Herr Werning, Shell hat sich dem Druck institutioneller Investoren gebeugt und sich feste Ziele im Hinblick auf die CO2-Reduzierung auf die Fahne geschrieben. Damit wagt der Erdölkonzern den Erstversuch und will Umweltziele an die variable Vorstandsvergütung koppeln. Wie lief das genau ab und welche Rolle haben Sie dabei eingenommen?
Janne Werning: Zunächst einmal betreiben wir als institutioneller Investor und aktiver Aktionär ein sogenanntes Engagement, mit dem wir Einfluss auf Unternehmen wie Shell ausüben können. Schon länger führen wir mit Shell Gespräche zu bestimmten Nachhaltigkeitsthemen wie der CO2-Reduzierung. Wie viele Unternehmen hat sich Shell zwar ambitioniert hinsichtlich dieser Themen gezeigt, aber keine konkreten Ziele benannt. In Zusammenarbeit mit der Climate Action 100+ Initiative, der weltweit 370 institutionelle Investoren angehören und die zusammen 35 Billionen US-Dollar verwalten, konnten wir den Druck auf Shell erhöhen. Die Initiative, der Union Investment 2017 beigetreten ist, will das Pariser Klimaabkommen vorantreiben. Alle Mitglieder – also auch wir – sind aufgefordert, die Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter 2 Grad und klimafreundliche Geschäftspraktiken im Investorendialog mit Unternehmen voranzutreiben. Wir konzentrieren uns dabei besonders auf Unternehmen mit dem weltweit größten CO2-Fußabdruck, zu denen Shell gehört. Zusammen mit anderen Mitgliedern und Investoren des Konzerns, unter der Leitung der Church of England und einem niederländischen Asset-Manager, konnte das Thema CO2-Reduzierung bei Shell konkretisieren und im Unternehmen verankert werden. Das Ergebnis: Der Öl- und Erdgaskonzern hat kurzfristige Ziele zur Reduzierung aufgesetzt. Natürlich ist das bei so einem Konzern eine Herausforderung und erfordert eine Transformation. .
Die Transformation ist also angesetzt. Ein Teil davon ist, dass die Ziele der CO2-Reduzierung an die variable Vergütung, also die Boni des Vorstands, gekoppelt werden. Damit wird Shell sicherlich noch ambitionierter handeln. Wieso verknüpfen Sie Klimaschutzziele gerade mit dem Bonus des Vorstands?
Janne Werning: Für uns als Investor sind verbindliche Ziele wichtig, die von einem festgelegten Ausgangszeitpunkt gemessen werden können. In diesem Fall sprechen wir von den verbindlichen CO2-Reduktionszielen in Prozent bis zu einem bestimmten Jahr. Da lag die Idee, Ziele an die Vergütung des Managements zu koppeln, auf der Hand. Mit dieser Verbindung wollen wir eine Steuerungs- und Lenkungswirkung entfalten. Vergütung ist schließlich immer ein Anreiz- und Orientierungssystem für das Management. Bisher hat sich Shell schon zu Zielen verpflichtet und will sie in die variable Executive-Vergütung aufnehmen. Feste und detaillierte Vereinbarungen treten aber erst nach der Hauptversammlung im nächsten Jahr in Kraft, wenn die Aktionäre die Änderungen genehmigt haben.
Und der Shell-Vorstand legte beim Thema, möglicherweise weniger Bonus zu bekommen, kein Veto ein?
Janne Werning: Die Climate Action 100+ Initiative mit über 35 Billionen US-Dollar und 370 institutionellen Investoren ist einer der größten Investorenvereinigungen im Klimabereich, die es gibt. Da ist die Gesprächsbereitschaft von Unternehmen sehr groß, in Veränderungen einzuwilligen. Shell hat schon immer in Gesprächen mit uns über Klima- und Umweltthemen gesprochen. So ambitioniert wie jetzt mit konkreten Zielen und dieser Kopplung war der Konzern bisher aber noch nicht.
Die gebündelte Investorenkraft kann Union Investment vielleicht auch beim Thema Nachhaltigkeit, das sich Shell mit der neuen Unternehmensstrategie auf die Fahne schreibt, helfen. Sind die Maßnahmen verbunden oder sollen sie unabhängig voneinander behandelt werden?
