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Transformation ahoi

Die Arbeitswelt verändert sich spürbar – und nachhaltig. Der Wandel gewinnt an Tempo. Die Gründe dafür reichen von der zunehmenden Automatisierung und Robotisierung über die stärkere Nutzung von KI, Deep Learning und Big Data bis hin zu einem grundsätzlichen Wertewandel zu mehr Transparenz, Teilhabe und Nachvollziehbarkeit bis hin zu einer stärkeren Kundenzentrierung und Personalisierung. Eine Umkehr dieser Entwicklungen ist nicht zu erwarten, vielmehr eine Intensivierung.

Mit der Arbeitswelt verändern sich daher auch Berufsbilder sowie im Unternehmen die Stellen, deren Anforderungen und Zuschnitte. In den vergangenen Jahren wurde in diesem Kontext immer wieder die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Grading aufgeworfen. Doch gerade in der Transformation hat sich für viele Unternehmen die Bedeutung eines – wie auch immer gearteten – personalpolitischen Ordnungsrahmens gezeigt: Permanent beta braucht schlichtweg einen Lotsen, und diese Rolle kann ein modernes Grading ausfüllen.

Organisationsvielfalt unter einem Dach

Dies zeigt sich auch in der Arbeit mit vielfältigen Organisationsformen: Agierten größere Unternehmen bisher oft als Supertanker, wandeln sie sich nun nicht selten zum Flottenverband und praktizieren je nach Reifegrad verschiedene Organisationsformen. Damit einher geht eine Dezentralisierung als Antwort auf mehr Kundennähe. Dies resultiert in bunteren Governance-Strukturen mit veränderten Rollen bisheriger Corporate Center of Expertise, wo typischerweise die Entwicklung und Pflege des Gradings angesiedelt waren.

Im Kontext sich verändernder Werte und heterogener Arbeits- und Organisationsformen unter einem Unternehmensdach gewinnt zudem Fairness an Bedeutung: Fairness der Vergütung bei Höhe und Zusammensetzung, Chancen und Risiken sowie Entwicklungsmöglichkeiten. Zum Schlüssel werden dabei Transparenz und die Vergleichbarkeit von Arbeit, die sich über ein modernes Grading auch in komplexen Organisationsformen herstellen lässt.

Mit reformiertem Grading Kurs halten

In dieser rauen See verabschieden sich Unternehmen zunehmend von ihren alten, komplexen Stellenbewertungsverfahren mit vielen Kriterien und hohem Kalibrierungsbedarf, die nicht zuletzt aufgrund ihrer eigenen Terminologie oft wie ein Fremdkörper im Unternehmen wirkten. In dezentralen Organisationen gilt es, dabei insbesondere die dezentral tätigen HR-Kollegen und Mitarbeitenden gleichermaßen als Kunden abzuholen.

Genügte es bisher, betroffenen Mitarbeitern die Methodik und Einordnung ihrer Stelle ins Grading zu erläutern, fordern Mitarbeiter heute vielerorts ein höheres Maß an Transparenz, zum Beispiel bei der Einordnung der eigenen Stelle im Quervergleich. Wie weit das künftig geht und ob ein höheres Maß an Transparenz in jedem Kontext wirklich zur Steigerung der wahrgenommenen Fairness führt, bleibt abzuwarten.

Mit Blick auf die Methodik erweist es sich auch beim Grading als hilfreich, mit unterschiedlicher Granularität zu agieren: Wichtig ist ein stabiles, grundsätzliches Methodenrückgrat mit wenigen Kriterien im Hintergrund. Abhängig vom erforderlichen Grad der Transparenz und der Größe und Form der Organisation werden diese Kriterien im Flottenverband unterschiedlich granuliert angewandt. Zentrale Überlegungen dabei sind:

Von der Analytik zur Summalytik in klassischen Organisationsstrukturen: Nur wenige Stellen werden analytisch bewertet, die restlichen werden in Rangreihen zugeordnet und über multiple Paarvergleiche plausibilisiert. Die Summalytik resultiert aus der Erkenntnis, dass selbst die analytischste Methode immer auch Ermessen beinhaltet und letztlich immer scheingenau bleibt.

