Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

Stellenbewertung in einer Welt der Veränderung

Bereits vor der aktuellen Krise durch die Pandemie haben Veränderungen der Geschäftsmodelle und digitale Technik einen starken Einfluss auf die Organisation der Arbeit gehabt. Dabei spielten die Anpassung des Designs der Arbeit und deren Organisation in entsprechenden Architekturen, die Messung und die Verlinkung zu Talent-Management-Prozessen wie zum Beispiel Karriereentwicklung eine wesentliche Rolle. Die Stellenarchitektur, Stellenbewertung und Karrieremodelle waren bereits Kernprioritäten, um den strategischen strukturellen Wandel auch in der Belegschaft voranzutreiben.

Die Pandemie hat sehr kurzfristig und massiv die Art der Arbeitserbringung verändert. Dadurch mussten Unternehmen die ohnehin geplante oder bereits begonnene Transformationsstrategie für die Belegschaft überdenken bzw. noch einmal beschleunigen.

Die letzten Umfragen von Korn Ferry zu Auswirkungen von Covid 19 haben gezeigt, dass Rewards Führungskräfte dieses Thema unter den Top 5 Initiativen mit Fokus auf den Zeitraum der nächsten sechs Monate bis zu zwei Jahre sehen. Der Prozess zum Verstehen, Analysieren und Bemessen von Arbeit ist nach wie vor zentral von Bedeutung für viele Personalmanagement Prozesse.

Wo kommen wir her? Warum gibt es die Aufregung? Wir kommen aus eher formalen, sicheren und eher langsamen Organisationen und organisationalen Veränderungen. Die Stellenbewertung hat sich zu einem übergreifend wenig geliebten Prozess entwickelt, der aber als notwendiges Übel weiter Bestand hat. Leute mögen es tendenziell nicht besonders, Stellenbeschreibungen anzufertigen, und die Halbwertzeit der Inhalte der Beschreibungen nimmt ab. Der Prozess vom Erkennen des Bedarfs einer neuen Bewertung bis zum abgestimmten Ergebnis ist zu langsam und dauert zu lange. Die angewendeten Methoden erscheinen kompliziert und etwas aus der Mode. Bei langjähriger Nutzung können Gaming-Effekte auftreten, und die weiteren relevanten Prozesse im Personalmanagement sind nicht gut integriert. Es gibt zum Beispiel häufig unterschiedliche, zusätzliche Prozesse für Stellenanalyse, Vergütung, Leistungsmessung, Rekrutierung, Personalentwicklung usw.

Wo sind wir bereits bzw. wo gehen weiter hin? Zunehmend finden wir Netzwerkorganisationen mit agilen und diversen Strukturen. Diese benötigen für das Work Measurement weiterentwickelte Instrumente, die eine moderne und agilere Sprache nutzen, den zukünftigen Fit für Mitarbeitende identifizieren, eine Kultur der Entwicklung und Leistung entwickeln. Unter Work Measurement verstehen wir die Zusammenfassung aller Aktivitäten in Beziehung zu einem systematischen Prozess der logischen Aufreihung und eines fairen Vergleichs von Job zu Job gegen vordefinierte Kriterien um ihre relative Bedeutung für eine Organisation zu bestimmen.

Diese Instrumente verfolgen einen integrierten Ansatz für Talent-Management und entlohnen die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Mitarbeitenden. Weiterhin werden sie mit angepasster Governance – mit stärker dezentraler Befähigung bei sichergestellter einheitlicher Anwendung – implementiert. Nicht zuletzt ermöglicht durch den Einsatz von digitalen Lösungen. Sie sind verlinkt mit Kompetenzmodellen und Instrumenten der Personalentwicklung. Schaffen mehr Flexibilisierung und sind einfacher und wo möglich standardisiert.

Organisationen benötigen dafür eine singuläre Quelle der Wahrheit für das Talent-Management über Arbeit und Rollen im Gegensatz zu unterschiedlichen Variationen der Inhalte und Formate, die auf unterschiedliche Quellen und Systeme verteilt sind – ein „Operating System of Talent“.

Informationen über Rollen, Fähigkeiten, Qualifikationen, Mitarbeiterdaten und Erfahrungen sind an einem Ort und können integriert ausgewertet und genutzt werden.

In der neuen Welt werden wir Stellen zu etwas Ähnlichem oder Vergleichbaren in existierenden Katalogen mit Best-in-Class-Vorlagen zuordnen (matchen).

