Die Inflation ist zweifellos einer der Wirtschaftsindikatoren, die derzeit am häufigsten in den Medien und im täglichen Leben diskutiert werden. In vielen Ländern der Welt erreicht die Inflation ein Niveau, das die Volkswirtschaft seit 30 oder 40 Jahren nicht mehr gesehen hat. Die steigenden Preise stellen nicht nur für Normalverbraucher, sondern auch für Unternehmen und den Staat eine Herausforderung dar. Wegen der steigenden Preise fordern die Arbeitnehmer einen Ausgleich für den Kaufkraftverlust, sprich eine Gehaltserhöhung. Im Folgenden stellen wir Maßnahmen vor, die (internationalen) Konzernen zur Verfügung stehen.
Wie wird Inflation gemessen?
Die Inflationsrate wird in Deutschland monatlich durch das Statistische Bundesamt berechnet und veröffentlicht. Zur Messung der Inflation wird ein Verbraucherpreisindex angewendet, der auf einem Warenkorb von 650 Güterarten basiert, welcher die von privaten Haushalten gekauften Waren und Dienstleistungen repräsentiert. Das Statistische Bundesamt erhebt ebenfalls den harmonisierten Verbraucherpreisindex, der nach einheitlichen Regeln durch Eurostat berechnet wird.
Die beiden Indizes (Verbraucherpreisindex und harmonisierter Verbraucherpreisindex) unterscheiden sich aufgrund der unterschiedlichen Gewichtung der Güterarten leicht in der Höhe.
Die scheinbar triviale Frage nach der Inflationshöhe lässt sich nicht klar beantworten. Die Inflationshöhe hängt von der Wahl des Warenkorbs, der Entscheidung über dessen Gewichtung und vom Zeitraum ab, über den die Inflation gemessen wird. All diese Faktoren können zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Ein Beispiel für eine solche Diskrepanz ist die vom Statistischen Bundesamt gemeldete Inflationsrate. Laut Statistischem Bundesamt lagen der Verbraucherpreisindex bei 7,3 Prozent und der harmonisierte Verbraucherpreisindex (basierend auf der durch Eurostat vorgeschlagenen Gewichtung) bei 7,6 Prozent. In beiden Fällen wird der Index durch Vergleich mit dem Preisniveau im Vorjahresmonat ermittelt. Die durchschnittlichen Preise im März 2022 werden also mit den Preisen im März 2021 verglichen. Die Inflation kann sich allerdings ebenfalls auf das komplette Kalenderjahr beziehen, was zu einem abweichenden Ergebnis führen kann.
Aktuelle Inflationsraten – Unterschiede zwischen den Quellen
Internationale Konzerne benötigen eine verlässliche Quelle der Inflationsprognosen. Eine mögliche sind die lokalen statistischen Ämter, wobei durch die Unterschiede in den Berechnungsformeln die ermittelten Inflationsraten international nicht vergleichbar sind. Eine alternative Basis stellen die internationalen Organisationen oder Branchenportale dar, die Inflationsraten veröffentlichen.
Erhebliche Unterschiede in den von den verschiedenen Institutionen gemeldeten Inflationsraten stellen für internationale Konzerne zweifellos eine Herausforderung dar und erschweren die Planung von Gehaltserhöhungen. Im Fall von Deutschland beträgt der Unterschied mindestens zwei Prozentpunkte zwischen IMF und OECD.
Eine mögliche Lösung ist die Verwendung der Indizes, die von internationalen Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds bereitgestellt werden, und die Anwendung eines Indexes, der sich auf das komplette Geschäftsjahr bezieht. Auf diese Weise ist es möglich, die Unternehmensplanung mit dem Gehaltserhöhungsbudget zu synchronisieren.
Mögliche Reaktionen auf die steigende Inflation
Angesichts der steigenden Inflation müssen die Unternehmen die grundlegende Frage beantworten, ob und wie sie auf die Inflation reagieren sollen. Die Antwort auf diese Frage kann unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob man die hohe Inflation als ein vorübergehendes oder dauerhaftes Phänomen betrachtet. Im Folgenden stellen wir vier mögliche Szenarien vor, wie die Unternehmen reagieren können:
- Szenario 1: Nichts tun
Die einfachste Lösung wäre, angesichts der aktuellen Inflationsraten keine Maßnahmen zu ergreifen. Dieses Szenario wird wahrscheinlich von denjenigen Unternehmen bevorzugt, die die steigende Inflation nur als ein vorübergehendes Problem sehen. Der Grund für dieses Szenario könnte auch darin liegen, dass in den meisten Ländern der Welt die Gehaltserhöhungen in den vergangenen Jahren die Inflation überstiegen haben, sodass die Arbeitnehmer eine vorübergehende Verringerung der Kaufkraft hinnehmen werden.
