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Vergütung von Organmitgliedern in börsennotierten Aktiengesellschaften

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Herr Hooijer, welche Kriterien sind der Europäischen Kommission besonders wichtig, wenn es darum geht, die Vergütungspolitik von Aktiengesellschaften zu bewerten?

 

Jeroen Hooijer: Der Vorschlag der Kommission, die Richtlinie für Aktionärsrechte zu ändern, zielt darauf ab, Aktionären eine klare und verständliche Vergütungspolitik vorzulegen. Den Aktionären muss klar gemacht werden, wie die Vergütungspolitik zu den langfristigen Interessen und zur Nachhaltigkeit des Unternehmens beiträgt. Weiterhin sind klare Kriterien für die Gewährung fester und variabler Vergütung mitzuteilen. Das umfasst alle Benefits in jeglicher Form. Die Aktionäre müssen zudem über das Maximum aller Bezüge informiert werden, das gewährt werden kann, ebenso über das prozentuale Verhältnis zwischen den verschiedenen Komponenten des Grundgehalts und der variablen Vergütung. Ein weiterer Punkt ist das Verhältnis zwischen der durchschnittlichen Vergütung des Vorstands eines Unternehmens und der durchschnittlichen Vergütung aller übrigen Vollzeitangestellten. Dabei soll begründet werden, warum das genannte Verhältnis für angemessen gehalten wird. Schließlich geht es noch um die angewendeten finanziellen und nichtfinanziellen Performancekriterien. Hier soll begründet werden, wie diese Kriterien zu den langfristigen Interessen und der Nachhaltigkeit des Unternehmens beitragen. Aktionäre sollen auch über die Methoden informiert werden, nach denen die Erfüllung von Performancekriterien gemessen werden.

 

Welche Probleme hat die Kommission bei der Organvergütung identifiziert, dass sie mehr Transparenz fordert?

 

Jeroen Hooijer: In den vergangenen Jahren haben wir in wiederholten Fällen ein Ungleichgewicht zwischen der Organvergütung und der Performance der Unternehmen beobachtet. Eine hohe Vergütung für Organe, die erkennbar schlecht geleistet haben, hat viel Kritik der Aktionäre und der Gesellschaft hervorgerufen, die gerade in Zeiten der Finanzkrise und hoher Arbeitslosigkeit eine solche Vergütung nicht für gerechtfertigt halten. Die Organvergütung spielt eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, die Interessen der Organe und der Aktionäre miteinander in Einklang zu bringen und sicherzustellen, dass die Organe im besten Interesse des Unternehmens handeln. Dort wo die Aktionäre die Organvergütung nicht im Auge haben, besteht das Risiko, dass die Organe eine Strategie fahren, die eher kurzfristig und auf die entsprechenden Bonuszahlungen ausgerichtet ist, aber nicht zu einer langfristigen Wertschöpfung des Unternehmens und seiner Aktionäre beiträgt. Daher kann eine mangelnde Aufsicht zu einem nicht gerechtfertigten Werttransfer von den Unternehmen und ihren Aktionären hin zu den Vorständen führen. Auf EU-Ebene gelten derzeit keine bindenden Regeln für die Organvergütung in börsengelisteten Aktiengesellschaften mit Ausnahme der Berichtspflicht in den Jahresberichten zum Umfang der Bezüge, die die Mitglieder der Gremien der Administration, des Managements und der Aufsicht erhalten haben. In den vergangenen zehn Jahren hat die Kommission drei Empfehlungen zur Organvergütung verabschiedet. Die wichtigsten Empfehlungen sind, die Vergütungspolitik sowie die individuellen Bezüge der Vorstände und Aufsichtsräte offenzulegen, sowie ein Votum der Aktionäre über die Vergütung. Doch die Berichte und die Analyse der Kommission zeigen, dass die Empfehlungen in den Mitgliedsstaaten nicht zufriedenstellend umgesetzt werden. Erst ein paar Staaten setzen die Grundsätze vollständig um. Infolge dessen haben Aktionäre in der EU oft Schwierigkeiten, sich ausreichend zu informieren und die Kontrolle über die Organvergütung auszuüben. Stakeholder und Fachexperten unterstützen mehr Transparenz. Als Antwort auf das Green Paper von 2011 haben Aktionäre, institutionelle Investoren, Assetmanager und Proxy-Advisor zumeist einhellig verbindliche Regeln unterstützt, um die Transparenz der Vergütungspolitik und des Vergütungsberichts zu erhöhen, und dazu aufgefordert, Informationen über die Bezüge in Europa vergleichbar zu machen. Zudem war die Mehrheit der Mitgliedsstaaten, die auf das Green Paper antworteten, für eine europäische Aktion zwecks mehr Transparenz. Ferner hoben die European Company Law Experts 2011 hervor, dass sich Unternehmen bei fehlenden bindenden Regeln mit der vollständigen Offenlegung von Vergütung zurückhalten, besonders bei der Verknüpfung von Entgelt und Performance und bei Abfindungszahlungen. Beratungen, die die Kommission durchgeführt hat, zeigen auch, dass die meisten Stakeholder-Gruppen ein Say on Pay der Aktionäre sehr unterstützen. Aktionäre, institutionelle Investoren, Assetmanager und Proxy-Advisor tun das meist einhellig. Die Zustimmung zu Say on Pay geht auch eindeutig aus der Studie über das Monitoring und die Durchsetzungsverfahren für die Corporate Governance hervor.