Beginnen wir mit der Definition und Beschreibung dessen was Erfolg ausmacht. Dies zunächst auf den Ebenen des Zwecks oder Purpose der Stellen und der Kernverantwortlichkeiten. Um diesen Kernverantwortlichkeiten (Accountability) gerecht zu werden benötigt es ganz bestimmte Kompetenzen und Fertigkeiten (Capability) deren Beschreibungen und Bewertungen dynamisch mit den Kernverantwortlichkeiten verknüpft sind. Dadurch können Veränderungen beim Zuschnitt der Rolle direkt den Rahmen für Entwicklung oder auch Auswahl von geeigneten Personen und Persönlichkeitsprofilen (Identity) entsprechend anpassen und zugänglich machen.

Die Bewertungen dieser Profile erfolgen dynamisch zeitgleich mit der Anpassung von Inhalten. Bewertungen werden automatisch vorgeschlagen, teilweise mit typischen Rationalen hinterlegt. Vorschläge können angenommen oder abgelehnt werden.

Warum ist das wichtig? Wir gehen davon aus, dass folgende Treiber die Notwendigkeit von digitalen ganzheitlichen Lösungen im Zusammenhang mit Work Measurement bestimmen werden.

Stärkere Verbindung zwischen der Stelle und der Person. In integrierten Lösungen kann die Transformation der Arbeit und notwendige Entwicklung der Personen simultan erfolgen.

Fokus auf Gleichbehandlung. Der Anspruch auf gleiche Behandlung bei Vergütung, Karriere usw. braucht strukturelle Rahmen, um neutral Transparenz zu schaffen und Bias zu überwinden.

Verknappung der Ressourcen. Umfassende Stellenarchitekturen erlauben die effizientere Nutzung von internen Ressourcen und Talenten durch Mobilität, Transparenz und Erkennbar machen nicht linearer Karrieren.

Kosten. Ganzheitlichere Betrachtung von Stellenwert und Beitrag der Personen ermöglichen die Optimierung zwischen den Personalkosten für das Unternehmen und den Wertbeitrag aus den Fähigkeiten der Belegschaft.

Datenanalyse. In einer Zeit von schnellem Personalabbau bei gleichzeitigem Aufbau, Kurzarbeit und Umnutzung von Talent, eröffnen digitale Technologien und effektives Datenmanagement den Organisationen unglaubliche Erkenntnisse in die Verteilung der Belegschaft, Produktivität, Fähigkeiten, Engagement und Kosten. Das Versprechen zu einer Optimierung der Belegschaft und Refinanzierung der Investition in IT verlässt sich dabei auf einen aktualisierten, relevanten und organisierten Jobkatalog.

Anhaltende Transformation von Unternehmen. Neben Effizienz und Automatisierung arbeitsaufwändiger Tätigkeiten werden integrierte Portale mit Talent-Prozessen inklusive Vergütung, Entwicklung, Nachfolge, Rekrutierung strategisch wichtige Perspektiven auf Talente und Jobs bieten.

Nach vorn gerichtet erwarten wir, dass die Neugestaltung der Arbeit viel schneller passieren wird, organischer und auf eine ganzheitlichere Art und Weise. Es wird weniger Geduld für eine sehr granulare Analyse spezieller Jobs geben. Dafür mehr Bedarf für Klarheit hinsichtlich des Zwecks von bestimmten Rollen. Die Stellen werden zunehmend von den Fähigkeiten getrieben werden, zugeschnitten in gleichem Maße von den Möglichkeiten der Menschen, die die Arbeit ausführen wie die organisatorische Verankerung in Kästchen und Linienbeziehungen. Bedeutende Tätigkeiten – Arbeit mit Bestimmung und Auswirkung – werden die Schlüssel Abgrenzungsfaktoren sein, um Toptalente anzuziehen, zu halten und zu motivieren.

Arbeit unterliegt allem, dass ein Geschäft tut. Transformationale Zeiten rufen nach neuen, vorausgerichteten Ansätzen, wie Arbeit strukturiert, mobilisiert und vergütet wird. Für vorausschauende Unternehmen ist es jetzt Zeit, veraltete Prozesse und Ansichten über Stellen hinter sich zu lassen und eine neue Arbeitswelt willkommen zu heißen.

Holger Jahn
Senior Client Partner
Korn Ferry
holger.jahn(*)kornferry(.)com
www.kornferry.com