Janne Werning: Die Facetten der Nachhaltigkeit gehen definitiv Hand in Hand. Exemplarisch können Sie das jetzt schon sehen: CO2 ist ein Umwelt- und Klimathema, Vergütung ein Corporate-Governance-Thema, was zeigt, dass ESG (Environment, Social, Corporate Governance) gekoppelt werden muss und eine Betrachtung getrennt voneinander keinen Sinn macht. CO2 ist zwar einer der größten Herausforderungen für Shell, aber auch Biodiversität, die Sicherheit von Anlagen oder andere Nachhaltigkeitsziele sind wichtig und müssen angegangen werden.
Dann könnten sogar noch mehr Themen an die variable Vergütung gekoppelt werden. Wie wollen sie die Erreichung der CO2-Ziele konkret messen?
Janne Werning: Eine endgültige Konzeption der Vergütungslinien wird derzeit noch ausgearbeitet und zur Abstimmung vor der Hauptversammlung 2020 veröffentlicht. In diesem Plan werden dann unter anderem die Kriterien für die CO2-Reduzierung beschrieben, wie das gemessen wird, wer die Ergebnisse berichtet und natürlich auch, für wen sich gegebenenfalls etwas am Bonus ändern könnte.
Ist also nicht nur der Vorstand beim Bonus betroffen?
Janne Werning: Shell spricht bisher von „Directors und Staff“. Es könnten also auch verantwortliche Mitarbeiter in der Produktion oder im Einkauf sein. Je mehr Mitarbeiter betroffen sind, desto mehr handeln nach den Zielen des Unternehmens. Im Umkehrschluss heißt das: Wir hoffen, dass die Änderung für viele Entscheidungsbefugte gilt und möglichst alle an einem Strang ziehen.
Immer mehr Unternehmen streichen den individuellen Bonus. Wie lässt sich das mit der neuen Regelung, den individuellen Teil der variablen Vergütung zu stärken, vereinbaren?
Janne Werning: Das beschäftigt uns auch, aber zunächst obliegt es dem Unternehmen, diese Frage zu klären. Das A und O für uns ist, dass das Thema schon jetzt Berücksichtigung findet. Bei der individuellen Ausgestaltung der variablen Vergütung muss Shell dann darauf achten, dass es weitere ESG-Ziele wie Prozess- und Mitarbeitersicherheit gibt, die wir uns 2020 noch im Detail anschauen werden.
Wie aufwendig ist die Komponente für Shell zu messen?
Janne Werning: Shell ist da bisher schon der richtige Ansprechpartner, weil sie sich ihre Emissionen im Detail selbst anschauen. Für uns müssen beim Messen Scope 1, 2 und 3 abgedeckt sein. Also neben den direkten CO2-Emissionen, die über Kraftstoff oder gekauften Strom produziert werden (Scope 1 und 2), auch alle Emissionen, die indirekt aus den Produkten der Organisation entstehen (Scope 3). Wichtig ist, dass Shell zugesichert hat, dass sämtliche CO2-Emissionen zu berücksichtigen.
Wie wirkungsvoll ist das Instrument, die CO2-Verringerung an die Vorstandsvergütung zu koppeln, tatsächlich?
Janne Werning: Aus unserer Sicht ist das definitiv ein Zeichen, dass ein Unternehmen Klima- und Umweltaspekte ernstnimmt, wenn diese in die Vergütungsstruktur miteinfließen. Durch die Zielvorgaben in der Vergütung wird deutlich, was von einem Vorstand erwartet wird bzw. welche Schwerpunkte er setzen soll. Wichtig ist jedoch immer zu sehen, dass es neben den nicht finanziellen weiterhin finanzielle Themen stehen. Außerdem werden neben der Vergütung noch weitere Mechanismen eingesetzt, um das Themen Nachhaltigkeit anhand eines umfassenden Ansatzes voranzubringen.
Welche Mechanismen wären das?
Janne Werning: Unternehmen mit einem stringenten Nachhaltigkeitsmanagementsystem haben das Thema sehr hoch verankert, idealerweise im Vorstand mit einem Nachhaltigkeitsverantwortlichen. Der hat das Thema dann auf dem Schirm und übernimmt die Verantwortung. Nachhaltigkeit einfach nur in der Kommunikationsabteilung anzusiedeln, sehen wir dagegen sehr kritisch. Es ist hilfreich, wenn auch im Aufsichtsrat ESG-Kompetenz vorhanden ist. Wenn im Unternehmen ein solches Nachhaltigkeitsmanagement etabliert ist, schätzen wir das als Investoren. Voraussetzung für den Erfolg sämtlicher Maßnahmen sind aber Transparenz und ein solides Reporting. Nur wenn wir als Investor alle relevanten Zahlen kennen, können wir Unternehmen umfassend bewerten.