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Teamgeist zahlt sich bei Bosch aus

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Die Nachricht löste 2015 in vielen Chefetagen und Comp & Ben-Abteilungen ein Beben aus: Bosch schafft die individuellen Boni ab. Richtete sich die Höhe der Short-Term Incentives (STIs) für Fach- und Führungskräfte zuvor nach Unternehmensergebnis, Performance der Business-Unit und der individuellen Zielerreichung, streicht der Konzern jetzt die individuelle Komponente für die Management-Group. Das ist auch außerhalb der Bosch-Welt Wasser auf die Mühlen derjenigen, die eine enge Kopplung von individueller Performance und variabler Vergütung ablehnen.

 

„Motivieren Sie Menschen nur über monetär bewertete Ziele, erhalten Sie am Ende nicht bessere, sondern sogar schlechtere Leistungen.“ So begründete Volkmar Denner, Leiter der Geschäftsführung von Bosch, im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ den Beschluss des Technologiekonzerns, die individuelle Komponente beim STI zu kippen. Norbert Nester, Leiter der Zentralstelle Personalgrundsatzfragen – Vergütung bei Bosch, konkretisiert im Gespräch mit „Comp & Ben“ die Entscheidungsfindung. „Wir arbeiten immer vernetzter an gemeinsamen Aufgaben“, so Nester. „In solch einer agilen Arbeitsorganisation ist ein variabler Vergütungsanteil, der die individuelle Zielerreichung betont, nicht mehr zeitgemäß.“

 

Umbruch in der Arbeitswelt

 

Diese Erkenntnis hat bei den Top-Entscheidern, aber auch innerhalb des HR-Ressorts von Bosch eine umfassende und intensive Diskussion über die Neuausrichtung des STI ausgelöst. Am Ende gab weniger die ungünstige Relation zwischen Aufwand und Ertrag beim Bonus den Ausschlag für die Aufgabe der individuellen Komponente. Entscheidend war für das Bosch-Management vielmehr der Umbruch in der Arbeitswelt. „Arbeit ist bei uns immer stärker durch Agilität, Internationalität und bereichsübergreifende, gemeinsame Projekte geprägt“, skizziert Norbert Nester. „Zudem verändern sich unsere Märkte heutzutage schneller. Daher dürfen wir bei der Vergütung nicht starr an individuellen Zielen aus dem Vorjahr festhalten. Wir müssen nach vorne schauen und unser Ziel im Blick behalten.“

 

Angesichts zunehmend disruptiver Innovationen denkt Bosch in größeren Zeiträumen. Anstatt sich auf individuelle Ziele auf Jahresbasis zu fokussieren, sollen die Mitarbeiter längerfristige, bereichsweite Ziele verfolgen. Entsprechend erfolgt auch die Bewertung der Performance über einen längeren Zeitraum statt auf Jahresbasis. Zugleich wird der Faktor Leadership gestärkt. Anstatt auf die Incentivierung der individuellen Leistung zu schauen, steht die Leistung des Teams für das Gesamtergebnis im Vordergrund und somit auch das Führungsverhalten.

 

Für die Mitarbeiter bleiben das Gesamtvolumen und die Grundstruktur ihrer Vergütung in der Regel auch nach der Herausnahme der individuellen Komponente aus dem Bonus gleich. „Wir machen lediglich aus einer Dreiteilung eine Zweiteilung, indem wir die Komponenten Unternehmensergebnis und Business-Unit-Ergebnis beim STI stärken“, unterstreicht Norbert Nester. Auch die individuelle Performance wird weiterhin erfasst, aber nach veränderten Kriterien. Für den Bonus spielt sie keine Rolle mehr. „Wir machen die Leistung des einzelnen Mitarbeiters jetzt vor allem daran fest, wie er sich innerhalb seines Teams, gegenüber Kunden sowie anderen Business-Units verhält, wie er also die Arbeitswelt um sich herum gestaltet“, so Nester. Das heißt: Kooperation und Austausch mit Führungskräften und Kollegen statt Fixierung auf harte individuelle Ziele.

 

In klingender Münze schlägt sich eine langfristig gute individuelle Performance über die Höhe des Grundeinkommens, aber auch in Form von Karrierechancen innerhalb des Konzerns nieder. „Wer im Job gute Leistungen zeigt und über entsprechendes Potenzial verfügt, hat die Chance, in eine höhere Jobfunktion aufzusteigen“, betont Norbert Nester. „Die überwiegende Zahl der betroffenen Manager und Mitarbeiter betrachtet das neue Vergütungssystem und das Performance-Management heute, ein halbes Jahr nach der Ersteinführung, als fair.“ Die stärkere Fokussierung auf die Business-Unit-Komponente führt laut Nester in vielen Teams dazu, dass starke Mitarbeiter schwächere Kollegen unterstützen und antreiben. „Auch heben Mitarbeiter hervor, dass das Feedback der Vorgesetzten auf die individuelle Leistung nach der Entkopplung von der variablen Vergütung im Durchschnitt an Inhalt und Qualität gewonnen hat“, so Nester.

