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Rewards in agilen Organisationen – agile Rewards?

Der Begriff agil wird inflationär gebraucht. Zum einen verstehen wir darunter die Fähigkeit, sich schnell und leicht zu bewegen bzw. schnell zu denken und zu verstehen. Zum anderen bezieht sich der Begriff aus der Softwareentwicklung auf eine Methode im Projektmanagement, wo Aufgaben in kurze Arbeitsphasen unterteilt und oft neu bewertet werden, um Pläne anzupassen.

In den Organisationen werden multidisziplinäre Teams geschaffen, Kunden früher eingebunden, Prototypen geschaffen, adaptiv geplant usw. Die organisationale Agilität und die damit verbundenen Arbeitsweisen, Einstellungen und Organisationsprinzipien zielen ab auf die Steigerung der Geschwindigkeit und (Kosten-)Effektivität von Innovation und Erneuerung, um sich besser an wandelnde Umstände und Kundenanforderungen anpassen zu können. Dies in einer sehr volatilen, unsicheren, komplexen und vielschichtigen Welt.

Viele Aspekte der Entwicklung einer Vergütungsstrategie verändern sich nicht, nur weil sie auf agile Organisationen angewendet werden. Nach wie vor stellen sich die Fragen: Was sind die Anforderungen des Unternehmens und der Mitarbeitenden sowie das Übereinanderbringen der Perspektiven in einem Gesamtvergütungspaket, das ein höchstmögliches Engagement der Belegschaft und Ergebnisse im Sinne der Unternehmens- und Personalstrategie und damit „Return on Investment“ erzielt? Der ganzheitliche Blick auf ein „Rewarding“ Arbeitsumfeld umfasst auch in agilen Organisationen weiterhin feste und variable Vergütungsbestandteile, flexible und feste Benefits. Arbeitsumfeld und Personalentwicklung sowie intrinsische Rewards.

Hinsichtlich der festen Vergütung werden weiterhin nachhaltige Beiträge aus der Funktion heraus sowie Einbringen des notwendigen Wissens und der Fähigkeiten zu Gehaltsfestlegungen über dem Marktniveau führen. Variable Vergütungen werden sich an organisationalen, Team- und individuellen Ergebnissen orientieren. In agilen Kontexten werden die Leistungszyklen als Basis für die Auszahlungen eher kurzfristig und spontaner erfolgen, nicht immer im Jahreszyklus, wie bisher weit verbreitet. Feste und flexible Nebenleistungen werden sich aus der Unternehmenskultur und ggf. rechtlichen Rahmenbedingungen ergeben. Für Mitarbeiter in agilen Rollen sind zusätzlich die Auswahlmöglichkeiten und Flexibilität kritisch. Die Gestaltung des Arbeitsplatzes sowie Art der Arbeit und Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung, und Beziehungen zu Kollegen liefern Erfüllung für die Personen in den agilen Rollen. Karriereentwicklung wird auch hier durch Beförderung honoriert. Hinsichtlich der intrinsischen Rewards ist die Übereinstimmung zwischen dem individuellen und organisationalen „Purpose“ in agilen Organisationen besonders stark ausgeprägt. 

Den Rahmen für die Ausgestaltung bilden weiterhin etablierte Total-Reward-Frameworks, die auf die Bedarfe von agilen Organisationen hin ausgerichtet werden.

In der Ausgestaltung ist dabei darauf zu achten, dass die Reward-Strategie mit der Talentstrategie im Einklang stehen, so dass die vom Anforderungsprofil passenden Mitarbeiter für agile Organisationen auch ihren Präferenzen entsprechende Arbeitsbedingungen vorfinden. Dazu bieten sich stärker von innen heraus erarbeitete Programme an, im Gegensatz zum Benchmark orientierten Nachahmen von anderen Unternehmen. Mehr und mehr Unternehmen beziehen die Perspektive der Belegschaft in die Ausgestaltung mit ein. Stärker in den Fokus kommt damit der Wert der gesamten Arbeitsbedingungen im Gegensatz zum Versuch der Optimierung jeder einzelnen Komponente des Gesamtprogramms. Die erfolgreichen Unternehmen investieren darüber hinaus mehr Zeit und Energie in die Implementierung und Kommunikation als andere. Ein gut kommuniziertes und implementiertes moderat spannendes Programm ist dabei tendenziell erfolgreicher als schlecht ausgerollte exzellente Programme. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Nachsorge nach der Implementierung. Eine permanente Erfolgskontrolle und Adjustierung entsprechen auch bei der Vergütung dem Geist der Agilität. 

