Führende Organisationen gestalten ihre Arbeitsmodelle zunehmend flexibel. Sie gehen dabei von jobbasierten Modellen zu Skill-basierten Ansätzen über. Die Covid-Pandemie hat diesen Trend weiter befeuert – und sie zeigt, dass Unternehmen, die in zu starren Konstrukten stagnieren, langfristig nicht wettbewerbsfähig bleiben werden. Die Flexibilisierung der Arbeit erfordert jedoch auch Anpassungen im Bereich der Vergütung.
Die Geschichte der Arbeitswelt zeigt mehrere tiefgreifende Disruptionen, die unseren Blick darauf verändert haben, wie Arbeit definiert wird und welche Implikationen damit auf organisatorischer Ebene verbunden sind. Ein sich konstant weiter verstärkender Trend ist die Flexibilisierung der Arbeit. Jobs und Stellen im konventionellen Sinne werden im Zuge dieses Trends immer häufiger durch rollenbasierte Aufgaben ersetzt. Der Fokus verschiebt sich verstärkt auf die Skills der Mitarbeitenden.
Wir definieren Skills als Fertigkeiten, die gezielt erworben oder trainiert werden. Ihr Nachweis erfolgt in der Regel durch Zeugnisse, Zertifikate oder Abschlüsse. Präzise identifiziert, frühzeitig entwickelt und effizient eingesetzt, sorgen sie auf Ebene der Mitarbeitenden dafür, dass Organisationen sich flexibel an neue Herausforderungen anpassen können.
Gründe für den verstärkten Fokus auf Skills
Welche Argumente sprechen unter anderen für die These von Skills als Orientierungsbasis für die Vergütung?
- Die Auswirkungen von Automatisierung und Künstlicher Intelligenz
Re- und Up-Skilling sind erforderlich, um die weltweit geschätzt 85 Millionen Arbeitsplätze anzupassen, die von der Verlagerung der Arbeit zwischen Menschen und Maschinen bis zum Jahr 2025 betroffen sein werden. Gleichzeitig muss sich die Wirtschaft auf die geschätzt 97 Millionen neuen Arbeitsplätze vorbereiten, die infolge des technologischen Fortschritts voraussichtlich bis dahin neu entstehen werden (weitere Prognosen siehe bei „Mehr zum Thema“).
- Die Flexibilitätsanforderungen haben sich zu einer nachhaltigen Prämisse entwickelt
Gerade die Pandemie hat maximale Flexibilität erfordert. Arbeitgebende suchen nach Skill-basierten Modellen, um diese Flexibilität in ihrer Belegschaft zu erreichen. 44 Prozent der Unternehmen haben bereits im Jahr 2020 ihre intern vorhandenen Talente flexibel eingesetzt, und weitere 26 Prozent planen dies für das Jahr 2021 (siehe Kasten „Mehr zum Thema“).
- Die Entwicklung von Skills entscheidet über die Gewinnung und Bindung von Talenten
Mitarbeitende zeigen den starken Wunsch, für Unternehmen zu arbeiten, von denen sie annehmen, dass dort durch die Entwicklung von Skills und kontinuierliche Lernprogramme in ihre Zukunft investiert wird. Das Erlernen von neuen Skills und Technologien ist für Mitarbeitende entsprechend der bedeutendste Attraktivitätsfaktor, um sich für einen Arbeitgeber zu entscheiden oder dort seine Karriere fortzusetzen.
- Die Skill-Entwicklung verspricht einen hohen Return on Investment
Skills sind oft enger mit der Business-Strategie verzahnt, als dies bei abstrakten und generischen Kompetenzmodellen der Fall ist. Während die Entwicklung und Instandhaltung von Kompetenzmodellen primär als Aufgabe von HR gesehen wird, steht das Thema Skills heute auf der Executive-Agenda. Entsprechend ist im Jahr 2021 die Umschulung von Beschäftigten in den meisten Ländern erste oder mindestens zweite Investitionspriorität von Arbeitgebern.