Aus einer Mercer-Umfrage Anfang 2022 ging hervor, dass die Mehrheit der multinationalen Konzerne nicht plant, ihre Budgets für Lohnerhöhungen anzuheben. Sie akzeptieren, dass der Gehaltsanstieg unter der Inflation liegen wird.
- Szenario 2: Erhöhung des Grundgehalts
Die zweite mögliche Lösung besteht darin, die Grundgehälter mindestens um die Inflationsrate zu erhöhen. Dieses Vorgehen entspricht zweifellos den Erwartungen der Arbeitnehmer, ist jedoch nicht ohne Nachteile: Eine Erhöhung des Grundgehalts führt auch häufig zu einer Erhöhung anderer Gehaltsbestandteile (zum Beispiel bei Boni, die in Prozent des Grundgehalts festgelegt werden, oder Beiträgen zu bAV-Plänen). Die Anwendung dieses Szenarios erhöht also dauerhaft die Personalkosten des Unternehmens. Außerdem beeinflusst es die Erwartungen der Arbeitnehmer und kann ebenfalls die Inflationsspirale ankurbeln, was aus wirtschaftlicher Sicht ein gefährliches Phänomen ist.
- Szenario 3: Einmalzahlung
Einmalzahlungen bilden eine Alternative zu den Gehaltserhöhungen. Diese Lösung wurde bereits in der Vergangenheit von multinationalen Konzernen in den Ländern angewandt, in denen ein vorübergehender Anstieg der Preise oder eine Währungsabwertung zu einem zeitweisen Anstieg der Lebenshaltungskosten führte. Einmalige Zahlungen haben den Vorteil, dass sie keinen Anspruch auf die künftigen Ausgleichzahlungen begründen und auch von der Bemessungsgrundlage für Boni oder andere Zusatzleistungen ausgeschlossen werden können.
- Szenario 4: Zahlung gezielter Zuschüsse oder Nebenleistungen
Einmalzahlungen können wirksam sein, wenn die Preiserhöhung vorübergehend ist und keinen dauerhaften Kaufkraftverlust bedeutet. Wenn die hohe Inflation über einen längeren Zeitraum anhält, kann eine Alternative zur Erhöhung des Grundgehalts darin bestehen, einen Inflationszuschlag zum Gehaltspaket einzuführen. Dieser fließt wie die Einmalzahlung nicht in die Berechnung der Prämie oder der bAV-Beiträge ein. Der Inflationszuschlag kann auch in Form von Zusatzleistungen wie zum Beispiel Essensgutscheinen oder Prepaid-Karten erfolgen.
Wenn Unternehmen ein mögliches Reaktionsszenario in Betracht ziehen, ist es wichtig, die Dynamik und die Hauptantriebskräfte der Inflation zu verstehen. In den meisten europäischen Ländern sind die Preiserhöhungen auf die Lieferengpässe und Kraftstoffpreiserhöhungen zurückzuführen. Eine Alternative zur Erhöhung des Grundgehalts könnte daher darin bestehen, die Firmenwagenregelungen zu überarbeiten, um beispielsweise die private Autonutzung zuzulassen, die Arbeit von zu Hause aus zu ermöglichen oder den Mitarbeitern ein Jobticket anzubieten.
Fazit
Die steigenden Inflationsraten stellen aktuell eine der wichtigsten Herausforderungen für internationale Konzerne dar. Bei der finalen Entscheidung über die Maßnahmen sollte auch die Möglichkeit erwogen werden, unterschiedliche Maßnahmen für unterschiedliche Zielgruppen (Länder und/oder Mitarbeitergruppen) zu ergreifen. Besonders wichtig ist es, in dieser schwierigen Situation die Mitarbeiter zu unterstützen, die zur Gruppe der Geringverdiener gehören, da sie am meisten durch die steigenden Preise betroffen sind.
Mikolai Jaszczuk
Workforce Products Leader Schweiz
Mercer
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Tomasz Stachurski
Workforce Product Leader Deutschland & Österreich
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