Mit Gehaltserhöhungen von durchschnittlich 3,5 Prozent für das Jahr 2022 reagieren Unternehmen auf die aktuell hohe Inflation. Diese liegt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aktuell bei 7,5 Prozent.
Höhere Gehaltssteigerungen – im Gleichschritt mit der Inflation – sind vielen Unternehmen in Deutschland nicht möglich. Das hat verschiedene Gründe:
- Erstens können sich viele Unternehmen nach den Jahren der Pandemie nicht leisten, ihre Gehälter deutlich anzuheben.
- Zweitens müssten Unternehmen Sprünge in den Personalkosten mittelfristig auf ihre Produkte umlegen. Das könnte ihre Position im Wettbewerb schwächen.
- Und schließlich richten sich Vergütungsbudgets nach vielen Faktoren, unter anderem nach der Vergütungsphilosophie, den Zielen, der wirtschaftlichen Situation, der Produktivität und der langfristigen Kostenplanung in Unternehmen. Die Inflation beeinflusst die Gehaltsbudgets zwar auch, allerdings nur zusätzlich zu den anderen Faktoren. Zumeist treibt erst eine langfristig hohe Inflation die Vergütungsbudgets nachhaltig nach oben.
Schwierigkeiten bei Mitarbeitergewinnung treiben Gehälter nach oben
Dennoch haben bereits jetzt drei Fünftel (62 Prozent) der Unternehmen ihre ursprünglichen Gehaltsbudgets aufgestockt, unter anderem aufgrund der Erwartungshaltung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (43 Prozent) und infolge der Inflation (57 Prozent).
Der wichtigste Grund für die Erhöhung der Gehaltsbudgets ist jedoch, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, Talente zu gewinnen. Für knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Unternehmen gab dies den Ausschlag dafür, dass sie mit größeren Gehaltserhöhungsbudgets planen.
Zu diesen Ergebnissen kommt der aktuelle Salary Budget Planning Report, den WTW jährlich erstellt. Für den Report hat das Beratungsunternehmen zwischen April und Mai 2022 in mehr als 168 Ländern Umfragen in Unternehmen durchgeführt. In Deutschland nahmen knapp 700 Unternehmen aus verschiedenen Branchen teil.
Aus dem Report geht auch hervor, dass 92 Prozent der Unternehmen derzeit Schwierigkeiten haben, neue Talente zu gewinnen. Wenn es darum geht, Fachkräfte im Unternehmen zu halten, sehen sich 87 Prozent mit Herausforderungen konfrontiert. Vor zwei Jahren berichtete nur knapp ein Drittel (30 Prozent) der Befragten von Problemen bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter. Beim Halten von Fachkräften war es nur ein Fünftel. Insbesondere IT-Spezialisten und Ingenieure sind derzeit besonders schwierig zu bekommen.
Nicht nur über höhere Gehälter Talente anziehen
Um im Wettbewerb um Fachkräfte zu bestehen, setzen Unternehmen nicht nur auf Gehaltserhöhungen, sondern gehen auch neue Wege. Das zeigt ebenfalls der oben genannte Report. Sie versuchen, neue Quellen für Arbeitskräfte zu erschließen und beispielsweise mehr Frauen und Menschen mit verschiedenen Hintergründen zu rekrutieren und an das Unternehmen zu binden.
Flexibilität und Diversity sollen Arbeitgeberattraktivität stärken
Auch geben zwei Drittel (67 Prozent) der befragten Unternehmen an, dass sie bereits Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen umgesetzt haben, um die Mitarbeiterbindung zu erhöhen. Hierzu zählen das Arbeiten im Home-Office, aus dem Ausland oder die Umgestaltung von Büroräumen vor Ort. Außerdem bemühen sich 57 Prozent, bei den Faktoren Diversität und Inklusion neue Akzente zu setzen.
Bei der Mitarbeiterbindung zeigt sich ein ähnliches Bild: Auch hier stehen monetäre Leistungen nicht im Vordergrund, sondern vielmehr Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes (47 Prozent) und die stärkere Betonung von Diversität und Inklusion (54 Prozent).
Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersversorgung. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das F.A.Z.-Personaljournal. Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.