Weltweit stehen Konzerne aktuell vor umfassenden Veränderungen. Bestanden die Herausforderungen bis vor einigen Jahren primär im Zuge der Globalisierung darin, dass die Welt immer weiter zusammenwächst und sich die Unternehmen zusehends auf neue Märkte wagen mussten, so hat der fortschreitende Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) diesen Prozess extrem beschleunigt.
Laut einer Studie von McKinsey werden dieser Entwicklung bis zum Jahr 2050 circa 20 Millionen und damit 48 Prozent aller Jobs in Deutschland zum Opfer fallen (Frenzel, 2017; Damm, 2017). Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Frey und Osborne, die in ihrer Studie von 2013 von zwei Robotisierungswellen ausgehen. Nach ihren Schätzungen werden in den nächsten zehn bis 20 Jahren durch die erste Welle Berufe mit einem hohen Automatisierungsgrad erfasst und einem hohen Risiko der Substitution durch künstliche Intelligenz ausgesetzt. In der zweiten, langsameren Welle sind dann auch Berufe mit einer niedrigeren Automatisierungswahrscheinlichkeit von einer Substitution durch KI bedroht. Kurz- und mittelfristig am wenigsten gefährdet sind nach ihrer Einschätzung Wahrnehmungs- und Manipulationstätigkeiten, kreativ-intelligente Tätigkeiten und sozial-intelligente Tätigkeiten. Erstgenannte Wahrnehmungs- und Manipulationstätigkeiten beruhen auf der Fähigkeit, sich in komplexen Umwelten zurechtzufinden, die KI in dem Maße nicht hat.
Andere verfügbare Analysen kommen durchaus zu einer positiveren Einschätzung hinsichtlich der Nutzung von künstlicher Intelligenz. So schätzt unter anderem die OECD (Budras, 2018), dass durch die erhöhte Nutzung von KI zwar viele heute bekannte Jobs wegfallen, aber auch neue Stellen geschaffen werden und dass sich der Nettoeffekt zwischen wegfallenden und hinzukommenden Jobs in den nächsten Jahren sogar zugunsten letztgenannter umkehren kann. Bonin, Gregory und Zierahn (2015) kommen für Deutschland zu dem Ergebnis, dass lediglich 12 Prozent der Beschäftigten betroffen sind und es sich hierbei insbesondere um Geringqualifizierte und geringverdienende Beschäftigte handelt.
Die Rolle von Compensation & Benefits im Zuge der Digitalisierung
Bei den oben skizzierten Entwicklungen stellt sich hier unweigerlich die Frage, welche Auswirkungen sich für den Compensation & Benefits(C & B)-Manager ergeben. Vor dem Hintergrund ihres sehr datenlastigen und damit in großen Teilen mittel- bis langfristig automatisierbaren Tätigkeitsfelds ist diese Frage berechtigt und gilt in ähnlicher Form für viele Rollen in den typischen Center of Expertise des Personalbereichs.
Für die Durchführung eines entsprechenden „Überlebenstests“ muss zunächst das Stellenprofil eines C & B-Managers betrachtet werden. Die Tabelle oben zeigt die hierbei typischen Tätigkeiten. Die dargestellten Tätigkeiten erfordern eine hohe Expertise und sind mit einem unterschiedlichem Zeithorizont automatisierbar (siehe Abbildung 2 auf der folgenden Seite). Die unternehmensinterne Erstellung von Vergütungsmarktanalysen umfasst zumeist die Analyse verschiedener Quellen ausgewählter Vergütungsdatenanbieter. Dies ist sicherlich ein Aufgabenfeld, das sich kurzfristig weitestgehend automatisieren und gegebenenfalls sogar an die HR-Business-Partner oder an die Linienmanager übergeben lässt. Die zur Verfügung stehenden Daten der Vergütungsberatungen werden immer umfangreicher und erleichtern ihre Nutzung auch für Nicht-Vergütungsexperten. Neben einer besseren Datenqualität verbessern sich auch die IT-Lösungen, mit denen die Daten abgerufen und aufbereitet werden. Somit werden die Nutzung, der Zugriff und die Interpretation von Vergütungsdaten und die Erstellung von Vergütungsmarktanalysen in absehbarer Zeit mit geringem Aufwand und hoher Automatisierung möglich.
Ähnliches gilt für die Vorbereitung und Begleitung der jährlichen Vergütungsrunden, in deren Rahmen Vergütungssteigerungen und die auszuzahlende variable Vergütung auf Basis von IT-Lösungen mit unternehmensinternen – zum Beispiel Zielvereinbarungen und -erreichungen – und externen Marktinformationen in automatisierten Prozessen eigenständig durch den Linienmanager festgelegt und mit dem Mitarbeiter abgestimmt werden können. Bei der Bewertung von Funktionen zeigt sich ein vergleichbares Bild.
Etwas komplexer wird sich wahrscheinlich auch in Zukunft die Ausgestaltung von Anreizsystemen wie zum Beispiel Boni oder Langfristvergütungen oder von Nebenleistungen darstellen. Beide bedürfen vor ihrer Einführung einer Analyse der strategischen Zielsetzung des Unternehmens sowie der zur Verfügung stehenden Instrumente und der Verhaltensmuster der betroffenen Mitarbeiter. Die inhaltliche Ausgestaltung und die Simulation der zu erwartenden Effekte solcher Systeme werden trotz aller IT-seitigen Unterstützung unter Einbindung von C & B-Spezialisten erfolgen.
Fazit und Ausblick
Was bleibt also vom bisherigen C & B-Manager bzw. vergleichbaren Rollen in Center of Expertises in den nächsten Jahren übrig, wenn die künstliche Intelligenz weiter Einzug hält? Wahrscheinlich nur ein Teil der aktuellen Aufgaben, bei denen es auch weiterhin eines hohen Spezialwissens zu Fragen der Vergütung und einer koordinierenden Funktion zwischen verschiedenen unternehmensinternen Interessengruppen bedarf. Auch wenn dieses Szenario aus heutiger Sicht bedrohlich wirkt, werden die Veränderungen sukzessive und nicht plötzlich erfolgen. Zudem liegt in dieser Anpassung auch eine Chance. So ist es zum Beispiel vorstellbar, dass ehemals reine Vergütungsspezialisten in Zukunft auch operative Personalbetreuungsaufgaben mit übernehmen oder sich um die IT-Anwendungen der vormals analogen C & B-Instrumente kümmern und die Linienmanager beraten. Unternehmen müssen sich jedoch auf diesen Wandel einstellen und ihren Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, sich für neue Aufgaben zu qualifizieren.
Dr. Björn Hinderlich
Mitglied des Rewards Leadership Teams Central & Eastern Europe, Career und Workforce Solutions
Mercer
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