Bei der Erarbeitung von Programmen im agilen Kontext tauchen aktuell immer wieder bestimmte Diskussionspunkte auf.

Wie bekommt man teambasierte Vergütung zum Laufen? Die in Mode gekommenen Instrumente scheitern häufig, weil sich Teamzusammensetzungen ständig ändern und individuelle Beiträge unzureichend honoriert werden konnten. Dem begegnet man mit zusätzlichen individuellen „Awards“ oder individueller Anerkennung in nicht-monetären Rewards.

Auf Fähigkeiten und Wissen basierte Vergütungen sind teilweise problematisch durch die Bürokratie, die mit der Bewertung der Skills verbunden ist. Probleme bei der Budgetierung, oder die Bezahlung von Skills, die nicht zwingend jederzeit gleichermaßen benötigt werden. Ein indirekter Weg besteht darin, die Rollenbeschreibungen um Kompetenzen und Skills zu ergänzen und ganzheitlich „Capabilities“ für Vergütungsentscheidungen herzunehmen.

Wie können wir agiles Arbeiten richtig wertschätzen? Aktuell ist es noch ein sehr schnell wachsender Markt und sehr volatil. Spezifische Benchmarkdaten haben noch keine lange Historie und zeigen noch keine besonderen Aufschläge, insbesondere unterhalb des Senior Managements. Beobachtbare Ansätze versuchen die intrinsischen Rewards und allgemeinen Arbeitsbedingungen inklusive technischer Ausstattung sowie Flexibilität und Entwicklung zu adressieren.

Von Unternehmen werden verschiedene Wege eingeschlagen. Im Einzelfall ist zu beurteilen, welche gut zur spezifischen Situation passen.

Zur Erhöhung der Flexibilität bei der Vergütung können beispielsweise breitere Bandbreiten in den Vergütungsstrukturen angewendet werden. Die Orientierung an „Capabilities“ der Person und nicht an festen Stellen tragen der Individualität und wechselnden Tätigkeiten genüge. Das Zulassen einer stärkeren individuellen Differenzierung kann individuelle Umstände abbilden helfen. Anwendung kreativer und sehr personalisierter Vergütungen bieten sich für Einzelfälle an, haben aber Grenzen in der Anwendung für viele Individuen. Eine Anpassung der Vergütungszusammensetzung, zum Beispiel zusätzliche variable Elemente einführen, kann der Agilität Rechnung tragen durch Projektvergütung, One-Off-Zahlungen bzw. weitreichendere und sich entwickelnde Prämiensysteme etc. Langfristige variable Vergütungen mit Parametern, die trotz jeder Agilität dauerhaft Relevanz haben, können angewendet werden um insgesamt wettbewerbsfähig zu sein. Rewards stärker auch im flexiblen und unmittelbaren Zugang zu Lernangeboten und Weiterentwicklung verstehen, um Mitarbeiter auf die wandelnden Anforderungen vorzubereiten und der Agilität in der Vergütung Rechnung zu tragen.

Insgesamt ist es notwendig, die Organisation in die Lage zu versetzen, sich schnell mit agilen Vergütungen zu entwickeln, was insbesondere in Deutschland und den bisherigen etablierten Entscheidungs- und Mitbestimmungsprozessen langwierig sein kann. Wir erwarten weiterhin, dass führende Unternehmen stärker die Grundvergütung bewusst segmentieren, in der Leistungsbeurteilung in kleinteiligeren Prozessen ein Alignment in der Organisation herstellen, sich die variable Vergütung auf die konkrete Arbeit zentrieren und Benefits portabel und flexibel werden. 

Holger Jahn
Senior Client Partner’Korn Ferry
holger.jahn(*)kornferry(.)com
www.kornferry.com