Die genaue Ausgestaltung der neuen Institutsvergütungsverordnung (IVV) steht aktuell nach den Änderungsvorschlägen der EU-Kommission zur Eigenkapitalrichtlinie (CRD) noch nicht endgültig fest. Was wird sich durch die neue IVV für die Sparkassen voraussichtlich verändern?
Ralf Jasny: Die neue IVV wird wohl nur einige große Sparkassen betreffen – und selbst sie nur in geringem Maße. So hat die Hamburger Sparkasse eine Bilanzsumme von etwas über 40 Milliarden Euro und steht damit bereits unter der Aufsicht der Europäischen Zentralbank. Die EZB-Kontrolle greift ab einer Bilanzsumme von 30 Milliarden Euro. Die IVV trifft in Deutschland in erster Linie private Großbanken. Vor allem dort müssen Boni gecapt und Verantwortungsträger identifiziert werden. Solche Vorschriften betreffen die Sparkasse schon deshalb kaum, weil dort deutlich niedrigere Boni gezahlt werden. Die sind in der Regel auf maximal 15 Prozent des Grundgehalts eines Vorstandsmitglieds begrenzt. Viele Sparkassen zahlen überhaupt keine Boni. Dort fehlen Leistungsanreize, so dass die neue IVV ins Leere greifen wird.
Dann ist die Vorstandsvergütung in der Sparkassenwelt also in Ordnung?
Ralf Jasny: Mitnichten! Der Bonus in der Sparkassenwelt ist die Pensionszusage. Wenn ein neuer Sparkassenvorstand beispielsweise mit einem festen Grundgehalt von 300.000 Euro angestellt wird, dann muss seine Sparkasse für ihn in den ersten beiden Jahren eine Pensionsrückstellung bilden, die sich auf das Vier- bis Fünffache seines Grundgehalts beläuft. Unter reinen Cashflow-Gesichtspunkten besteht aber kein großer Unterschied zwischen der Vergütung des beschriebenen Sparkassenvorstands mit seiner Pensionszusage und einem Bankmanager aus dem privaten Sektor mit einem Bonus, der zeitlich verschoben ausgezahlt wird. Die einzige Differenz sehe ich darin, dass der Bonus leistungsabhängig ist, die Pensionszusage aber nicht.
Die Höhe solcher Pensionszusagen ist also aus Ihrer Sicht unangemessen?
Ralf Jasny: Der Existenzzweck mancher Sparkasse besteht darin, die Pensionen für die alten Vorstände zu erwirtschaften. Um seine Pensionsansprüche zu sichern, will ein Sparkassenvorstand sein Amt durchlaufen, ohne sich irgendwie angreifbar zu machen. Er vermeidet in seiner Geschäftsführung penibel jegliches Risiko, das eventuell zu Fehlern führen könnte, für die er juristisch zu belangen wäre. Und wenn Sparkassen bei ihrer Kapitalanlage Risiken eingehen, dann lassen sie sie nach außen nicht als solche Risiken erscheinen. So investiert manche Sparkasse praktisch die gesamten Spareinlagen ihrer Kunden in extern gemanagte Fonds, in Renten, Anleihen oder Aktien. Die managt dann ein institutioneller Anleger. Bei Sparkassenvorständen überwiegt eher die Untätigkeit als die Bereitschaft, ein gewisses Geschäftsrisiko einzugehen. Lieber schließen sie eine Filiale, als sich darüber Gedanken zu machen, wie sie sie sinnvoller gestalten könnten.
Wie hoch sind die Pensionszusagen für Sparkassenvorstände?
Ralf Jasny: Vorstände bekommen in der Regel laut Anstellungsvertrag rund 55 Prozent ihrer letzten Festbezüge als Pensionsleistung. Hinzu kommt, dass die Vorstandsbezüge oft an die Tarifbezüge des öffentlichen Dienstes gekoppelt sind. Kommt es bei Letzteren zu einer Anhebung, steigt auch die Vergütung des Sparkassenvorstands, obwohl dieser nicht mehr dafür getan hat. In der Konsequenz muss auch seine Pensionsrückstellung nach oben angepasst werden. Das kann pro Tarifrunde zu einem Sonderbonus im sechsstelligen Bereich führen.
Wie sollte aus Ihrer Sicht eine effiziente Vergütungsstruktur im Sparkassenbereich aussehen?