Von klassischen Kriterien hin zu Skillmatrizen in agilen Strukturen: Durch abgestufte Beschreibungen von Wertigkeitsebenen anhand der Ausprägung von relevanten Kompetenzen werden Rollenbündel erarbeitet und bewertet. Alternativ werden dazu Kompetenzrangreihen abgeleitet. Nur im Hintergrund erfolgt die Übersetzung zum Methodikrückgrat, um eine übergreifende Vergleichbarkeit im Unternehmen herzustellen.

Knappe Spezialistenmärkte, der Einsatz von Skillmatrizen in agilen Strukturen sowie dünne Personal-decken im Management führen zu einem wachsenden Einfluss des Stelleninhabers auf ein Jobprofil. Das Konzept der Stelle gerät ins Wanken. Damit im Rahmen von personengetriebenen Bewertungen inflationäre Grades sowie die damit verbundenen Strukturkosten relativ zur Wertschöpfung handhabbar sind, bedarf es – bei aller Agilität und Freiheit – auch eines stabilen Controllings.

In der Kontrolle von Budget und Strukturkosten werden von Unternehmen diverse Ansätze verfolgt. In agilen Strukturen sind es Methoden aus dem Gamification-Bereich, indem eine maximale Anzahl von Punkten oder Euro zur Verfügung stehen. Zuständige Führungskräfte oder das Team kann das vorhandene Budget verteilen. Neben in- und externen Benchmarks werden auch Deckelungen für die jeweiligen Grades festgelegt. Höherstufungen können nur dann erfolgen, wenn dies Werte nicht überschritten werden.

Insgesamt zeigt sich, dass Prozesse weniger von oben nach unten hierarchisch und stärker dezentral der Organisation folgend gesteuert werden. Dezentrale oder agile Teams bewerten ihre Jobs selbständig mit einem Budget. Grading-Panels, wie zum Beispiel in Restrukturierungen zur übergreifenden Kalibrierung, gibt es seltener. Das Topmanagement wird hingegen überwiegend noch zentral vom CoE gegradet.

Engere IT-Verzahnung als Grundlage für mehr Speed

Stärker denn je ist modernes Grading mit IT verzahnt. Erfolgte bisher über das Grading in HR-IT-Systemen eine Steuerung des Berechtigungsmanagements von Vergütung und Nebenleistungen, Gehaltsanpassungen sowie Performance-Management, findet nun eine stärkere Automatisierung dieser Prozesse statt. Auch HR-Analytics-Anwendungen können über IT-Systeme mit Grading verknüpft werden, zum Beispiel strategische Personalplanung, die Übersetzung von Kompetenzen in Grades oder die Verknüpfung von Kompetenzen mit Nachfolgeszenarien etc.

Last but not least verstärkt sich der Ruf nach einem Speed-Grading unter Einbezug von KI. Ziel ist es, Bewertungen und Grading zu automatisieren und zu validieren oder gar über die Eingabe der neuen Organisationsstruktur im betriebswirtschaftlichen Hauptsystem des Unternehmens, automatisierte Grading-Vorschläge zu generieren und alternative Organisationsstrukturen zu deren Wirkung auf die Strukturkosten auszuloten.

Fazit

Die Zeiten starrer Grading-Ansätze sind vorbei. Zukünftig gilt es, unterschiedliche Organisations- und Arbeitsformen flexibel zu unterstützen. Gegenüber Mitarbeitenden wie auch dezentralen Systemanwendern braucht es eine verbesserte, nicht selten komplett neu gedachte User-Experience, während im Maschinenraum des Unternehmens bereits die digitale Revolution mit Automatisierung und KI begonnen hat.

Unbestritten ist, dass sich Grading auch in agilen Organisationsformen als notwendiger und hilfreicher Ordnungsrahmen erweist. Ähnlich wie zur Jahrtausendwende, als es erstmals massiv in Frage gestellt wurde, wird Grading weiterhin – wenn auch in veränderter Form – die essenzielle Grundlage für diverse HR-Prozesse und HR-Instrumente bleiben.