Vor rund zwei Jahren sind Altersteilzeitmodelle und deren staatliche Förderung bei den Berliner Wasserbetrieben ausgelaufen. Doch die Arbeit, egal ob im Kanal, im Wassernetz oder im Schichtbetrieb, ist körperlich fordernd, weshalb die Nachfrage der Beschäftigten der Wasserbetriebe nach einer neuen Regelung für die Altersteilzeit fortbestand. Bei der Suche nach neuen Möglichkeiten für einen früheren Ausstieg beschloss das öffentliche Unternehmen, Zeitwertkonten einzuführen. Die Nachfrage der Kollegen bestätigt, dass der Weg richtig ist.
„My Time“, das neue Wertkontenmodell der Berliner Wasserbetriebe, bietet den Mitarbeitern im Vergleich zu den bisherigen Altersteilzeitmodellen die Möglichkeit, innerhalb eines Modells sowohl Altersvorsorge betreiben als auch die Lebensarbeitszeit flexibilisieren zu können. Der Arbeitgeber fördert das Modell auf mehreren Ebenen, etwa durch die Entgeltumwandlung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung und durch die hauseigene Finanzierung und Verwaltung des Modells.
„Die Beschäftigten zahlen in ihrer Entnahmephase über ihr vorher angespartes Entgelt weiter Beiträge in die Rentenversicherung ein“, erklärt Felix Helsing, Projektleiter im Personalmanagement der Berliner Wasserbetriebe. Damit entstehen ihnen deutlich geringere Rentenkürzungen als bei anderen Modellen. Zusätzlich zahlen die Berliner Wasserbetriebe in der Ansparphase ungeminderte Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung. Da das Unternehmen eine Anstalt öffentlichen Rechts ist, darf es die Administration der Geldanlage durch ein internes Abrechnungssystem inhouse umsetzen. Beraten lassen haben sich die Berliner Wasserbetriebe vorab durch einen spezialisierten Dienstleister.
Ausstieg in zwei Zeitstufen
Die bisherigen Schwerpunkte bei der Gestaltung der Arbeitszeit und der finanziellen Zusatzleistungen des Unternehmens lagen in der Flexibilisierung der täglichen Arbeitszeit und der Altersvorsorge. Der dritte Baustein, die individuelle flexible Gestaltung der Lebensarbeitszeit, stand bisher nicht im Fokus. „Mit My Time wollen wir die Erwartungen unserer Beschäftigten und gerade die der neuen Mitarbeiter in Bezug auf eine gute Work-Life-Balance und die unternehmerische Planungssicherheit miteinander in Einklang bringen“, erläutert Felix Helsing.
Deshalb können Beschäftigte über ein Ansparmodell Teile des Entgelts auf einem Sparkonto ansparen, um in Zukunft ein Sabbatical einzulegen, um sich früher komplett vom Erwerbsleben freistellen zu lassen oder um für eine Entgeltaufstockung zur Arbeit in Teilzeit zu sparen. Ein Ausstieg in den Ruhestand kann im Block oder in zwei Schritten erfolgen. Bei dem Stufenmodell handelt es sich um gleich lange Zeiträume, in denen die Beschäftigten 25 Prozent bzw. 50 Prozent der Zeit weniger arbeiten. Natürlich hängt die Möglichkeit dazu vom angesparten Kapital ab. Der Personalvorstand der Berliner Wasserbetriebe hat 2014 in Abstimmung mit dem Personalrat beschlossen, das Nachfolgemodell für die Altersteilzeit anzubieten. Hierfür war es notwendig, eine Dienstvereinbarung mit Personalräten auszuhandeln.
Gerade die inhaltliche Ausgestaltung des Modells erwies sich als Herausforderung, denn der Gesetzgeber und die Sozialversicherungsträger haben einige Details des Wertkontenmodells nicht abschließend geregelt. Dabei ging es etwa um das Thema Urlaub, aber auch um privat versicherte Beschäftigte. „Darüber hinaus haben wir mit einer internen Geldanlage Neuland betreten“, resümiert Felix Helsing.
Die Nachfrage bestätigt die Wahl des Modells
Mit ihrer Personalstrategie setzen die Berliner Wasserbetriebe auf nachhaltige Personalinstrumente. Als öffentliches Unternehmen können und wollen sie nicht mit anderen Unternehmen in Konkurrenz um die attraktivsten Gehälter oder besten Incentives treten. Doch um die geplanten Neueinstellungen in Zukunft zu realisieren, will der Arbeitgeber neben dem Gehalt noch andere Möglichkeiten anbieten.
So sind flexible Arbeitszeitmodelle und attraktive Arbeitsbedingungen wichtige Tools, um Mitarbeiter zu gewinnen und sie langfristig zu binden. Mit dem Wertkontenmodell „My Time“ haben die Beschäftigten die Möglichkeit, ihre künftige Lebensplanung individueller zu gestalten. Dabei gewinnt die Personalabteilung mehr Sicherheit für die eigene Personalplanung, da sie bereits frühzeitig mit den Beschäftigten über die Lebensplanung ins Gespräch kommt.
Und das Interesse der Mitarbeiter an dem neuen Wertkontenmodell erwies sich nach einer umfangreichen Kommunikations- und Informationskampagne im ersten Quartal 2015 als sehr groß. Dies gilt sowohl für die Beschäftigten aus allen Tätigkeitsbereichen als auch für die Führungskräfte. Das bestätigen die Rückmeldungen und die unterschiedlichen Sparbeträge, die die Beschäftigten individuell gestalten. „Die monatlichen Beiträge bewegen sich zwischen 50 Euro und 1.000 Euro“, fasst Felix Helsing zusammen. Daraus lässt sich folgern, dass viele Beschäftigte ihr weiteres Leben bereits jetzt planen. Zukünftig will das Unternehmen die eigene Personalplanung und die Lebenspläne der Beschäftigten enger aufeinander abstimmen.
Ungewiss ist hingegen derzeit, in welcher Form die Mitarbeiter künftig die eigenen Guthaben in Anspruch nehmen werden. Bislang gab es bei den Berliner Wasserbetrieben noch keinen stufenweisen Ausstieg. Die ausgelaufene Altersteilzeit setzte sich hingegen aus einer kompletten Arbeitsphase und einer kompletten Freiphase zusammen. Doch bald werden die Berliner ihre Erfahrungen sammeln, denn Mitte 2016 plant die erste Mitarbeiterin nach dem neuen Modell eine temporäre Unterbrechung der Berufstätigkeit. Mit dem ersten vorzeitigen Rentner mit Hilfe des Zeitwertkontos rechnet das Unternehmen in fünf bis sechs Jahren.
Dr. Guido Birkner,
verantwortlicher Redakteur Human Resources
FRANKFURT BUSINESS MEDIA – Der F.A.Z.-Fachverlag