für Einsparungen bilden Vergütungen und Benefits. Kurzfristig können Unternehmen – sofern keine arbeitsrechtlichen Vereinbarungen und Regelungen dagegen sprechen – variable Vergütungsbestandteile wie Boni und Prämien kürzen oder geplante Gehaltsanpassungen aussetzen beziehungsweise freiwillige Gehaltszulagen streichen. Die Handlungsspielräume werden dabei durch die Ausgestaltung der bestehenden Systeme und rechtlichen Anforderungen definiert.

Jan Dörrwächter: Grundsätzlich ist auch denkbar, über einen rein diskretionären Ansatz nur noch Prämien für außerordentliche Leistungen und Erfolge zu gewähren. In Unternehmen mit einem starken gemeinschaftlichen Verantwortungsgefühl lassen sich ebenso auch freiwillige Gehaltsverzichte meist relativ unkompliziert vereinbaren. Allerdings muss in diesen Fällen die Unternehmensspitze immer mit gutem Beispiel vorangehen.

Einzelne Unternehmen haben in der Pandemie anstehende Bonuszahlungen und Gehaltserhöhungen in Mitarbeiterbeteiligung umgewandelt. Wie sehr hat sich diese Strategie im Markt durchgesetzt?

Jan Dörrwächter: Dazu liegen uns keine verlässlichen statistischen Analysen vor. Wir können daher nur über unsere Erfahrungen aus entsprechenden Beratungsprojekten sprechen. Hierbei hat sich gezeigt, dass der Effekt der Mitarbeiterbeteiligung für alle Seiten substanziell ist.

Welchen Gewinn sehen Sie darin konkret?

Jan Dörrwächter: Das Unternehmen schont die in der Krise angespannte Liquidität, und die Mitarbeiter stärken mittel- und langfristig ihre individuelle Vermögensbasis. Sie können dank ihrer Anteile am Unternehmen im wirtschaftlichen Aufschwung stärker profitieren als durch eine bloße Aufschiebung von Vergütungsauszahlungen.

Sofern nicht tariflich garantiert dürften die Kosteneinsparungen durch Nebenleistungen leichter zu realisieren sein.

Petra Knab-Hägele: Mit Blick auf Nebenleistungen ist es im Kontext von Personalkostenmanagement in Krisen sinnvoll, über ein Aussetzen oder Kürzen bestimmter Leistungen nachzudenken. Mitarbeiter zeigen hier in der Regel Verständnis, sofern Einsparungen durchgehend sind und entsprechend kommuniziert werden.

Sie hatten eingangs zu Recht angemahnt, im Management von Personalkosten stets auch die langfristigen Folgen zu berücksichtigen. Wie lassen sich diese, aber auch die Kostenschwergewichte, identifizieren?

Jan Dörrwächter: Generell, aber auch speziell mit Blick auf die Nebenkosten stehen wir hier vor einer  unternehmensspezifischen Frage, die sich auf Basis einer Kosten-Nutzen-Matrix beantworten lässt. Allerdings muss man Kosten und Nutzen auch beziffern beziehungsweise benennen können. Diese Informationen liegen jedoch nicht immer vor.

Petra Knab-Hägele: Zum empfehlen sind Strukturkostenanalysen, die zum Beispiel Antworten auf folgende Fragen geben: Wie viele Mitarbeiter befinden sich auf welchen Ebenen und in welchen Funktionsbereichen? Welche Vergütungskosten sind damit verbunden? Welche Wertbeiträge mit Blick auf zentrale finanzwirtschaftliche Kennzahlen werden jeweils geleistet? Auf dieser Basis erhalten Unternehmen einen Überblick über die Effizienz und Leistungskraft der eigenen Organisationsstruktur und können auf diesem Weg Struktur, Kosten und Performance effektiv und strategieorientiert steuern und den finanziellen Ertrag ihrer Vergütungsinvestitionen steigern.

Christiane Siemann ist freie Journalistin und Moderatorin aus Bad Tölz, spezialisiert auf die HR- und Arbeitsmarkt-Themen, die einige Round Table-Gespräche der Personalwirtschaft begleitet.