Die COVID-19-Pandemie zwingt die deutsche Wirtschaft in eine ihrer tiefsten Krisen. Damit stehen hohe Boni und Langfristvergütungen für das erfolgreiche Geschäftsjahr aktuellen Liquiditätsengpässen und deutlich schlechteren Geschäftsaussichten gegenüber. Letztere haben absehbar tiefgreifende Auswirkung auf zukünftige Vergütungsniveaus.
Das zurückliegende Geschäftsjahr war vielfach ein sehr gutes. Bonusauszahlungen von über 100 Prozent der Zielbeträge stellen daher keine Seltenheit dar. Vor dem Hintergrund des durch die öffentlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie bedingten wirtschaftlichen Einbruchs wurde jedoch vielfach diskutiert, ob – zur Schonung von Liquidität – Bonusauszahlungen regulär erfolgen sollen. Allerdings sind im deutschen Arbeitsrecht Bonusreduzierungen für bereits erdiente Ansprüche nur auf freiwilliger Basis möglich. Eine Ausnahme hiervon stellen Banken dar, die den Nachweis erbringen müssen, dass sie sich die Bonusauszahlung vor dem Hintergrund der aktuellen und zukünftigen Kapital- und Liquiditätsausstattung auch „leisten“ können.
Basierend auf aktuellen hkp/// group-Studien haben für das abgelaufene Geschäftsjahr angesichts des großen wirtschaftlichen Drucks zahlreiche große Unternehmen bereits die Option einer Reduzierung von Bonuszahlungen gezogen. Stand Ende April tragen sich noch rund 13 Prozent mit dem Gedanken, diese Zuwendungen zu reduzieren. Alternativ räumen Unternehmen Mitarbeitern und Führungskräften ein Wahlrecht ein, Boni sofort in Aktien zu erhalten oder als Barvergütung aufzuschieben. Die Auszahlung in Aktien führt zwar zu keiner Kostenreduktion, hat aber einen unmittelbaren Liquiditätseffekt. Die Bonusansprüche können dabei als Sacheinlage ins Unternehmen eingebracht werden und dessen Eigenkapital erhöhen. Jedoch sind diese Bezüge unmittelbar zu versteuern.
Alternativ bietet sich eine Aufschiebung von Bonuszahlungen in Aktien oder virtuellen Unternehmensanteilen mit einer Sperrfrist an, so dass die steuerliche Belastung erst beim eigentlichen Zufluss stattfindet. Über diesen Ansatz können letztlich auch Mitarbeiter am zukünftigen Aufschwung des Unternehmens partizipieren. Von der Möglichkeit, Liquidität über Auszahlungsaufschübe zu schonen, haben nach aktuellen hkp/// group-Studien bislang rund 5 Prozent der europäischen Unternehmen Gebrauch gemacht; weitere 13 Prozent erwägen es.
Ein Einfrieren von Gehaltserhöhungen bzw. das Aussetzen von Gehaltsanpassungen wirken sich unmittelbar auf die Liquidität als auch auf die Kosten der Unternehmen aus. Auch diese Verzichte lassen sich als Solidarbeiträge in Mitarbeiterbeteiligung wandeln und werden so vielfach auch von Mitbestimmungsseite willkommen geheißen.
Daneben haben Dutzende große deutsche Unternehmen – davon neun aus dem DAX – den Verzicht ihrer Vorstände und teilweise auch Top-Führungskräfte auf Gehalt bekannt gegeben. Diese Solidaritätsbekundung des Managements hat allerdings eher symbolischen Wert als einen signifikanten ökonomischen Effekt. Die Botschaft, dass alle in einem Boot sitzen und entsprechend handeln, bestimmt den eigentlichen Wert dieser Maßnahme.
Vorsicht bei Anpassungen von Bemessungsgrößen
Derzeit überlegen mehr als ein Viertel der Unternehmen, inwieweit Ziele für das Geschäftsjahr 2020 neu definiert werden können. Eine Anpassung der Planung auf die Krisensituation ist sicher erforderlich. Ob dabei die Ziele für die Bemessung der variablen Vergütung nach unten korrigiert werden sollten, ist fraglich. Vor allem sollte in dieser Diskussion nicht vergessen werden: Zur Natur der variablen Vergütung gehört es, dass sie sich am Erreichen von Zielen orientiert.
Ob die variable Vergütung vorrangig für Anstrengungen und/oder eintretenden Erfolg gezahlt wird, ist dabei abhängig von der Führungsebene. Fakt ist: Ein Vorstand schuldet dem Unternehmen allein den Erfolg. Investoren erwarten daher, dass die Vergütung des Vorstands, aber auch der Top-Etagen darunter, konsequent mit der Unternehmensperformance atmet. Ein Rekalibrieren von Zielen, die dann zu Auszahlungen bei 100 Prozent der Zielbeträge oder darüber führen, wird zu Widerstand auf Seiten von Investoren und Stimmrechtsberatern führen. Auch löst eine solche Anpassung unter Umständen eine ad-hoc-Publizität aus. Sie wäre bei börsennotierten Unternehmen zudem als Abweichung vom Deutschen Corporate Governance Kodex zu erklären. Eine Anpassung der zugrundeliegenden finanziellen Kennzahlen (Cashflow etc.) kann hingegen durchaus sinnvoll sein.
