Noch bis vor kurzem hatte jeder Arbeitnehmer einen festen Schreibtisch in einem Büro. Die Arbeitszeiten waren festgelegt; flexible Regelungen selten. Doch die heutigen Generationen wünschen sich größere Freiheiten. Der Wunsch nach Remote Work ist bei den jungen Generationen, den sogenannten Millenials, besonders stark ausgeprägt. Sie wollen vollkommen selbstbestimmt arbeiten. Aber auch ältere Arbeitnehmer schätzen zunehmend die Vorteile des flexiblen Arbeitens und möchten mobil arbeiten. Mehr als die Hälfte aller Büroangestellten (54 Prozent) gibt an, ihren Job zu wechseln, wenn sie beim neuen Arbeitgeber mehr remote arbeiten dürften.
Möglich wird flexibles Arbeiten vor allem durch die rasante technische Entwicklung: überall verfügbare Internetzugänge, sichere Datenübertragung, leistungsfähige Laptops, Tablets und Smartphones, Skype und Software für Internetkonferenzen sind heutzutage selbstverständlich.
Vorteile für Arbeitnehmer
Die Vorteile dieser neuen Art des Arbeitens liegen auf der Hand: Arbeitnehmer müssen nicht als Freelancer arbeiten, um in den Genuss von derartigen Freiheiten zu kommen. Sie profitieren von den Vorteilen eines festen Arbeitsvertrag mit voller Absicherung, aber eben auch mit Freiheiten. Sie können überall auf der Welt arbeiten, sofern sie eine stabile Internetverbindung haben.
Auch praktische Gründe können Arbeitnehmer bewegen, remote zu arbeiten, beispielsweise, wenn sie einen pflegebedürftigen Angehörige oder ein krankes Kind zu Hause betreuen oder weit entfernt von ihrem Büro oder gar im Ausland wohnen.
Umfragen zeigen, dass die Arbeitnehmer ihre Freiheiten überwiegend positiv beurteilen. Die Mehrheit der Remote Worker gibt an, dass sie persönlich zufriedener seien und ihr Gesundheitsgefühl zugenommen habe. Zudem wird auch die Umwelt durch wegfallende Wege zur Arbeit geschont.
Unternehmen profitieren von Remote Work
Für Unternehmen eröffnen sich mit den neuen Freiheiten für ihre Beschäftigten neue Recruitingmöglichkeiten: Arbeitgeber, die außerhalb städtischer Ballungsgebiete angesiedelt sind – das sind häufig mittelständische Unternehmen –, beklagen oft einen Standortnachteil, der einen Fachkräftemangel mit sich bringt. Durch Remote Work steigern sie ihre Attraktivität für Bewerber und können wieder leichter Fachkräfte gewinnen.
Auch finanziell haben die flexiblen Modelle Vorteile: Unternehmen sparen Büroräume, gegebenenfalls Firmenparkplätze und die technische Ausstattung des Arbeitsplatzes ein. Zudem zeigen Studien, dass die Produktivität von Angestellten außerhalb des Büros in vielen Fällen höher ist als die der Kollegen im Büro.
Die Kehrseite der Medaille
Remote Work ist nicht nur mit Vorteilen verbunden, sondern birgt auch Risiken: So verschwindet mit der flexiblen Arbeit der feste Arbeitsplatz. Der kollegiale Austausch – offiziell oder auch inoffiziell, etwa beim Mittagessen – kann abnehmen. Manche Mitarbeiter, die den Arbeitsplatz als einen Ort sicherer Umgebung mit vertrauten Menschen wahrnehmen, kommen außerhalb mit Flexibilität, Eigenverantwortung und dem geringeren sozialen Austausch nicht zurecht. Zudem erfordert das Arbeiten in der Ferne viel Disziplin. Das Remote-Work-Modell ist somit nicht für jeden geeignet.
Zudem kann die Bindung der einzelnen Mitarbeiter zu ihrem Unternehmen abnehmen. Wer seine Kollegen nur vom Chat und seine Arbeitsstelle lediglich von Fotos kennt, fühlt sich dem Unternehmen möglicherweise nicht so eng verbunden.
Auch müssen Führungskräfte ihren Führungsstil gegebenenfalls umstellen, denn aus der Ferne erscheint es schwieriger, Mitarbeiter einzuschätzen und zu bewerten.
Wie gelingt Remote Work?
Bei Remote Workern zeigen sich durchaus Unterschiede zwischen denen, die permanent remote arbeiten, und denen, die nur zeitweise außerhalb ihrer Arbeitsstäte tätig sind. Bewährt haben sich beispielsweise Mischmodelle, in denen ein Vollzeitarbeitnehmer drei bis vier Tage in der Ferne arbeitet und den Rest der Zeit in seinem Büro anwesend ist.
Wichtig ist, dass Unternehmen die Vorteile kennen, sich aber auch der Nachteile bewusst sind, bevor sie ein Remote-Modell anbieten. Wer Flexibilität anbietet, sollte die soziale Komponente auf keinen Fall aus dem Blick verlieren und versuchen, seine Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Dadurch kann er vermeiden, dass er als Arbeitgeber schnell austauschbar und die Fluktuation im Unternehmen hoch ist.
Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersversorgung. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das F.A.Z.-Personaljournal. Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.