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New Work – New Rewards

Die Grundpfeiler der Mitarbeiterbindung waren über Jahre konstant: Ein faires, marktgerechtes Gehalt, ein möglichst kurzer Arbeitsweg und ein gutes Verhältnis zu Kolleginnen und Kollegen beeinflussten am stärksten, ob Mitarbeitende ihrem Unternehmen treu blieben. Mit befristeten Werksschließungen, Kurzarbeit, Homeoffice und anderem hat die Corona-Pandemie die alte Welt gehörig durcheinandergewirbelt.

Doch auch schon vor der Pandemie war New Work – das agile Arbeiten in wechselnden Projektteams mit flacheren Hierarchien – auf dem Vormarsch. Die Corona-Pandemie hat als Beschleuniger des Wandels gewirkt. Und während Personalabteilungen im wechselnden Verlauf der Pandemie weiterhin mit der jeweils aktuellen Neuausrichtung von Arbeitsschutz und Arbeitsorganisation beschäftigt sind, sollten sie dennoch die aktuell grundlegendsten Fragen im Blick behalten: Wie können wir die Mitarbeitenden motivieren und binden, wenn sie im heimischen Büro arbeiten? Was geschieht, wenn durch das Homeoffice das Zusammengehörigkeitsgefühl – und dadurch die Bindung zum Unternehmen – zu sinken droht? Bleibt dann nur noch das Grundgehalt als einziges Bindungsinstrument?

An dieser Stelle muss das Total-Rewards-Angebot hinterfragt und überarbeitet werden, um mit der Umstellung auf New Work Schritt zu halten. Mitarbeiter dürfen sich nicht nur über das Grundgehalt gebunden fühlen. Denn Total Rewards umfassen das gesamte Leistungspaket, das ein Unternehmen seinen Beschäftigten im Gegenzug für deren Arbeit gewährt: Grundgehalt, Bonus, Benefits, Karriereentwicklung, Work-Life-Balance und anderes.

Workplace, Work und Workforce

Konkret lassen sich die vielen Einzelfragen in drei Themenfelder – in die „drei W’s“ – clustern: Workplace, Work und Workforce.

  • Workplace: Wo wird die Arbeit künftig verrichtet – und wie lassen sich die Wünsche und Vorstellungen von Unternehmen und Mitarbeitenden am besten auf einen Nenner bringen? Die Umfrageergebnisse aus dem Benefits-Trends-Survey 2021 von Willis Towers Watson deuten darauf hin, dass in zwei Jahren etwa ein Drittel der Mitarbeitenden in hybriden Arbeitsmodellen arbeiten wird: teils im Büro, teils im Homeoffice. Nicht einmal die Hälfte wird mehr als 80 Prozent ihrer Zeit im Büro verbringen. Sind Büros dann weiterhin Arbeitsorte – oder vielmehr die Stätte, an der Beschäftigte sich zu Kreativsessions und zum Networking treffen? Wie groß und wo sollen die Arbeitsräume sein, welche technische Ausstattung ist notwendig? Dies sind Fragen, die adressiert werden müssen. Steuer-, Arbeitsschutz- und Datenschutz-Aspekte kommen hinzu: Wie ist das Entgelt bei Homeoffice im Ausland zu versteuern? Ist der Datenschutz im Co-Working-Space gewährleistet? Wird der Küchenstuhl den ergonomischen Arbeitsplatzanforderungen wirklich gerecht?
  • Work: Wie flexibel können und sollen die Arbeitsaufgaben sowie Arbeitszeit und -ort gestaltet sein? Welche Lösungen werden denjenigen angeboten, bei denen Flexibilität nicht ohne Weiteres möglich ist, weil sie beispielsweise im Schichtdienst, vor Ort in der Werkshalle, beim Kunden oder in der Pflege arbeiten? Wie und nach welchen Methoden wird flexibles Arbeiten gestaltet?
  • Workforce: Wenn man die Kolleginnen und Kollegen nur noch am Bildschirm sieht – wie lässt sich dann ein Zusammengehörigkeitsgefühl aufrechterhalten? Mehr als die Hälfte der Personalverantwortlichen sehen dies als Herausforderung, wie eine Umfrage auf der Willis Towers Watson HR-Executive-Konferenz im Juli 2021 zeigte. Welche Führungskompetenzen werden für das neue Arbeitsmodell benötigt – und sind sie im Unternehmen vorhanden? Welche Rolle nehmen Manager künftig ein? Müssen Manager und Mitarbeitende neue Skills mitbringen und antrainieren? Hier sehen Personalverantwortliche aktuell weniger Herausforderungen, wie unsere Umfrage zeigte. Doch damit könnten sie die Tragweite der Veränderungen unterschätzen. Zu Workforce zählt nicht zuletzt auch das Themenfeld „Total Rewards“.

Vergütung als letzter Grundpfeiler für Bindung?