 

Neugestaltung des Vergütungssystems

 

Wie sieht das neue Vergütungssystem von Bosch für die Management-Group konkret aus? Der Konzern hat mit Hilfe von Vergütungsstudien und auf der Basis des bestehenden, summarisch geprägten Gradingsystems zunächst ein Benchmark zum Einkommensniveau der betroffenen Funktionen durchgeführt und daraus eine Neugestaltung der Einkommensbänder abgeleitet. Die angestrebte Lage im Einkommensband wird für jeden Mitarbeiter – im Wesentlichen auf Basis seiner langjährigen Leistung – individuell festgelegt. In den Folgejahren soll diese Ziellage im Band Schritt für Schritt erreicht werden. Im Unterschied zur Vergangenheit hat der Konzern eine neue IT-Lösung eingeführt, die alle relevanten HR-Funktionen integriert und die benötigten Daten erfassen und verarbeiten kann.

 

Im nächsten Schritt hat der Konzern jeden Mitarbeiter der Management-Group anhand der neuen Kriterien bewertet und in das weiterentwickelte Vergütungssystem eingeordnet. „Dabei ist uns wichtig, dass alle betroffenen Manager ihr Einkommen als fair betrachten“, unterstreicht Norbert Nester. „Wir nehmen den Kollegen im neuen System kein Geld weg, sondern zeigen ihnen anhand ihrer persönlichen Einstufung innerhalb eines Bandes Entwicklungs- und Einkommensmöglichkeiten für die Zukunft auf, an die wir sie schrittweise heranführen.“ Die Einkommensentwicklung des Einzelnen hängt auch von den Vergütungsbudgets der einzelnen Business-Units ab. Damit richtet Bosch das weltweite Vergütungssystem konsequenter und nachhaltiger an den Gegebenheiten des Marktes aus.

 

Der Roll-out des neuen Vergütungssystems für mehr als 20.000 Fach- und Führungskräfte erfolgt in zwei Wellen: Zum 1. Januar 2016 entfiel für alle Fach- und Führungskräfte weltweit die individuelle Komponente des Bonus. Ebenfalls zum Jahreswechsel 2015/2016 wurde der neue Prozess zur Festlegung der Grundeinkommen zunächst in sieben Ländern eingeführt. Auch Deutschland war von Anfang an mit am Start. Hier wurden im Vorfeld des Roll-out auch Arbeitnehmervertreter mit ins Boot geholt, wenn Mitarbeiter von der Umstellung betroffen waren, bei denen entsprechende Mitbestimmungsrechte vorlagen. Die zweite Welle beginnt zum nächsten Jahreswechsel ab 2017 in rund 60 Ländern und 440 Bosch-Gesellschaften.

 

Einbindung in das globale IT-Tool

 

Nicht nur die Bosch-Mitarbeiter müssen für das neue Denken in der Vergütung gewonnen werden. Es gilt auch, die Manager für Compensation & Benefits in die Lage zu versetzen, die neuen Systeme richtig anzuwenden. Dazu zählt die erweiterte Funktionalität des globalen IT-Tools für alle HR-Bereiche bei Bosch. Es enthält die Verknüpfung der Funktionsbereiche Performance-Management und Vergütung, die als technisch selbständige Systeme über Schnittstellen mit dem Gesamt-Tool verbunden sind.

 

Auf die Führungskräfte kommt durch die erweiterte Dateneinspeisung und in den Feedbackgesprächen eine höhere Verantwortung zu. „Die Einschätzungen der Mitarbeiter durch ihre Führungskräfte fließen – nach bereichsübergreifender Abstimmung in Validierungsmeetings – direkt in das Performance-Management ein und haben einen unmittelbaren Einfluss auf deren mittelfristige Einkommensentwicklung“, betont Norbert Nester. „Später im Feedbackgespräch muss die Führungskraft imstande sein, die eigene Bewertung dem Mitarbeiter transparent zu erklären.“ Deshalb benötigt die Führungskraft Unterstützung, denn erst durch die Rückkopplung an den Mitarbeiter wird das neue System bei Bosc rund und abgeschlossen.

 

Internationaler Roll-out

 

Da das Verständnis aller Führungskräfte und HR Business Partner weltweit über die Wirkungsweise des neuen Vergütungssystems für Bosch von entscheidender Bedeutung ist, hat sich die Konzernspitze dazu entschlossen, hierfür externe Unterstützung zu suchen, und mit Mercer einen internationalen Vergütungsberater ausgewählt, um den Roll-out in den 60 Ländern zu unterstützen. Günter Schmidt, Global Key Account Manager bei Mercer hebt hier den stringent einheitlichen, globalen Prozess des neuen Vergütungssystems hervor. „Wir haben gemeinsam acht Work-Packages für die Vergütungsberatung, das Training der regionalen Compensation & Benefits-Manager sowie die Führungskräfte entwickelt, um damit gleiche Inhalte zu transportieren.“

 

Der Roll-out wurde mittels regionaler Champions und lokaler Berater realisiert. „Bei den Schulungen haben wir landesspezifische Besonderheiten berücksichtigt, zum Teil die Schulungen in der Landesprache durchführen lassen“, erläutert Bernd Thomaszik, Partner bei Mercer. So ist es gelungen, die neuen Systeme konzernweit innerhalb kurzer Zeit einzuführen, dabei die Beteiligten einzubinden und Auswirkungen sowie Fragen frühzeitig zu klären.

 

Dr. Guido Birkner

verantwortlicher Redakteur Human Resources

FRANKFURT BUSINESS MEDIA – Der F.A.Z.-Fachverlag

guido.birkner@frankfurt-bm.com

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