Ralf Jasny: Die Pensionszusagen in der bestehenden Form sind ersatzlos zu streichen. Die Vorstände brauchen ein ordentliches Grundgehalt und eine leistungsabhängige Vergütungskomponente. Gerade Letztere muss von den Aufsichtsorganen geprüft und nachgehalten werden. Dafür braucht es einen Verwaltungsrat, dessen Mitglieder in der Lage sind, die Strategie und die Maßnahmen eines Sparkassenvorstands fachlich zu beurteilen. Die Struktur und Zusammensetzung der Verwaltungsräte sind das eigentliche Übel. Es bedarf eines transparenten, öffentlichen Berufungsverfahrens und einer adäquaten Bezahlung der Mitglieder des Verwaltungsrats.
Woran hapert es denn bei Verwaltungsräten von Sparkassen?
Ralf Jasny: Die Ursache liegt in der mangelhaften Kontrolle der Sparkassen durch ihre Verwaltungsräte. Die Sparkassengesetze der Bundesländer schreiben eindeutig eine Aufsichts- und Kontrollpflicht der Verwaltungsräte gegenüber dem Vorstand vor. Doch vielen Verwaltungsräten fehlen das Grundwissen über das Bankgeschäft und ein Gespür für die Prozesse in einer Bank. Sie prüfen die Geschäftstätigkeit und die Strategie von Sparkassenvorständen nicht kritisch genug. Bei Gewinnausschüttungen hat kein Vorstand ein Interesse daran, auch nur einen Euro an den Träger, also in der Regel an Kommunen oder Landkreise, abzutreten. Dahinter stehen auch egoistische Motive. So ist bei den Vergütungsempfehlungen der Sparkassenverbände in Nordrhein-Westfalen die Höhe der Vorstandsgehälter an die Höhe der Eigenkapitalquote eines Instituts gekoppelt. Da wäre eine Gewinnabführung an die Träger kontraproduktiv.
Kennen Sie auch positive Beispiele?
Ralf Jasny: Bei der Frankfurter Sparkasse wird ein Teil des Gewinns an den Träger, die Hessische Landesbank, abgeführt. Obwohl die Frankfurter Sparkasse bei der Eigenkapitalausstattung nicht zu den öffentlichen Spitzeninstituten zählt, war es dort möglich, Anreize zu schaffen und Bonuszahlungen und leistungsabhängige Vergütungsbestandteile für die Vorstände einzuführen. Das wäre für andere Sparkassen Teufelszeug. Doch die Frankfurter Sparkasse arbeitet mit Vergütungsanreizen für Vorstände viel effektiver. Dort sitzen aber Persönlichkeiten im Verwaltungsrat, die verstehen, wie eine Bank funktioniert.
Wie sieht es bei den übrigen Sparkassen aus?
Ralf Jasny: Mancherorts versuchen Stadtkämmerer durchzusetzen, dass ihre Kommune als Träger am Gewinn der Sparkassen partizipiert. Doch meistens können die Kämmerer die Vorsitzenden des Verwaltungsrats aus dem Rathaus oder aus dem Kreis nicht dazu bewegen, auf den Sparkassenvorstand einzuwirken. Ein positives Beispiel ist der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel. Er hat durchgesetzt, den Anstellungsvertrag des letzten Vorstandsvorsitzenden der Düsseldorfer Sparkasse nicht zu verlängern. Das Fixgehalt dieses Vorstands beträgt in Düsseldorf 595.000 Euro. Bis zur Pensionierung erhält der Vorstandsvorsitzende ein Übergangsgeld in Höhe der Hälfte seiner bisherigen Bezüge, also rund 300.000 Euro. Ab Erreichen des Pensionsalters bekommt er den gleichen Betrag noch einmal als Pension. Diese Höhe ist niemals gerechtfertigt.
Fehlt hier nicht auch eine Instanz, die den Verwaltungsrat kontrolliert?
Ralf Jasny: Auf jeden Fall. Bei einer großen Aktiengesellschaft übernehmen Aktionäre, vor allen institutionelle Investoren, diese Rolle. Wer soll diese Rolle bei einer Sparkasse übernehmen? Mir ist schleierhaft, wie ein Verwaltungsrat sehenden Auges Anstellungsverträge mit solch horrenden Pensionsansprüchen unterschreiben kann. Die Sparkassenverbände legen die Richtlinien für die Vorstandsvergütung fest, und die Träger der Verbände sind die Sparkassen selbst. In den Vergütungsausschüssen sitzen wiederum die Sparkassenvorstände neben Oberbürgermeistern oder Landräten. Diese Ausschüsse beschließen die Vergütungsrichtlinien, die die Verbände dann veröffentlichen. Sparkassen sind Selbstbedienungsläden der eigenen Vorstände.
Das Gespräch führte Guido Birkner.