Nagelprobe für individuellen Performance-Bezug im Bonus
Ganz anderen Herausforderungen und Fragestellungen müssen sich Unternehmen stellen, die die individuelle Leistung vom Bonus entkoppelt haben. In der Vergangenheit hatte gerade dieser Mechanismus häufig dazu geführt, dass Bonusauszahlungen nicht gänzlich entfallen, sondern als Ausgleichsposten für schlechte Unternehmens- oder Bereichsperformance dienten.
Bei einer Entkopplung des Bonus von der individuellen Leistung hängen die entsprechenden Zahlungen allein vom kollektiven Erfolg auf den unterschiedlichen Unternehmensebenen ab und sind damit deutlich volatiler. In diesem Kontext wird die absehbare Krise zum ersten wirklichen Test für derartig veränderte Bonussysteme.
Aktuell prüfen Unternehmen vielfach, ob sie spezifische Incentives als Spot-Boni ausloben sollen. Hintergrund ist die Tatsache, dass, obwohl weite Teile der Belegschaft in Kurzarbeit agieren, bestimmte Bereiche oder auch einzelne Mitarbeiter mit deutlicher Mehrarbeit konfrontiert sind. Die Marktpraxis zeigt diesbezüglich kein einheitliches Bild. Es gilt personalpolitisch abzuwägen, ob und in welchen Dimensionen derartige Sonder-Incentivierungen in die Zeit passen, und nicht zuletzt auch, ob sie mit der Unternehmenskultur vereinbar sind.
Auch betroffen: die Langfristvergütung
Mehrjährige Aktienpläne, die in 2020 zur Auszahlung kommen, wurden oder werden von Unternehmen überwiegend regulär ausgezahlt. Abhängig von deren Gestaltung sind sie von den aktuellen Kursverfällen und Performance-Einbrüchen unterschiedlich betroffen.
Einige Unternehmen gewähren ihre entsprechenden Pläne sehr früh im laufenden Geschäftsjahr, die Mehrheit jedoch erst im zweiten Quartal. So kann es durchaus vorkommen, dass Pläne im ersten Quartal noch auf Basis relativ stabiler Aktienkurse gewährt wurden, während folgend auf deutlich reduziertem Kursniveau aufgesetzt wird und damit werthaltigere Zusagen gegeben werden. Mit Blick auf diesen Konflikt gehen viele Unternehmen mit gutem Beispiel voran und nehmen keine Anpassungen vor. Ein Viertel der Unternehmen in Deutschland hat die LTI-Gewährung vorerst aufgeschoben.
Allerdings hängt die Beeinträchtigung der während der Krise laufenden LTI-Pläne stark von der Ausgestaltung ab. Spannend dürften insbesondere die Auszahlungen im Jahr 2021 werden. Diese haben als letzten Performance-Zeitraum das Krisenjahr 2020 und dürften absehbar zu geringeren oder keinen Auszahlungen führen. Bei einer typischen Planlaufzeit von vier Jahren und einer jährlichen (rollierenden) Gewährung können grundsätzlich bis zu vier Pläne in ihrer Performance von der Krise betroffen sein, abhängig von der Dauer der Krise aber auch noch weitere Tranchen. Das bedeutet, dass in den kommenden Jahren nicht nur Jahresboni, sondern auch Langfristvergütungen deutlich geringer ausfallen dürften.
Die Krise als Chance
Bedingt durch die Performance-Orientierung und den mittlerweile signifikanten Anteil an der Gesamtvergütung ist in den kommenden Jahren mit deutlich geringeren variablen Bezügen zu rechnen. Unternehmensleitungen und Aufsichtsräte sollten sich sehr genau anschauen, ob und inwieweit auf absehbare Änderungsforderungen einzugehen ist. Die Antwort auf diese Frage ist Ausdruck von Glaubwürdigkeit, Konsequenz und Nachhaltigkeit. Gleichzeitig ist im Gegenzug mehr denn je Leadership gefragt. Es genügt nicht, sich hinter Zahlen und Systemen zu verstecken.
Gleichzeitig wohnt in jeder Krise eine Chance. Warum nicht jetzt über Jahre aus dem Tritt gekommene Systeme neu ausrichten und kalibrieren? Warum nicht zumindest die Diskussion über den Zweck variabler Vergütung im Unternehmen führen? Ist es eine reine Auszahlungsmaschine oder auch ein Führungsinstrument? Dazu braucht es nicht nur Anlass, sondern ohne Frage vor allem auch Mut.
Nina Grochowitzki
Senior Manager
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Dr. Christine Abel Partner
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Petra Knab-Hägele
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