Derzeit wird häufig debattiert, ob die Arbeit im Homeoffice mit Zuschlägen oder mit Gehaltskürzungen versehen werden sollte. Der Miete und der Ausstattung für das häusliche Arbeitszimmer sowie der fehlenden Kantine werden Transportkostenersparnisse und die größere persönliche Flexibilität gegenübergestellt. Doch springt diese Debatte zu kurz. Grundsätzlich sollten Unternehmen die Bedeutung einer marktgerechten, fairen Vergütung nicht unterschätzen. Während gerade im Homeoffice der Arbeitsweg und das Betriebsklima von manchen Mitarbeitenden kaum noch als relevant erlebt werden, macht die Vergütung als letzter Grundpfeiler häufig den Unterschied in der Arbeit für Unternehmen A oder Unternehmen B.

Schon 2020 erwarteten drei Viertel der Unternehmen, dass sich die Vergütung durch agile und neuartige Arbeitsformen stark wandeln wird. Konkret plante daher fast die Hälfte, individuelle Leistungen, Kompetenzen oder Fähigkeiten stärker zu honorieren. Enge Arbeitsmärkte und Remote Working veranlassen aktuell zwei Drittel der Unternehmen, ihre Benefits-Strategie anzupassen, wie der Benefits Trends Survey 2021 von Willis Towers Watson zeigt.

Vergütungssysteme unterstützen eine flexiblere Arbeitswelt, wenn sie vor allem drei Kriterien erfüllen:

  • Flexibel: Grundvergütung und Nebenleistungen sollten auf den Wandel ausgelegt sein, bei  Veränderungen im Unternehmen „mitwachsen“ können oder durch variable Vergütungselemente für vielfältige Anforderungen anpassbar sein. Hier lohnt es sich, über agilere Boni und eventuell auch den verstärkten Einsatz von Zeitwertkonten nachzudenken.
  • Klar definiert und kommuniziert: Auch und gerade in einer Welt des Wandels benötigt Vergütung weiterhin klar definierte Grundlagen (wie zum Beispiel ein Stellenbewertungssystem und die Verortung durch Benchmarkdaten). Zudem müssen Stellenbewertungssystem Beschäftigten Orientierung geben.
  • Passend für vielfältige Bedürfnisse: Insbesondere Benefits sollten auf die diversen Bedürfnisse der Mitarbeitenden abgestimmt sein. Dies gilt umso mehr, als die Bedürfnisse im Präsenzbüro anders aussehen als im Homeoffice. Jobticket oder E-Bike? Kantine oder Essensgutschein? Kindergartenzuschuss oder betriebliche Unfallversicherung? Angesichts diverser Mitarbeiterbedürfnisse wird die Antwort häufiger lauten: Sowohl – als auch, und zwar als Auswahloptionen. Daher ist es sinnvoll, Benefits einzuteilen in Core-Benefits, die allen Mitarbeitenden angeboten werden (zum Beispiel eine betriebliche Altersversorgung), und variable Zusatz-Benefits, die Mitarbeitende über eine Online-Plattform nach eigenen Präferenzen hinzubuchen können.

Physische und psychische Gesundheit unterstützen

udem lässt sich durch ein passendes Benefits-Angebot auch das Wohlbefinden (Wellbeing) der Beschäftigten wesentlich beeinflussen. Menschen können nur dann langfristig produktiv arbeiten, wenn sie gesund sind, über ausreichend soziale Kontakte verfügen sowie emotional und finanziell stabil aufgestellt sind. Gerade die Gesundheit (zum Beispiel Rückenschäden durch die Arbeit am Küchentisch), aber auch das soziale und emotionale Wohlbefinden (Isolation im Homeoffice) könnte bei manchem leiden. Deshalb ist es sinnvoll, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter mit passenden Zusatzleistungen unterstützen und ihnen sozusagen „den Rücken für die Arbeit freihalten“. Bislang haben viele Unternehmen zwar ihre Pflichten im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz erfüllt, aber das Wohlbefinden ihrer Beschäftigten nur punktuell statt ganzheitlich gefördert.

Die Transformationsreise gemeinsam unternehmen

New Work und die Pandemie verändern die Arbeitswelt grundlegend – und nahezu jedes Unternehmen wird diesen Transformationsprozess, der praktisch alle Bausteine der Employee Experience beeinflusst, durchlaufen.

Es gilt also zu handeln und die Employee Experience aktiv zu gestalten statt die Art und Weise, wie Mitarbeitende ihr Arbeitsumfeld erleben, dem Zufall zu überlassen. Tatsächlich planen innerhalb der nächsten zwei Jahre acht von zehn Unternehmen in Deutschland, ihre Mitarbeiter-Benefits stärker auf eine Optimierung der Employee Experience auszurichten, wie der Benefits Trends Survey von Willis Towers Watson zeigt. Welche neuen Standards sich dabei herausbilden werden – oder ob der neue Standard nicht „Vielfalt“ heißt –, wird die Zukunft zeigen.

Unabhängig davon sollten Vergütungsprogramme nicht auf dem kleinsten, sondern dem wirkungsvollsten gemeinsamen Nenner aufbauen. Beratungserfahrung, Benchmarkdaten und Unternehmenserfolge zeigen, dass es sich lohnt, wenn Unternehmen bei der Entwicklung von Vergütungsprogrammen strategisch vorgehen und in eine gute Mitarbeitererfahrung investieren.

Florian Frank
Head of Talents &Rewards Germany/ Austria
Willis Tower Watson
florian.frank(*)willistowerwatson(.)com
www.willistowerwatson.com