Eine Sonderauszeichnung hat die Jury des Deutschen bAV-Preises 2016 an Nestlé Deutschland vergeben. Der Lebensmittelhersteller wurde für seinen grenzüberschreitenden Pensionsfonds, die Nestlé Pensionsfonds AG, ausgezeichnet, der 2015 die Geschäftstätigkeit im Ausland aufnehmen durfte. Damit hat erstmalig ein deutscher Pensionsfonds den Schritt über die Staatsgrenze gewagt. Das ist auch bei gleicher Sprache und artverwandter Rechtsordnung kein einfacher Schritt.
„Unsere österreichischen Unternehmen hatten den Wunsch, ihren Mitarbeitern eine bAV-Lösung anzubieten, die sich grundlegend an der Versorgung in Deutschland orientiert, gleichzeitig aber die in- und ausländischen Vorschriften erfüllt, was für einen grenzüberschreitenden Pensionsfonds die wohl größte Herausforderung ist“, so Jens Macco, Teamleitung Versicherungsmathematik und Systembetreuung bei der Neversa. „Einheitliche Altersvorsorgemodelle erhöhen in einem Konzern die Transparenz für den Arbeitnehmer und erleichtern die Administration für den Arbeitgeber.“
Die Nestlé Pensionsfonds AG hat im vergangenen Jahr als erster deutscher Pensionsfonds die aufsichtsrechtliche Genehmigung für die Geschäftstätigkeit in einem anderen Mitglieds-und Vertragsstaat erhalten (Stand Juni 2015, Market Development Report der EIOPA).
Seit Juli 2015 führen die Nespresso Österreich und die Nestlé Österreich ihre bAV über die Nestlé Pensionsfonds AG (NPF) mit Sitz in Deutschland durch. Insgesamt rund 800 Mitarbeiter mit einem geschätzten jährlichen Beitragsvolumen von 330.000 Euro nehmen teil. Weitere 2,7 Millionen Euro bereits bestehendes Deckungskapital für die Versicherten der Nestlé Österreich werden zum Jahresende von einer österreichischen Versorgungseinrichtung übertragen.
Von der ersten Ideenentwicklung bis zum tatsächlichen Start der monatlichen Beitragszahlungen vergingen mehr als drei Jahre. Ein wesentlicher Grund war, dass mit der NPF der erste Pensionsfonds überhaupt aus Deutschland heraus grenzüberschreitend tätig wurde. Dem Projekt fehlte damit eine Blaupause, auf der man hätte aufsetzen können. Die wesentlichen Eckpfeiler zur praktischen Umsetzung der Bestimmungen in § 117 VAG wurden daher in einer intensiven Zusammenarbeit vor allem mit der BaFin, aber auch mit der FMA, der österreichischen Finanzmarktaufsicht, entwickelt.
Eine große Erleichterung war, dass in ganz wesentlichen Punkten wie den zu verwendenden Rechnungsgrundlagen oder den zu beachtenden Kapitalanlageregelungen die in Deutschland geltenden Regelungen Anwendung finden können. Sehr positiv wirkt sich zudem aus, dass sich die NPF für das staatliche Förderprogramm in der österreichischen bAV qualifizierte. So können österreichische Arbeitnehmer, die freiwillig eigene Beiträge an die NPF leisten, bis zu einem Einzahlungsbetrag von jährlich 1.000 Euro die Förderung gemäß § 108a österreichisches EStG in Anspruch nehmen („Prämienbegünstigte Pensionsvorsorge“). Dies stellt einen wesentlichen Anreiz für die österreichischen Mitarbeiter(innen) dar, überhaupt Eigenbeiträge in die NPF zu entrichten.
Arbeits- und Sozialrecht als erste Herausforderung
Neben sämtlichen deutschen Regelungen müssen gemäß Art. 20 Abs. 5 der europäischen Pensionsfonds-Richtlinie von 2003 auch spezifische Anforderungen des Ziellandes eingehalten werden. Die „Information über zwingende Vorschriften in Österreich“, die der NPF von der FMA über die BaFin vermittelt wurde, gliederte sich in vier Abschnitte:
- Allgemeine gesetzliche Grundlagen
- Relevante arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften
- Informationsvorschriften
- Kapitalanlagevorschriften
Weitreichende Vorbereitungsarbeiten bzw. Umsetzungsarbeiten erforderten dabei insbesondere die Punkte b und c. „Die arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften des Ziellandes sind nach unserer Erfahrung Anforderungen, die im Vorfeld auf keinen Fall unterschätzt werden und möglichst frühzeitig geprüft werden sollten“, hebt Jens Macco hervor.
Dies erscheint vor allem auch deswegen sinnvoll, weil die Vermutung naheliegt, dass die Unterschiede in diesen Bereichen zwischen Deutschland und Österreich möglicherweise geringer sein könnten, als es zwischen Deutschland und anderen europäischen Ländern der Fall ist. Ebenso sollten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt eventuelle steuerliche Besonderheiten erkannt und eingeschätzt werden. „Für Österreich ergaben unsere Untersuchungen sowohl in lohn- wie auch in unternehmensteuerlicher Hinsicht eine Gleichbehandlung mit der Durchführung über österreichische Pensionseinrichtungen“, so Macco.
Nachfrage in Österreich
Alle Nestlé-Unternehmen in Österreich können mit einer entsprechenden Vereinbarung auf das bAV-Angebot der Nestlé Pensionsfonds AG zugreifen. Die Begünstigten dieses Modells profitieren von der Arbeitgeberbeteiligung und können zudem staatliche Zuschüsse auf eigene Beiträge geltend machen. Die Zuschüsse als sogenannte prämienbegünstigte Pensionsvorsorge und eine Aufstockung des Grundbeitrags vom Arbeitgeber sollen die Mitarbeiter motivieren, ihre kapitalgedeckte Altersvorsorge zu erhöhen.
Die österreichischen Nestlé-Unternehmen wollten dem Wunsch ihrer Mitarbeiter nachkommen, eine baV-Lösung anzubieten, die sich grundlegend an der bAV der deutschen Nestlé-Unternehmen orientiert. Zugleich sollte diese Lösung der marktüblichen Praxis in Österreich gerecht werden und die in- und ausländischen Vorschriften erfüllen. Letzteres erwies sich ohne Blaupause für grenzüberschreitendende Pensionsfonds als größere Herausforderung. Die praktische Umsetzung der Vorschriften war nur in enger Abstimmung mit den beteiligten Behörden möglich.
Fazit
Österreich bot für den ersten Versuch einer Grenzüberschreitung der Nestlé Pensionsfonds AG eher günstige Voraussetzungen in Bezug auf die arbeits- und sozialrechtlichen sowie die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen. Sprachliche Barrieren bestehen nicht, und mit 800 Mitarbeitern bzw. geschätzt 330.000 Euro Beitragseinnahmen p.a. sowie einem zu übertragenden Deckungskapital von 2,7 Millionen Euro waren auch die Größenordnungen und die damit verbundenen Risiken überschaubar. Trotzdem war die Umsetzung nicht einfach und sehr zeitintensiv. „Der Weg ins Ausland ist damit nach unserer ersten Erfahrung für eine deutsche Pensionseinrichtung trotz der Absichtsbekundungen auf europäischer Ebene, die Grenzüberschreitung im bAV-Geschäft zu erleichtern, nach wie vor mit einem erheblichen Aufwand verbunden und birgt durchaus die Gefahr eines Scheiterns in sich“, resümiert Jens Macco.