Traditionelle Strukturen vs. zukunftsorientierte Praktiken
In der Konsequenz rücken Skills in den Fokus dessen, was heute unter Arbeit verstanden wird, wie sie strukturell und prozessual ausgestaltet ist und wie eine Vielzahl von talentbezogenen Prozessen aufgesetzt wird. Zwar herrscht noch immer ein jobzentrisches Paradigma zur Definition von Arbeit vor, doch die Architektur der Arbeit verlagert sich mehr und mehr von Jobs zu Skills. Neben einer großen Zahl an Organisationen, die heute noch in traditionellen Strukturen verharren, gibt es bereits eine stetig wachsende Zahl an erfolgreichen Early Adopters, die zukunftsorientierte Praktiken einführen. Innovative Führungskräfte verstehen in diesen Unternehmen ihre Mitarbeitenden als wertvollstes (Human-)Kapital, das Skills mitbringt, die flexibel weiterentwickelt und im gesamten Unternehmen eingesetzt werden können, sobald es die Situation erfordert.
Implikationen für HR und Total Rewards
- Die effektive und effiziente Umsetzung eines solchen Ansatzes bedingt, dass Klarheit darüber herrscht, welche Skills überhaupt für ein Unternehmen erfolgskritisch sind beziehungsweise sein werden. In diesem Zusammenhang ist essentiell, auch eine Marktbetrachtung zu integrieren und zu beobachten, welche Skills im Unternehmensumfeld als „wichtig“ und „erfolgskritisch“ erachtet werden. Erforderlich hierfür sind belastbare Daten, die lange Zeit nicht vorlagen – was sich nun jedoch geändert hat, denn heute sind Informationen zu Angebot und Nachfrage von Skills verfügbar.
- Ist der Bedarf definiert, ist zu betrachten, über welche Skills ein Unternehmen bereits verfügen, denn nur dann können Talente auch kurzfristig auf dringende Anforderungen umgeschult werden. Beispielsweise hat das US-Telekommunikationsunternehmen Verizon während der Pandemie fast 20.000 Mitarbeitende in seinen Filialen kurzfristig weiter- und ausgebildet, um deren Kompetenzen in anderen Bereichen zu nutzen (wie im Telesale oder Online-Kundendienst). Jedoch zeigen empirische Studien, dass aktuell nicht einmal die Hälfte der HR-Verantwortlichen genau weiß, welche Skills in ihrem Unternehmen vorhanden sind.
- Unternehmen sollten wissen, welchen „Wert“ bestimmte Skills haben: welche Vergütung also geboten werden muss, um Mitarbeitende mit erfolgskritischen Fähigkeiten an die Organisation zu binden. In einer eigens zum Thema durchgeführten Studie fand Mercer heraus, dass 71 Prozent der Unternehmen angaben, eine Kopplung der Vergütung an Skills würde zu höheren Rekrutierungs- und Bindungserfolgen führen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass umgekehrt nur neun Prozent der Unternehmen angaben, das Marktangebot und die Nachfrage zu beobachten und zu analysieren. Dies ist insofern bedenklich, als das Thema Pay for Skills bei rund zwei Dritteln der Unternehmen bis heute im Bereich Rekrutierung stagniert, denn es wird zwar ein Gehaltsaufschlag für bestimmte Skills bei Einstellung bezahlt, eine Skill-basierte Bezahlung bei der existierenden Belegschaft wird jedoch nicht angewendet.
Richtig auf- und umgesetzt, kann ein Unternehmen, das nach dem Prinzip Pay for Skills handelt, demnach
- erfolgskritische Skills (frühzeitig) definieren,
- diese in der Belegschaft identifizieren und entlang der Business-Strategie entwickeln,
- auf Marktwerte von Skills zurückgreifen und so verlässliche Entscheidungen über „Buy, Build, Borrow“ oder „Bot“ treffen.
In der Interaktion mit Unternehmen, die Pay for Skills etablieren wollen oder bereits erste Schritte unternommen haben, stehen unter anderem folgende Fragen im Zentrum:
- Inwiefern lässt sich die Vergütung von Skills mit den allgemeineren Vergütungs- und Personalstrategien im Unternehmen in Einklang bringen?
- Inwieweit liegen interne Daten zu den Fähigkeiten der Mitarbeitenden vor?
- Gibt es Zugang zu robusten Daten zum Angebot und zur Nachfrage von Skills?
Auf Basis der Diagnose ist es möglich, Technologien und Lösungen aufzuzeigen, die die Umsetzung von Pay for Skills realisieren.
Dr. Erik Anthes
Account Manager Rewards
Mercer Deutschland GmbH
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Jennifer Kurzke
Strategische Projektmanagerin
Mercer Deutschland GmbH
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