Guter Stil hat meistens auch etwas mit gepflegtem Understatement zu tun. Insofern scheint die Nachricht, dass Christine Hohmann-Dennhardt ihr Ausscheiden aus dem Volkswagen-Vorstand mit einer Abfindung von 13 Millionen Euro vergoldet wird, schon wegen der Höhe der Summe ein Beispiel für schlechten Stil. Die frühere Verfassungsrichterin kann offenbar mit einer Millionenabfindung rechnen, weil ihr neben dem Gehalt für gerade mal 13 Monate Arbeit eine vertraglich zugesicherte Abfindung in Höhe von knapp zwei Jahresgehältern zusteht.
Ein Geschmäckle hat die Abfindung auch, weil Hohmann-Dennhardt als Vorstand für Recht und Integrität angetreten war, den in der Ära von Martin Winterkorn entstandenen Dieselskandal aufzuräumen. Winterkorn war übrigens (nicht nur, aber auch) wegen seines fürstlichen Jahresgehaltes von 17,5 Millionen Euro im Jahr 2011 in die Schlagzeilen geraten. Geschichte wiederholt sich. Am Rande: Die Gehaltshöhe deutscher Topmanager liegt im europäischen Vergleich an dritter Stelle. Nur die Schweizer und Briten bezahlen ihre Vorstände noch besser – allerdings mit großem Abstand.
Um klarzustellen: Es soll an dieser Stelle mitnichten um Sozialneid und das Anprangern vermeintlich gieriger Vorstände gehen. Auch das wäre schlechter Stil. Erlaubt sein muss jedoch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit: 13 Millionen Euro hat Hohmann-Dennhardt für ein Jahr mäßig erfolgreicher Arbeit kassiert. Gegenrechnung: Für jedes Berufsjahr erhält Otto Normal-Arbeitnehmer als Faustregel jeweils zwischen einem halben und einem Monatsgehalt. Da passt es ins Bild, dass laut einer Umfrage der Jobseite Indeed 95,5 Prozent der Befragten faire Löhne als wichtigste arbeitsmarktpolitische Herausforderung des Jahres bezeichnen.
Dabei gibt es (allerdings unverbindliche) Regeln für die Gehälter von Top-Managern. Ziffer 4.2.3 des Deutschen Corporate Governance Codex besagt, dass bei Abschluss von Vorstandsverträgen darauf geachtet werden soll, „dass Zahlungen an ein Vorstandsmitglied bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit ohne wichtigen Grund einschließlich Nebenleistungen den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten (Abfindungs-Cap) und nicht mehr als die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages vergüten“. So gesehen mag die Abfindung von Christine Hohmann-Dennhardt rechtmäßig oder zumindest regelkonform sein. Gerechtfertigt ist sie in dieser Höhe nicht.
Hoffen lässt die Nachricht, dass der VW-Aufsichtsrat das Gehalt für den Vorstandsvorsitzenden künftig bei rund zehn Millionen Euro deckeln will. Die geplante Höchstgrenze für andere Vorstandsmitglieder liegt entsprechend niedriger. Das ist ein wichtiges Signal, nicht nur an die Mitarbeiter des Konzerns, sondern auch an die Öffentlichkeit – und an andere Topmanager, die es möglicherweise künftig schwerer haben werden, eine solch fürstliche Ausstiegsklausel auszuhandeln, weil ihr Arbeitgeber dem Beispiel des Wolfsburger Autobauers folgt. Soll das Prinzip von Leistung und Verantwortung als Maßstab gerechter Vergütung nicht ad absurdum geführt werden, ist ein solcher Schritt auch überfällig. Dass laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung Manager der Dax-Konzerne in 2014 durchschnittlich das 57-Fache ihrer Beschäftigten verdienten (bei VW sogar das 141-Fache), ist ansonsten nur schwer zu rechtfertigen.
Autor: Sven Frost, Redakteur Personalwirtschaft
Erschienen in Ausgabe 03/2017 der Personalwirtschaft.