 

Der Gesetzgeber hat die Vorschriften für die Vorstandsvergütung seit 2009 verschärft, vor allem für Finanzinstitute.

 

Jeroen Hooijer: 2014 sind neue Regeln für Finanzinstitute in Kraft getreten. Die wichtigste neue Regelung war ein Cap der Bonuszahlungen bei 100 Prozent des Fixgehalts, wobei die Aktionäre den Cap auf 200 Prozent anheben können. Das Ziel der Regelung war, die risikoreichen Incentives einer noch höheren variablen Vergütung zurückzufahren. Die neue Richtlinie für Finanzinstitute legt keine absolute Höchstgrenze für das Gehalt fest, sondern nur das Verhältnis zwischen fixem und variablem Gehalt. Damit kein Missverständnis entsteht: Die Kommission schlägt keinen Cap für die Organvergütung in normalen börsengelisteten Aktiengesellschaften vor, sondern nur mehr Transparenz und Befugnisse für die Aktionäre.

 

Beobachten Sie ein zunehmendes Missverhältnis zwischen der Organvergütung und der Performance in AGs?

 

Jeroen Hooijer: Wie bereits gesagt, haben die vergangenen Jahre mehrere Fälle von Missverhältnis zwischen der Organvergütung und der Unternehmensperformance gezeigt, gerade im Finanzsektor, aber nicht nur dort. Die Erfahrung mehrerer Mitgliedsstaaten zeigt die positive Wirkung von Say on Pay auf die Verknüpfung von Organvergütung und Unternehmensperformance. Mitgliedsstaaten, die ein beratendes Say on Pay angenommen haben, etwa Italien und Spanien 2011, erfahren eine starke Verbindung zwischen Vergütung und Performance. Diese Verbindung geht auf den Ansporn zurück, die Meinung der Aktionäre zu berücksichtigen. Solche Verbindungen zwischen den Bezügen und der Performance war in den Mitgliedsstaaten noch stärker, in denen Aktionären wie in Schweden und Belgien 2010 bzw. 2011 ein bindendes Say on Pay gewährt wurde, das zurückgeht auf die Verpflichtung, die Meinung der Aktionäre zu berücksichtigen.

 

Können Aktionäre in der Europäischen Union ihre Meinung über die Organvergütung ausreichend äußern?

Jeroen Hooijer: In vielen Mitgliedsstaaten verfügen Aktionäre nicht über ausreichende Informationen über die Organvergütung, seit die Informationen, die die Unternehmen offenlegen, weder umfassend noch klar noch vergleichbar sind. 15 Mitgliedsstaaten – darunter Deutschland – verlangen die Offenlegung der Vergütungspolitik. Elf Mitgliedsstaaten, darunter wieder Deutschland, verlangen, die individuellen Bezüge der Organmitglieder offenzulegen. Vier Mitgliedsstaaten haben Vorlagen veröffentlicht, die Unternehmen verwenden sollen, wenn sie die Organvergütung offenlegen. Laut den verfügbaren Daten von 19 Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, legt nur etwa ein Drittel der börsennotierten Unternehmen offen, wie Vergütung von der Performance abhängt. In einigen Mitgliedsstaaten verfügen Aktionäre nicht über ausreichende Instrumente, um ihre Meinung über Organvergütung zu äußern, wenn sie nach ihrer Ansicht nicht angemessen oder aufgrund der Performance nicht gerechtfertigt ist. Tatsächlich gewähren nur 13 Mitgliedsstaaten Aktionären ein Say on Pay durch eine Abstimmung über die Politik der Organvergütung oder durch einen Bericht. Zehn Mitgliedsstaaten haben ein bindendes Aktionärsvotum eingeführt, drei Staaten ein beratendes Votum. Darüber hinaus gehen die Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich vor. Deshalb unterstützen Stakeholder den Vorschlag, die Richtlinie für Aktionärsrecht zu überarbeiten. Aktionärsvereinigungen, institutionelle Investoren, Assetmanager und Proxy-Advisor haben generell Vorschriften unterstützt, nach denen die Vergütungspolitik und der Vergütungsbericht transparenter werden sollen.

 

Welche Maßnahmen schlägt die Kommission vor?

 

Jeroen Hooijer: Die Kommission schlägt vor, die Veröffentlichung detaillierter Informationen über die Vergütungspolitik und die individuelle Organvergütung sowie die Verwendung eines europäischen Musters vorzuschreiben. Zudem schlägt die Kommission vor, Aktionären ein verbindliches Abstimmungsrecht zur Organvergütung sowie eine Vorabstimmung über die Vergütungspolitik und eine rückwirkende Abstimmung über den Vergütungsbericht zu garantieren. Dieser Vorschlag wird helfen, die Interessen der Organe mit denen der Aktionäre abzugleichen. So lässt sich vermeiden, dass Organen exzessive Bezüge gewährt werden, die nicht gerechtfertigt sind im Hinblick auf eine schwache Unternehmensperformance

 

Jeroen Hooijer

Head of Unit Corporate Governance, Social Responsibility

European Commission, Directorate-General for the Internal Market and Service

Jeroen.hooijer@ec.europa.eu

www.ec.europa.eu